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Vorprogramm:

Guernica F 1950, R: Alain Resnais, Robert Hessens, K: Henri Ferrand, M: Guy Bernard, 13‘ · 35 mm, OmeU

Einführung: Tobias Hering

Als sich der spanische Kultregisseur Fernando Arrabal 1975 der Thematik des Bürgerkriegs annahm, diente ihm die Assoziation „Guernica" als Schlüssel ins Unterbewusste: der Bürgerkrieg wird hier als kollektive Psychose und blutige Familienfehde codiert, die in einer zur Unzeit gewordenen Gegenwart einen Gewaltexzess nach dem anderen hervorbringt. El árbol de Guernica spielt in der fiktiven Provinzstadt Villa Romero, in der sich die Säulen der Feudalzeit unverändert erhalten haben: Leibeigenschaft, katholischer Fanatismus, Aberglauben, der Sadismus der Mächtigen und der Hass der Unterdrückten. Als die Stadt von den Truppen des herrschenden Regimes wegen der Renitenz ihrer Einwohner bombardiert wird, werden der surrealistische Maler „Goya" und die als Hexe Verstoßene „Vandale" zu Anführern eines blutigen Aufstands. El árbol de Guernica ist ein selten zu sehendes Meisterwerk des anarchischen Kinos, ein zügelloses Kunstwerk voller Sex, Gewalt, Kitsch und politischer Symbolik, das noch heute mit seinen Geschmacklosigkeiten begeistern kann.

Nur eine Woche nach der Bombardierung der baskischen Stadt Guernica durch die deutsche Luftwaffe begann Pablo Picasso mit der Arbeit an seinem berühmtesten Werk, einer 8 mal 3,50 Meter messenden Leinwand in schwarz-weiß-grau, die das unvorstellbare Leiden sichtbar machen sollte. Zur kanonischen Rezeption von Guernica gehört auch die Feststellung, dass das Vokabular des Kubismus hier, in der Anwendung auf den Horror des Bombenkriegs, seinen Kulminationspunkt fand. Alain Resnais und Robert Hessens haben diese Lesart in ihrem Experimentalfilm Guernica aufgegriffen. Die  Montage von Motiven aus Picassos Werken dramatisiert die zunehmende Radikalisierung der kubistischen Dekomposition zur Zerreißprobe einer Welt, die am Ende zerschlagen am Boden liegt. (th)