Das Führungsprogramm war fester Bestandteil
der Ausstellung und sollte jedem Besucher über den Katalog
hinaus die Möglichkeit bieten, im Gespräch Informationen
über die Objekte und die Konzeption der Ausstellung zu erhalten.
Das Angebot umfaßte acht Sprachen (Deutsch, Englisch, Französisch,
Deutsche Gebärdensprache, Italienisch, Japanisch, Polnisch
und Russisch) und richtete sich sowohl an Einzelbesucher als auch
an Gruppen. Einzelbesucher konnten sich für DM 2,- Führungen
zur festgesetzten Stunde (feste Führungen) auf Deutsch oder
Englisch anschließen. Wegen der großen Nachfrage nach
festen Wochenendführungen mußten ab Oktober zusätzliche
Termine eingeplant und darüber hinaus Parallelführungen
angeboten werden. Die Zahl der festen Führungen stieg dadurch
sprunghaft an. Gruppen konnten sich schriftlich oder telefonisch
anmelden. Eine Führung auf Deutsch kostete DM 50,- , in anderen
Sprachen DM 60,- . Für Schulklassen und Gehörlosengruppen
waren sie kostenlos. Die Abwicklung der Anmeldungen erledigte ein
Organisationsbüro im Ausstellungsgebäude. Die Termineinteilung
erfolgte auf der Grundlage einer für jeden Ausstellungstag
errechneten Höchstzahl von Führungen, um eine Überfüllung
der Ausstellungsräume zu vermeiden. Das Referententeam, Studenten
und Doktoranden der Geschichte und Kunstgeschichte, umfaßte
20 Personen.
Die festen Führungen waren Überblicksführungen, die
dem Einzelbesucher einen Rundgang durch die Ausstellung anboten.
Die Gruppenführungen dagegen erlaubten Schwerpunkte entweder
analog zu den Raumthemen oder auf der Grundlage von Leitthemen,
die einzelne Leitmotive der Ausstellung aufgriffen. Auf dieses System
von Leitthemen, zunächst für Schulklassen erarbeitet,
griffen bald auch andere Gruppen zurück. Zu den beliebtesten
Leitthemen, auch bei ausländischen Gruppen, zählten: "Nationale
Identitätsfindung. Mythen, Monumente und Symbolik", "Adel,
Bürgertum und Unterschichten", "Großdeutsche
und kleindeutsche Lösung" sowie "Zur Person Bismarcks".
Für Besucher, die sich vor allem für die Konzeption der
Ausstellung interessierten, gab es Werkstattgespräche mit den
wissenschaftlichen Ausstellungsmitarbeitern.
Die Nachfrage nach Führungen wies steigende Tendenz auf. Insgesamt
wurden 1214 Führungen durchgeführt, davon 549 für
Schulklassen (45,2%), 348 für Einzelgruppen (28,7%) und 317
für Einzelbesucher (26,1%). 88 Führungen (7,3%) erfolgten
in Fremdsprachen. Italienisch und Japanisch waren nicht gefragt.
Dagegen meldeten sich 14 Gehörlosenvereine an, davon allein
8 im November. Viele reisten von außerhalb Berlins an. Ganz
bewußt verzichteten die Organisatoren darauf, lautsprachige
Führungen durch mitlaufende Dolmetscher übersetzen zu
lassen. Statt dessen wurde ein Gehörloser in die Konzeption
der Ausstellung eingearbeitet, der die Führungen selbständig
übernahm und dadurch auch auf die Bedürfnisse der Gehörlosen
direkt eingehen konnte. Bei den "VIP Führungen" handelte
es sich um Staatsgäste, Diplomaten, Politiker und Gäste
des Deutschen Historischen Museums sowie des Senatsprotokolls.
Eine Aufschlüsselung nach Gruppen unterstreicht das Übergewicht
Westberliner Schulklassen bei den angemeldeten Gruppenführungen.
Zum größten Teil waren es Klassen aus der Sekundarstufe
II, die sich im Unterricht mit dem 19. Jahrhundert beschäftigten.
Der Ausstellungsbesuch erfolgte während der Unterrichtszeit.
Die Schüler aus dem Ostteil der Stadt kamen vor allem aus den
Klassen 8, 9 und 10. Auch in diesem Fall war das 19. Jahrhundert
Unterrichtsthema. Die Führung wurde als Ergänzung oder
auch Wiederholung des Unterrichtsstoffes verstanden, fand aber meist
außerhalb der Unterrichtszeit statt. Die Anmeldung übernahmen
die Schüler häufig selbst. Aus den fünf neuen Bundesländern
bestellten vergleichsweise wenige Schulklassen Führungen, während
Schulen aus dem Raum zwischen Hannover, Bremen und Hamburg gleich
mehrmals Tagesfahrten organisierten. Unter den nichtschulischen
Einzelgruppen stellten diejenigen aus dem
Bereich Kultur und Bildung (Heimat und Geschichtsvereine, Volkshochschulen
usw.) den größten Anteil.
Von insgesamt 158244 Ausstellungsbesuchern wurden 19996 Personen
durch die Ausstellung geführt. Jeder 8. Ausstellungs-besucher,
das sind 12,6%, nahm das Angebot wahr. Dieser Wert wurde bei vergleichbar
großen Ausstellungen in Berlin in den letzten Jahren noch
nicht erreicht. Tatsächlich liegt die Zahl der geführten
Personen sogar höher, da sich während der Führungen
Ausstellungsbesucher anschlossen, die sich nicht angemeldet hatten
und statistisch daher auch nicht erfaßt wurden. Die Eintragungen
in den Besucherbüchern unterstreichen die Bedeutung eines umfangreichen
Führungsangebots in einer kulturhistorischen Ausstellung dieser
Dimension. Angesichts der Materialfülle, so meinten viele Besucher,
habe ihnen erst die Führung einen Überblick gegeben und
Zusammenhänge verdeutlicht.
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