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Was war
der Kalte Krieg?

(von Wilfried Loth)

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Sowjetische Vorsicht

 

Plakat der Kriegsgefangenenhilfe der SPD, 1948/49Ganz ähnlich erhob die Sowjetunion wohl den Anspruch, an der Spitze der weltweiten revoltutionären Bewegung zu stehen, der historisch notwendigerweise die Zukunft gehörte, doch ging tatsächlich nur wenig revolutionäre Dynamik von ihr aus. Unter Stalin führte ein abgrundtiefes Mißtrauen gegenüber einer als grundsätzlich feindlich perzipierten Umwelt zu vielfacher Repression im Innern des sowjetischen Machtbereichs; nach außen konnte er sich Kompromisse nur als Arrangements auf Zeit vorstellen, die es ermöglichten, einen besseren Ausgangspunkt für die nächste Runde im internationalen Klassenkampf zu finden. Gleichzeitig hatte Stalin aber auch ein äußerst lebhaftes Gespür für die relative Schwäche und Verwundbarkeit seines Landes; darum verfolgte er einen extrem pragmatische Kurs, gegenüber den Westmächten geradezu übervorsichtigen Kurs.

    

In der Tat ging die Sowjetunion aus dem Zeiten Weltkrieg bei allem strategischen Geländegewinn als ein zutiefst geschwächtes Land hervor: Nach neuesten sowjetischen Angaben hatten mindestens 27 Millionen Menschen ihr Leben gelassen, vielleicht sogar noch mehr. Der von den Deutschen besetzte Teil des Landes war weitgehend verwüstet und ausgeplündert. Die Landwirtschaft war so desorganisiert, daß 1946 in der Ukraine und in Weißrussland Hungersnot herrschte; das Industrialisierungsprogramm war um viele Jahre zurückgeworfen. Deutlicher als die Zeitgenossen, die unter den Nachwirkungen der antibolschewistischen Propaganda und dem Schock des Vorrückens der Roten Armee standen, sehen wir nach dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums, daß die UdSSR durch den Kalten Krieg in eine Weltmachtrolle hineinmanövriert wurde, in der sie hoffnungslos überfordert war.

      

Mit außerordentlichem, vermutlich sogar weit übertriebenem Respekt vor den Fähigkeiten des amerikanischen und deutschen Kapitalismus suchte Stalin bei Kriegsende sein strategisches Vorfeld in Osteuropa zu sichern, das deutsche Problem in den Griff zu bekommen und im übrigen den Vormarsch des amerikanischen Kapitalismus so gut es ging abzumildern. Der Export der bolschewistischen Revolution stand für ihn nicht auf der Tagesordnung. Selbst im östlichen Europa, das jetzt unter der Kontrolle der Roten Armee stand, steuerte er keineswegs zielstrebig auf die Etablierung des kommunistischen Machtmonopols zu. Lange Zeit suchte er, sehr zum Verdruß seiner osteuropäischen Zeitgenossen, nach verläßlichen Verbündeten unter den traditionellen Eliten der osteuropäischen Völker; und auch nachdem er damit (mit Ausnahme der Tschechoslowakei) keinen Erfolg gehabt hatte, schärfte er - wie wir heute wissen - seinen Statthaltern in den osteuropäischen Hauptstädten ein, daß die Einführung des Sozialismus nicht überstürtzt betrieben werden dürfe. Erst nach allerlei Kompromissen und Umwegen wurde 1947 mit der Gründung des Kominform der sowjetische Weg zum Sozialismus zum allein maßgeblichen erklärt.

    

In Deutschland meinte er es ernst mit der "antifaschistisch-demokratischen Umwälzung", die er propagierte: Sie sollte in allen vier Besatzungszonen durchgeführt werden, um die gesellschaftlichen Wurzeln des Nationalsozialismus zu beseitigen und so die Garantie für ein friedliches Deutschland schaffen. Daraus folgte, daß er ein lebhaftes Interesse daran hatte, die gemeinsames Verantwortung für die vier Besatzungszonen, wie sie in Potsdam beschlossen worden war, aufrecht zu erhalten, und daß das Umgestaltlungsprogramm, das von den drei westlichen Alliierten mitgetragen werden sollte, nur ein Kompromißprogramm sein konnte. 

    

In den Ländern des westlichen Europas arbeitet er keineswegs auf eine weitere Verelendung hin, um so, wie man in Washington fürchtete, soziale Aufruhr zu fördern, den die Kommunisten zur Machtergreifung nutzen konnten. Vielmehr verpflichtete er die westlichen Kommunisten darauf, am Wiederaufbau ihrer Länder mitzuarbeiten, um so den - im Prinzip unvermeidlichen - Einfluß der USA auf diese Länder in Grenzen zu halten. In Frankreich wie in Italien dienten sich die Kommunisten daraufhin als Verbündete im Kampf um den Wiederaufbau und die Wiedergewinnung der nationaler Unabhängigkeiten an; sozialistische Umgestaltungshoffnungen, die durch das Erlebnis des Krieges befördert worden waren, mußten zurückstehen.

   

Plakat zur Ächtung der Atombombe, 1950Die beiden Hauptsiegermächte des Zweiten Weltkrieges bedrohten sich also bei der Verfolgung ihrer jeweiligen Sicherheitsinteressen nicht wirklich vital; viel eher neigten sie zu Kompromissen und zum Arrangement. Mehr noch: Ihre konkreten wirtschaftlichen Interessen waren auf weiten Strecken komplimentär – das amerikanische Interesse an der Erschließung neuer Märkte korrespondierte mit dem sowjetischen Interesse an Wiederaufbauhilfe. Selbst in ideologischer Hinsicht gab es eine Reihe von Gemeinsamkeiten - sowohl die USA als auch die Sowjetunion waren aus Revolutionen hervorgegangen, die sich gegen die alteuropäische Ordnung gerichtet und die Befreiung von gesellschaftlichen Zwängen auf ihre Fahnen geschrieben hatten.

   

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