Kino im Zeughaus

 

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KUNST DES DOKUMENTS – BOY MEETS GIRL/BOY


 

KUNST DES DOKUMENTS – BOY MEETS GIRL/BOY

Boy meets girl – diese Formel durchzieht die Filmgeschichte wie kein zweites Motiv. Kaum ein Spielfilm, der nicht mindestens in einem Nebenhandlungsstrang von der lustvollen Anbahnung eines (heterosexuellen) Paares erzählt. KUNST DES DOKUMENTS – BOY MEETS GIRL/BOY stellt im April vier Filme vor, die mit den Mitteln des Dokumentarfilms von Paarbeziehungen erzählen. Zu erleben sind Filme über heterosexuelle und homosexuelle Paare; über Paare, die sich nicht mehr finden können oder die sich partout nicht bilden wollen; Paare für die Ewigkeit, Paare gegen die Einsamkeit. Das Spektrum der Paarbeziehungen im Dokumentarfilm scheint dem des Spielfilms mindestens ebenbürtig. Ihre Dynamik stellt die dokumentarische Erzählung jedoch auf eine ungleich härtere Bewährungsprobe.

 

KUNST DES DOKUMENTS – BOY MEETS GIRL/BOY
Mit Verlust ist zu rechnen
A 1992, R: Ulrich Seidl, OmU, 118’

Der Witwer Sepp lebt in einem kleinen Dorf an der österreichischen Grenze zu Tschechien. Er ist auf der Suche nach einer Frau. Deshalb greift er immer öfter zum Fernrohr, um die Nachbarin Paula in ihrem Haus zu beobachten. Paula lebt auf der anderen Seite der Grenze. Mit Verlust ist zu rechnen erzählt die Geschichte einer Brautwerbung.
Der Regisseur berichtet über seine Erfahrungen während der Dreharbeiten: „Die altbekannte Ost-West-Problematik, dort Armut und Verelendung, hier Wohlstand und Konsumgesellschaft, trat in den Hintergrund und wurde von einer übergeordneten, allgemein menschlichen Problematik verdrängt: Einsamkeit, unerfüllte Liebe, Alter und Tod. Ab einem gewissen Zeitpunkt des Films schien es nicht mehr wichtig zu sein, auf welcher Seite der Grenze wir uns befinden“ (Ulrich Seidl, www.ulrichseidl.com). Zum österreichischen Filmstart von Mit Verlust ist zu rechnen schreibt Werner Herzog über Ulrich Seidl: „Nie möchte man in eine Welt geboren sein, die er zeigt, und darin steckt eine tiefe Sehnsucht, eine Utopie. Mag die österreichische Kritik auch Seidl zum Unhold abstempeln: Da ist ein bedeutender Regisseur am Werk“ (Der Standard, 11.3.1993).

am 05.04.2007 um 20.00 Uhr

 

 

 

KUNST DES DOKUMENTS – BOY MEETS GIRL/BOY
Herr Schmidt und Herr Friedrich
D 2001, R: Ulrike Franke, Michael Loeken, 72’

Diese Liebesgeschichte beginnt mit der gemeinsamen Leidenschaft für Schlagermusik. Der DDR-Bürger Wilfried Friedrich und Kurt Schmidt, BRD-Bürger, sind homosexuell, sie lernen sich 1977 kennen. Als Herr Friedrich einen Ausreiseantrag stellt, um mit seinem Geliebten im Westen zusammen zu leben, beginnt sich die Stasi für ihre Beziehung zu interessieren. Dank der großen Offenheit der beiden Männer erzählt der Film von zwei bewegenden Lebensgeschichten und von den gegenwärtigen Sorgen eines Lebens im Reihenhausidyll irgendwo in der westdeutschen Provinz. Kurz nach den Dreharbeiten ist Herr Friedrich gestorben.
„Die finale, scheinbar lakonische Nachricht vom Tod Wilfrieds steht für die gleichermaßen präzise wie integere Arbeit des Regieduos. Keinen Augenblick lang begegnen Franke und Loeken ihren Gesprächspartnern mit einer Draufsicht, stets wird die Augenhöhe gewahrt. Die kuriose Leidenschaft für Schlagerschnulzen wird ebenso wie die homosexuelle Beziehung ohne jeden Kommentar als Lebensentwurf akzeptiert“ (Claus Löser, taz, 12.12.2002).

am 12.04.2007 um 20.00 Uhr

 

 

 

KUNST DES DOKUMENTS – BOY MEETS GIRL/BOY
Sherman’s March
Shermans Feldzug
USA 1981-1985, R: Ross McElwee, OmU, 155’

1864 begann General William T. Sherman seinen Feldzug zur Atlantikküste und zerstörte Atlanta (Georgia), Columbia (South Carolina) sowie viele andere Städte. Sherman führte seinen Krieg, dessen Spuren noch heute im Süden der Vereinigten Staaten zu finden sind, hauptsächlich gegen die Zivilbevölkerung. Sherman’s March möchte eigentlich diesen Narben nachspüren. Doch bevor sich der Filmemacher auf den Weg machen kann, erfährt er, dass seine Freundin zu ihrem früheren Freund zurückgekehrt ist. Er ist sehr niedergeschlagen, entschließt sich dann aber doch, die Fahrt anzutreten. Ross McElwee verbindet seine Suche nach den Spuren des Feldzuges mit einer Reise zu den Frauen seiner Vergangenheit. Dabei begegnet er weiteren Frauen.
Sherman’s March ist eine Odyssee durch meine Heimat und ihren bemerkenswerten Wandel, ein Porträt des ‚neuen Südens’, wie er sich selbst apostrophiert, im Schatten seiner Bürgerkriegsvergangenheit und aus der Sicht des Filmemachers, eines in Boston freiwillig im Exil lebenden Südstaatlers. Mein Film ist aber auch eine Humoreske, wie alle meine Filme. Manche Leute haben sie mit Woody Allen verglichen, vermutlich wegen der ähnlichen Art des Humors und der Sensibilität. Der grundlegende Unterschied besteht darin, dass dies ein Dokumentar- und kein Spielfilm ist.“ (Ross McElwee, Forums-Programm der Berlinale 1986)

am 19.04.2007 um 20.00 Uhr

 

 

 

KUNST DES DOKUMENTS – BOY MEETS GIRL/BOY
Mein Tod ist nicht dein Tod
D/IN 2006, R: Lars Barthel, 85’

Die dokumentarische Erzählung des Films ist in eine fiktive Rahmenhandlung eingebettet: Der Filmemacher Lars Barthel erhält von seiner vor 15 Jahren verstorbenen Frau Chetna den Auftrag, nach Indien an ihr Grab zu fahren, ihre Asche auszugraben und in alle Winde zu zerstreuen. Dieser Wunsch bietet Barthel die Gelegenheit, in die Vergangenheit zu reisen und schöne und schmerzliche Erinnerungen an Chetna wachzurufen.
Chetna kam als junge Frau aus Indien in die DDR und lernte Lars an der Filmhochschule in Potsdam kennen. Nachdem sie wegen ihrer gemeinsamen Filme in der DDR gemaßregelt wurden, wanderten sie 1982 mit der gemeinsamen Tochter in den Westen aus. Chetna  erkrankte bald darauf schwer und starb während Dreharbeiten in Indien.
Mein Tod ist nicht dein Tod ist meine erste Regiearbeit. Als Kameramann bin ich vertraut mit ganz verschiedenen dokumentarischen Erzählformen, doch keine schien mir für meinen Film passend. Die eigene Biografie ist ein tückisches Material. Wie Abstand halten und Nähe zulassen? (…) Ich begann einen Dialog mit meiner toten Liebsten zu schreiben. Während der Arbeit am Film wurde sie so präsent, dass sich alle mit ihr solidarisierten. Die Cutterin, die Produktion und am Ende die Zuschauer. Es war wie die Übertragung einer verborgenen Kraft“ (Lars Barthel, www.filmhaus-saarbruecken.de).

am 26.04.2007 um 20.00 Uhr

 

 

 

 

 
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