Zeughauskino

 

Kino im Zeughaus | Programm | Programmarchiv

 


  CINEFEST

 

CINEFEST 2008: ALLES IN SCHERBEN!...?

Ein Jahrzehnt im Ausnahmezustand. Das von CineGraph Hamburg und dem Bundesarchiv-Filmarchiv veranstaltete CineFest nimmt 2008 das Kino der Kriegs- und frühen Nachkriegszeit in den Fokus. Politische Kontrollen und propagandistische Lenkung, Zerstörung der Infrastruktur, Mangelwirtschaft und die Infragestellung gesellschaftlicher Werte prägten die Filmproduktion in Europa – unabhängig von der Zäsur des Jahres 1945. Das Zeughauskino präsentiert unter dem Titel des CineFestes ALLES IN SCHERBEN!...? eine Auswahl des Hamburger Programms: Filme aus der Zeit des „Dritten Reiches“ wie auch Filme der Nachkriegszeit aus West- und Ostdeutschland. Den thematischen Schwerpunkt der Filmreihe bildet der Umgang mit Jugendlichen: die Erwartungen, die an die Erwachsenen von morgen gerichtet werden; die Rollenmuster, die die Filme ins Spiel bringen, die sie teils verwerfen, teils dem Publikum ans Herz legen; die Erziehungsmethoden und Bildungsideale, die ins Bild gesetzt werden, und nicht zuletzt die Verhaltensweisen, mit denen die Jugendlichen auf all dies reagieren – vor und nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Eine Filmreihe in Zusammenarbeit mit CineGraph Hamburg und dem Bundesarchiv-Filmarchiv

 

CINEFEST 2008: ALLES IN SCHERBEN!...?
Die Söhne des Herrn Gaspary
D (West) 1948, R: Rolf Meyer, D: Lil Dagover, Hans Stüwe, Michael Tellering, Harald Holberg, 93’

Der Verleger Robert Gaspary flüchtet 1933 gemeinsam mit seinem achtjährigen Sohn Hans vor den Nazis in die Schweiz. Seine Frau Margot bleibt mit ihrem zweiten Sohn Günter in Berlin zurück. Nach vielen Monaten lässt sie sich von Robert scheiden und heiratet einen preußischen General, der in den letzten Kriegstagen fällt. Nach Kriegsende beginnt für Robert eine beschwerliche Suche nach Margot und seinem zweiten Sohn. Vor der winterlichen Schönheit der bayerischen Alpen versuchen sie, wieder zueinander zu finden. Im Kreise junger Menschen aller Nationen stellt sich bald heraus, dass die Söhne durch ihre unterschiedliche Erziehung gegenteilige Lebensauffassungen entwickelt haben. Günter, während des Krieges Staffelkapitän der Luftwaffe, rechtfertigt den Krieg und beharrt auf seine Ansichten, dass Deutschland ihn nur deshalb verloren habe, weil es zu viele Feinde hatte... – „Die Söhne des Herrn Gaspary ist der erste nach Kriegsende hergestellte deutsche Spielfilm, der – getarnt unter dem Deckmantel der Unterhaltung – eine Rehabilitierung des von den Nationalsozialisten begonnenen Krieges liefert. (...) Mit Günter soll der Betrachter dementsprechend stolz darauf sein, einem Volk anzugehören, dessen äußerer Zusammenbruch nur auf die Masse böswilliger Feinde zurückzuführen ist, gegen die es zur Behauptung seiner Lebensinteressen kämpfen mußte.“ (Peter Pleyer: Deutscher Nachkriegsfilm, 1965)

Am 5.12.2008 um 21.00 Uhr

 

 

CINEFEST 2008: ALLES IN SCHERBEN!...?
Valahol Európában
Irgendwo in Europa

H 1947, R + B: Géza von Radványi, Mitarbeit am Drehbuch: Béla Balázs, D: Miklós Gábor, Zsuzsa Bánky, 103’ OmU

Noch ist der Krieg nicht zu Ende... Überall ziehen eltern- und heimatlose Jugendliche umher, schließen sich zu Banden zusammen, rauben und plündern, um nicht zu verhungern. Eine dieser Banden stößt auf eine halbverfallene Burg, in die sich ein berühmter Dirigent zurückgezogen hat. Sie überwältigen und fesseln ihn – ein kleines Mädchen aus der Bande hat Mitleid und befreit ihn. Nach und nach gelingt es dem Musiker, das Vertrauen der Kinder zu gewinnen. Gemeinsam setzen sie die Burg instand. Er versucht, ihnen auch klar zu machen, dass Freiheit mehr ist als ihr früheres Leben auf der Landstraße: Freiheit bedeute, dass man für etwas eintrete, ein gemeinsames Ziel habe, das man auch verteidigen müsse. Diese Situation tritt bald ein. Es kommt zu einer Auseinandersetzung zwischen den Jugendlichen und dem faschistischen Bürgermeister des benachbarten Dorfes. Die Angreifer müssen flüchten, der kleine Kuksi wird schwer verletzt und stirbt. Die Bildung einer neuen Gemeinschaft ist jedoch nicht mehr aufzuhalten: Der Krieg ist zu Ende, der Dirigent überschreibt den Jugendlichen seine Burg und verspricht, sie weiter zu unterstützen... – Der Film ist „im ersten Teil reine Filmkunst, kompromissloser Realismus. (...) Der zweite Teil wird ein unglückliches Gemisch von Realismus und Idealismus. (...) Der große Gedanke des Filmes ist die Freiheit, der am Ende über allem durchbricht. In den Oststaaten ist der Film verboten.“ (St. Galler Tageblatt, 18.3.1950)

am 6.12.2008 um 21.00 Uhr

 

 

CINEFEST 2008: ALLES IN SCHERBEN!...?
Jungens
D 1941, R: Robert A. Stemmle, D: Albert Hehn, Bruni Löbel, Eduard Wenck, Maria Hofen, 87’

Die zeitgenössische Werbung bringt die ideologische Botschaft dieses nationalsozialistischen Propagandafilms auf den Punkt: „Hier gelingt es einem zielbewußten HJ-Führer, die Jugend des Ortes einsatzfreudig um sich zu scharen, einen Einwohner als Volksschädling und Spritschmuggler zu entlarven und unschädlich zu machen sowie Ordnung zum Wohl des ganzen Gemeinwesens zu schaffen.“ Gedreht wird in einem Dorf an der kurischen Nehrung unter Mitwirkung von dreizehn Jugendlichen der Adolf-Hitler-Schule in Sonthofen. Der Film-Kurier sieht den optischen Höhepunkt des Films in einem „Hitlerjugend-Fest im Dünensand, bei dem Mädels von ‚Glaube und Schönheit’ reizvolle Darbietungen mit geschwungenen Reifen zeigen.“ (3.5.1941) Der Komponist Werner Egk schreibt den Hitlerjungen ein eigenes Marschlied, „energievoll im Thema, wuchtig und straff in der melodischen Ausrichtung und prägnant im Rhythmus.“ (Film-Kurier, 5.5.1941) Andere Rezensenten loben den Kameramann Robert Baberske, „der die Kurische Nehrung mit ihren im Sturm rauchenden riesigen Wanderdünen und das Haff mit seinen malerischen Kurenkähnen im Gegenlicht wunderbar aufnahm.“

Einführung: Philipp Stiasny
am 7.12.2008 um 19.00 Uhr

 

 

CINEFEST 2008: ALLES IN SCHERBEN!...?
Junge Adler
D 1944, R: Alfred Weidenmann, D: Willy Fritsch, Herbert Hübner, Dietmar Schönherr, 107’

Direktor Brakke ist mit der charakterlichen Entwicklung und den schulischen Leistungen seines Sohnes Theo unzufrieden. Er nimmt ihn vom Gymnasium und bringt ihn als Lehrling in seiner Fabrik, einem großen Flugzeugwerk, unter. Theo fühlt sich den anderen Lehrlingen überlegen und will sich nicht in die „Lehrlingsgemeinschaft“ integrieren. Erst als sie ihn bei einer Wattwanderung vor der steigenden Flut retten, erkennt er den Wert der Freundschaft. Bald ist er einer der eifrigsten, um in Tag- und Nachtschichten Flugzeugkanzeln herzustellen... – „Unter den vielen tausend Jungen aus allen Städten des Reiches wurde eine Handvoll richtiger Kerle ausgesucht, und sie sind die eigentlichen Darsteller: Lehrlinge, junge Flugzeugbauer!“ (Werbetext 1944) Der von Goebbels am 18. Februar 1943 ausgerufene „Totale Krieg“ gilt auch für die Rüstungsindustrie. Junge Adler ist der letzte Jugendspielfilm des „Dritten Reiches“. Auch wenn „Bäumchen“ (Hardy Krüger in seiner ersten Rolle) an einem kurzen Flug teilnehmen darf, soll die deutsche Jugend weniger für das Fliegen, als vielmehr für den bedingungslosen Einsatz in der Rüstung begeistert werden.

Einführung: Philipp Stiasny
am 13.12.2008 um 18.30 Uhr

 

 

CINEFEST 2008: ALLES IN SCHERBEN!...?
Hitler’s Children
USA 1942, R: Edward Dmytryk, D: Tim Holt, Bonita Granville, Kent Smith, Otto Kruger, 82’  OF

Sensationsdrama. Als Gestapo-Offizier ist Karl Bruner ein bedingungsloser Nationalsozialist. Er liebt die in Deutschland aufgewachsene Amerikanerin Anna Muller, mit der er seit Kindesbeinen befreundet ist. Sie aber wehrt sich mit allen Mitteln gegen die Nazi-Ideologie und soll daraufhin zwangssterilisiert werden. Wegen dieser Freundschaft beginnen Bruners Vorgesetzte an seiner Regimetreue zu zweifeln und setzen ihn auf seine Geliebte an. Als er versucht, ihre öffentliche Auspeitschung zu verhindern, wird er vor Gericht gestellt: Er nutzt diese Tribüne, um die deutsche Jugend über die Grausamkeiten des Regimes aufzuklären.
Hitler’s Children ist in der Vorkriegszeit angesiedelt. Wochenschauaufnahmen illustrieren den historischen Hintergrund. Dem Branchenblatt Variety (30.12.1942) zufolge stellt der Film „die grausamen und barbarischen Ansichten des Nazismus und die Art und Weise, wie die deutsche Jugend nach einer vorsintflutlichen, militaristischen Ordnung geformt wird, die jede Form von Anstand zerstört“, eindringlich dar. Die New York Times (25.2.1943) reagiert dagegen enttäuscht: „Alles in allem versäumt Hitler’s Children eine gute Gelegenheit, die furchtbare Bedeutung der Entmündigung der deutschen Jugend aufzuzeigen.“ Ohne großen finanziellen Aufwand produziert, entwickelt sich dieses von dem Hollywood-Studio RKO produzierte B-Movie zum größten Kassenschlager des Unternehmens bis dahin und spielt sogar mehr Geld ein als der Sensationsfilm King Kong (1933).

am 13.12.2008 um 21.00 Uhr

 

 

    
CINEFEST 2008: ALLES IN SCHERBEN!...?
1-2-3-Corona
D (Ost) 1948, R: Hans Müller, D: Eva-Ingeborg Scholz, Lutz Moik, Piet Clausen, Ralph Siewert, 89’

Eine heitere Romanze, angesiedelt zwischen Nachkriegsproblemen und buntem Zirkusmilieu. 1945: Berlin liegt in Trümmern, die meisten Wohnungen sind zerstört, die Schulen geschlossen. Auf einem Bauplatz betreiben zwei rivalisierende Jungensbanden einen lukrativen Schwarzhandel. Ein kleiner Wanderzirkus schlägt auf ihrem Bauplatz sein Zelt auf. Als die Jugendlichen bemerken, dass der Zirkusdirektor die junge Artistin Corona misshandelt, beschließen sie, ihr zu helfen. Beim Versuch, sie zu beschützen, geschieht ein Unglück: Corona stürzt ab und verletzt sich so schwer, dass sie zurückbleiben muss, als der Wanderzirkus weiterzieht. In ihrem Straßenbauwohnwagen übernehmen die Jungen ihre Pflege, von einem verständnisvollen Arzt unterstützt. Um sie aufzuheitern und ihr neuen Mut zu geben, improvisieren sie einen kleinen Zirkus... – „Ein Film der Lebensfreunde mit fröhlichen jungen Menschen“ (DEFA).

am 16.12.2008 um 20.00 Uhr

 

 

CINEFEST 2008: ALLES IN SCHERBEN!...?
Mrs. Miniver
USA 1942, R: William Wyler, D: Greer Garson, Walter Pidgeon, Teresa Wright, Dame May Whitty, 134’ OF

Mit sechs Oscars ausgezeichnetes Kriegsdrama. Mr. und Mr. Miniver bilden mit ihren drei Kindern eine gutbürgerliche englische Mittelstandsfamilie. Der Kriegsausbruch zerstört auch in ihrem Landstädtchen die wohlige Idylle. Trotz aller Katastrophen und Schicksalsschläge bleibt Mrs. Miniver standhaft und tapfer: Ihr ältester Sohn wird zur Royal Air Force eingezogen und fliegt Angriffe gegen deutsche Bomber, ihr Mann beteiligt sich mit seinem Motorboot an der Evakuierung britischer Soldaten aus dem deutschen Kessel von Dünkirchen, ihr Haus wird zerbombt, in ihrem Vorgarten entdeckt sie einen abgeschossenen deutschen Fliegersoldaten und nach einem deutschen Fliegerangriff verblutet ihre lebensfrohe Schwiegertochter... – „Mrs. Miniver sollte von Anfang an ein Propagandastück sein: ein Hohes Lied auf die Tugend und den Widerstandsgeist der tapferen Briten, die in den beiden ersten Kriegsjahren dem Bomben-‚Blitz’ der Nazis mit unverwüstlichem Gemeinschaftssinn und allerbesten Umgangsformen widerstehen.“ (Hans-Christoph Blumenberg, 1996) Nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbour am 7. Dezember 1941 schreibt William Wyler die Rede des Vikars in der halbzerstörten Kirche zu einem pathetischen Appell um: „Wir haben unsere Toten beerdigt, aber wir werden sie nicht vergessen. Sie werden uns zu jener unerschütterlichen Entschlossenheit inspirieren, mit der wir uns und unsere Nachfahren von Tyrannei und Terror befreien, die uns niederzuwerfen drohen. Geht hin und kämpft!“

am 17.12.2008 um 20.00 Uhr

 

 

CINEFEST 2008: ALLES IN SCHERBEN!...?
...und wenn’s nur einer wär’
D (Ost) 1949, R: Wolfgang Schleif, D: Edelweiß Malchin, Siegfried Dornbusch, Axel Monjé, Käte Alving, 84’

„Ein Film von der Jugend unserer Tage“ – so der Untertitel des Films, an dem zahlreiche jugendliche Laiendarsteller mitwirken. Die DEFA bewirbt ihn als „einen wesentlichen Beitrag zum Thema unserer noch immer gefährdeten, oft irrenden Jugend.“ In einem Kabarett trägt ein Mädchen das Lied der „Verwahrlosten Jugend“ vor. Die Zuhörer applaudieren – nur einer protestiert lautstark. Es ist der Leiter eines Lagers für verwahrloste Jugendliche, das in einer Baracke am Stadtrand untergebracht ist. Hier haben sich verwahrloste Jugendliche eingefunden: die einen kommen freiwillig, andere werden von den Jugendgerichten eingewiesen. Der Leiter will „sie nach den Regeln einer demokratischen Selbstverwaltung zu brauchbaren Menschen machen“. Aber es kommt zu einem folgenschweren Rückschlag und ein neuer Lagerleiter wird eingesetzt. Dieser, ein ehemaliger Nazi, diszipliniert die Jugendlichen mit Appellen, Geländeübungen und Strafmaßnahmen. Damit weckt er ihre Opposition... – Für die Berliner Zeitung (20.3.1949) ist es „einer der besten deutschen Zeitfilme. Entstanden ist beinahe so etwas wie ein neues Filmgenre. Eine Art Erziehungsfilm, der in jedem Meter verrät, daß hier eine Regie am Werk ist, die diesen Namen verdient.“

am 20.12.2008 um 19.00 Uhr

 

 

CINEFEST 2008: ALLES IN SCHERBEN!...?
... und wieder 48!
D (Ost) 1948, R: Gustav von Wangenheim, D: Inge von Wangenheim, Ernst Wilhelm Borchert, Josef Sieber, 102’

Berlin 1948. Ein Film über die bürgerliche Revolution von 1848 wird gedreht. Berliner Studenten wirken als Statisten mit, darunter auch Heinz Althaus und Else Weber. Erst stehen sie sich kühl und reserviert gegenüber, im Verlauf der Dreharbeiten und ihrer Auseinandersetzung mit den Idealen der 48er erkennen sie, dass sie einander vertrauen können... – „Die Jugend“, so Gustav von Wangenheim, „hat keine lebendige Beziehung zur Geschichte mehr. Sie neigt zu dem nihilistischen Versuch, alle Geschichte und die aus ihr erwachsenden Bindungen beiseite zu schieben, sich außerhalb der Geschichte zu stellen. Ihr Mißtrauen gegen die Geschichte spiegelt sich in ihren persönlichen Beziehungen. Hier greifen meine künstlerischen Absichten ein. Ich gestalte die Beziehungen zwischen heutigen jungen Menschen im Schatten dieser geistigen Situation, und die von mir dem Leben abgewonnene Handlung unternimmt die Lösung des Problems.“ ... und wieder 48! ist auch ein Berlin-Film: gedreht wurde in der Universität und der Staatsbibliothek, im Schlüterhof des zerbombten Stadtschlosses, auf dem Friedhof der Märzgefallenen. Eine zeitgenössische Beschreibung liefert zugleich eine Interpretationshilfe: „Auf der Wartburg, dem Schauplatz der letzten Filmaufnahmen, bei denen die Studenten wieder mitwirken, finden sich dann Else und Heinz endgültig als ganze, fortschrittliche Menschen in dem Willen, jenes deutsche Erbübel unserer Geschichte, das Misstrauen, zu überwinden.“

am 20.12.2008 um 21.00 Uhr

 

 

 

 
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