Zeughauskino

 

Kino im Zeughaus | Programm | Programmarchiv

 


    CINEFEST:-
SCHATTEN DES KRIEGES

 

CINEFEST: SCHATTEN DES KRIEGES

Im November 2009 widmete sich das von CineGraph Hamburg und dem Bundesarchiv-Filmarchiv veranstaltete Cinefest zum zweiten Mal dem Kino der 1940er Jahre. Auf dem Spielplan stand das europäische Kino der Kriegs- und unmittelbaren Nachkriegszeit. Der begleitende Internationale Filmhistorische Kongress erörterte, wie sich dieses Kino mit Nationalsozialismus, Holocaust und Trümmerzeit auseinandergesetzt hat. Das Zeughauskino präsentiert eine Auswahl des Hamburger Filmprogramms und konzentriert sich dabei auf die deutsche und internationale Filmproduktion aus der zweiten Hälfte der 1940er Jahre. Berücksichtigt wurden einerseits ein breites Spektrum an ästhetischen Ansätzen, die gerade erst erlebten Schrecken des Krieges, der Besatzung und Judenvernichtung im Kino zu erinnern, sowie andererseits die unterschiedlichen Formen, in der Gegenwart und für die Zukunft eine Neuorientierung für das weitere Leben und Filmen zu finden: parabelhafte Erzählungen und dokumentarische Epen, filmhistorische Verweise auf das Kino der Weimarer Republik und Experimente eines radikalen ästhetischen Neuanfangs. Das europäische Kino nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs trägt viele Gesichter, von denen einige noch weitgehend unbekannt sind. Begleitend zum Cinefest ist ein lesenswerter Katalog erschienen.

Eine Filmreihe in Zusammenarbeit mit CineGraph Hamburg und dem Bundesarchiv-Filmarchiv

 

CINEFEST: SCHATTEN DES KRIEGES
Duell mit dem Tod
A 1949, R: Paul May, P: Georg Wilhelm Pabst, B: Paul May, Georg Wilhelm Pabst, D: Rolf von Nauckhoff, Annelies Reinhold, Ernst Waldbrunn, 109’ Beta SP

Ein Gerichtsdrama, ein Thriller: Wegen eines Mordes, den er während des Krieges als SS-Offizier begangen haben soll, wird der Physik-Professor Ernst Romberg von den Amerikanern vor Gericht gestellt. Doch seine Geschichte und mit ihr der Blick auf die Vergangenheit erscheinen verworrener, als es den Richtern lieb ist. Denn Romberg war 1942 aus der deutschen Armee desertiert und hatte eine Widerstandsgruppe gegründet, die – getarnt als SS-Mitglieder – Häftlingen der Gestapo zur Flucht verhalf. Dann aber drohte die Gruppe aufzufliegen, und Romberg musste sich entscheiden zwischen dem Tod eines Unschuldigen und dem Leben jener, die er retten wollte.
Wie andere Nachkriegsfilme des einst so kühlen Gesellschaftsanalytikers G.W. Pabst, dreht sich auch Duell mit dem Tod um eine Anklage, um Selbstbefragung und Erklärungsversuche, Schuld und Sühne. Diese Fragen betrafen Pabst ganz persönlich, denn trotz seiner Abscheu vor den Nationalsozialisten hatte auch er im „Dritten Reich“ weiter Filme gedreht. So zeichnet Duell mit dem Tod das Bemühen aus, ein persönliches Dilemma kenntlich zu machen und die Kollektivschuldthese zu widerlegen. Ein Krimi mit dokumentarischem Flair: „Seine Rasanz, sein raffinierter Rhythmus, seine vibrierende Spannung ist (…) atemberaubend. Dergleichen ist kaum einem unserer Nachkriegsfilme gelungen. Und nur wenige unserer Nachkriegsfilme hatten diesen zupackenden filmischen Stil.“ (Gunter Groll, Süddeutsche Zeitung, 2.11.1950)

am 22.1.2010 um 21.00 Uhr
am 24.1.2010 um 18.30 Uhr

 

 

CINEFEST: SCHATTEN DES KRIEGES
La bataille du rail
F 1945, R/B: René Clément, K: Henri Alekan, D: Jean Clarieux, Jean Daurand, Tony Laurent, Jaques Desagneaux, 87’ OmeU

Die Résistance entwickelt sich nach dem Kriegsende zu einem der zentralen politischen Mythen Frankreichs. Der unbeugsame Widerstandskämpfer wird zum nationalen Leitbild. In diesem Zusammenhang steht auch La bataille du rail, das Hohelied auf den Widerstand der französischen Eisenbahner gegen die deutschen Besatzer. Gedreht im Herbst 1945 nach authentischen Ereignissen, schildert der Film, wie die Eisenbahner die Transporte der Deutschen durch Frankreich sabotieren, wie sie Widerstandskämpfer verstecken und geheime Informationen sammeln. Die Vergeltungsmaßnahmen der Deutschen sind furchtbar. Den dramatischen Höhepunkt bildet der Überfall auf einen deutschen Panzerzug, der auf dem Weg zur Westfront ist. Hier greift alles ineinander – wie eine Maschine, die sich aus zahllosen Einzelteilen zusammensetzt, aus Namenlosen, die gemeinsam eine unzerstörbare Kraft bilden. Diese Geschichte kennt keine Stars, und so arbeiten René Clément und sein genialer Kameramann Henri Alekan auch vor allem mit Laien und drehen an Originalschauplätzen. Ihr Film bedient sich einer dokumentarischen Erzählweise und atmet den Geist des Neorealismus. Er verbindet Nüchternheit und Pathos, Wahrhaftigkeit und Spannung. „Ja, es sind diese tausend Details, die so bewundernswert in die Handlung integriert sind, die der Bataille du rail ihren großartigen Charakter verleihen und verhindern, dass der Film den vielen Résistance-Erzählungen gleicht, die sie uns alle kategorisch in den Farben von Glanzbildchen malen.“ (Les Nouvelles littéraires, 7.3.1946)

am 23.1.2010 um 19.00 Uhr

 

 

CINEFEST: SCHATTEN DES KRIEGES
Ulica Graniczna
PL 1948, R: Aleksander Ford, K: Jaroslav Tuzar, D: Mieczysława Ćwiklińska, Jerzy Leszczyński, Władysław Godik, Władysław Walter, 126’ OmeU

Polen in der Kriegszeit. Am Beispiel einer Warschauer Straße und ihrer Bewohner beleuchtet Ulica Graniczna – die Grenzstraße – die Auswirkungen der deutschen Besetzung auf die polnische Gesellschaft. Ulica Graniczna erzählt von Widerstand und Verfolgung, Anbiederung und Verrat, von Misshandlung, Hunger und Deportation. Ein Antisemit schließt sich dem Untergrund an und wird später von einem jüdischen Nachbarn gedeckt, ein Händler beruft sich auf seine deutschen Wurzeln und kollaboriert mit den Besatzern, ein Arzt wird denunziert und muss mit seiner Familie ins Ghetto ziehen. Viele Geschichten erzählt der Film aus der Sicht der Kinder, die trotz aller Not fest zusammenhalten. Zum Schluss bricht im jüdischen Ghetto der Aufstand aus. Er wird brutal niedergeschlagen. Aleksander Ford inszeniert dies als ein Fanal und als eine Beschwörung des „Nie wieder“.
Während Ford zuhause „antipolnische Tendenzen“ vorgeworfen wurden, weil sein neorealistisch grundierter Film seine Landsleute keineswegs von der Kritik ausnimmt und ihren Antisemitismus genauso kühl erfasst wie den Eifer der Kollaborateure, zollten ihm Kritiker im Ausland Anerkennung und Respekt. „Einer jener Filme, die, weil sie von der Nazivergangenheit handeln und sie so, wie sie sich dem Auge eines unterdrückten und gequälten Volkes darbot, schonungslos offen und anklagend wiedergeben, ernstliche Ansprüche an den Betrachter stellen: an seine Einsicht, an seine Aufrichtigkeit sich selber gegenüber, an seine Aufnahmebereitschaft, sein Mitfühlenwollen, an seine politische Reife schließlich.“ (Hans Ulrich Eylau, Tägliche Rundschau, 18.8.1949)

am 31.1.2010 um 18.30 Uhr

 

 

CINEFEST: SCHATTEN DES KRIEGES
Prämien auf den Tod
A 1949, R/B: Curd Jürgens, K: Günther Anders, Hannes Staudinger, M: Willy Schmidt-Gentner, D: Siegfried Breuer, Werner Krauß, Judith Holzmeister, Curd Jürgens, 88’ Beta SP

Ein österreichischer film noir unter der gleißenden Sonne des Südens. In einer Hafenstadt am Mittelmeer hat der erfolglose Versicherungsagent Peter Lissen einen genialen Einfall, um an Geld zu kommen und damit die begehrte Frau zu erobern. Er schließt Versicherungen für Leute ab, die es gar nicht gibt, lässt sie später sterben und kassiert die Prämien. Die Totenscheine stellt ihm ein heruntergekommener Schiffsarzt aus. Alles läuft nach Plan. Doch dann erwacht einer der erfundenen Menschen zum Leben, und das Phantom beginnt Lissen zu verfolgen. In seinem beeindruckenden Regie-Debüt erschafft Curd Jürgens eine bitterböse Welt der trügerischen Hoffnungen und faulen Tricks, eine Welt der Halluzinationen und Visionen.
Den trunksüchtigen Schiffsarzt verkörpert Werner Krauß. 30 Jahre nach seinem Durchbruch im expressionistischen Film spielt er wieder eine Gestalt am Rande des Wahnsinns. Sein Schauspiel ruft Erinnerungen an eine frühere Nachkriegszeit wach: „Wo kommt so ein Film her? Man denkt, das Übliche, ein Kriminalfilm oder Ähnliches. Und dann erlebt man, was der Erinnerung an Dr. Caligari nahkommt, etwas quälend Surrealistisches […]. Willy Schmidt-Gentners Musik girrt geisterhaft in die Szenen, die Whisky-Flaschen leuchten, am Tag und in der Nacht, der Drehsessel an der Bar ist Mittelpunkt der Welt. Erschreckender Film von heute. Man wacht aus einem Albtraum auf, wenn er vorüber ist.“ (Therese Fromm, Nachtausgabe, 12.1.1950)

am 31.1.2010 um 21.00 Uhr
am 2.2.2010 um 20.00 Uhr

 

 

CINEFEST: SCHATTEN DES KRIEGES
Le silence de la mer
F 1948, R/B/S/P: Jean-Pierre Melville, K: Henri Decaë, D: Howard Vernon, Nicole Stéphane, Jean-Marie Robain, Ami Aaröe, 86’ OmeU

Im Winter 1940 wird ein deutscher Offizier bei einem alten Franzosen und seiner jungen Nichte einquartiert. Sie begegnen dem ungebetenen Gast mit eisigem Schweigen. In langen Monologen spricht der humanistisch gebildete Deutsche über die Liebe zu seinem Vaterland und zu Frankreich, über Musik und Literatur. Fest glaubt er daran, dass Deutsche und Franzosen einmal in Freundschaft nebeneinander leben werden. Als er im Urlaub von den Konzentrationslagern und Plänen der Nationalsozialisten zur Vernichtung der französischen Kultur erfährt, zerplatzen seine Illusionen und er meldet sich zu einem Himmelfahrtskommando. Beim Abschied bricht die junge Frau ihr Schweigen.
Le silence de la mer basiert auf Vercors’ gleichnamiger, 1942 im Untergrund verfasster Erzählung, die während des Krieges zu einer Art Bibel der Résistance wurde. Jean-Pierre Melvilles Debütfilm, entstanden mit sehr geringen finanziellen Mitteln und gedreht auf Filmresten, die er auf dem Schwarzmarkt gekauft hatte, hält sich genau an den Text der Vorlage und schafft ein psychologisches Kammerspiel, in dem er die Einheit von Zeit, Raum und Handlung fast durchgehend beachtet. Die Monologe und beinahe rituellen Wiederholungen erzeugen einen hypnotischen Sog. In der französischen Filmgeschichte schlug der Außenseiter Melville mit seinen Verstößen gegen bisherige Erzählkonventionen und mit seiner inszenatorischen Strenge einen neuartigen Ton an, auf den sich danach Robert Bresson und die Regisseure der Nouvelle Vague berufen konnten.

am 3.2.2010 um 20.00 Uhr

 

 

CINEFEST: SCHATTEN DES KRIEGES
Lang ist der Weg
D (West) 1948, R: Herbert B. Fredersdorf, Marek Goldstein, B: Karl Georg Külb, Israel Beker, D: Israel Beker, Bettina Moissi, Berta Litwina, Otto Wernicke, Paul Dahlke, 80’

Nach dem Überfall auf Polen beginnt für die jüdische Familie Jelin aus Warschau ein Weg des Leidens. Zunächst wird sie ins Ghetto getrieben und dann nach Auschwitz deportiert. Auf dem Weg dorthin kann ihr Sohn David fliehen. Er schließt sich den Partisanen an und überlebt so Verfolgung und Krieg. Auf der Suche nach seinen Eltern trifft er später die deutsche Jüdin Dora und zieht mit ihr in ein Lager für „Displaced Persons“ in der amerikanischen Besatzungszone. Schließlich finden sie Davids Mutter und planen die Ausreise in einen neuen jüdischen Staat. Lang ist der Weg ist einer der frühesten Filme über den Holocaust und bahnbrechend durch das Streben nach größtmöglicher Authentizität, durch die Verwendung von eingeschnittenem dokumentarischem Material, den Einsatz von Laiendarstellern und die Mischung aus deutscher, jiddischer und polnischer Sprache. Gegenwart und Vergangenheit werden konsequent miteinander verknüpft. Denn neben der Erinnerung an den Holocaust steht hier das dringende Anliegen, auf das unwürdige Schicksal der „Displaced Persons“ aufmerksam zu machen und für die Gründung eines jüdischen Staates zu werben, der den Flüchtlingen eine neue Heimat bietet. Auffallend ist dabei die im Film konstruierte Analogie zwischen den deutschen Vertriebenen aus dem Osten und dem Schicksal der Juden.

Einführung am 5.2.: Tobias Ebbrecht

am 5.2.2010 um 21.00 Uhr
am 6.2.2010 um 19.00 Uhr

 

 

CINEFEST: SCHATTEN DES KRIEGES
Film ohne Titel
D (West) 1948, R: Rudolf Jugert, B: Helmut Käutner, Ellen Fechner, Rudolf Jugert, D: Hans Söhnker, Hildegard Knef, Willy Fritsch, Erich Ponto, 100’

Wie muss ein Film nach dem verlorenen Krieg aussehen? Wovon soll er erzählen in Zeiten der blanken Not? Diese Fragen stellen sich ein Regisseur, ein Autor und ein Schauspieler – mit dem Ergebnis, dass sie die Geschichte eines Paares verfilmen, das sie gerade kennengelernt haben. Martin und Christine verlieben sich vor dem Krieg, doch aufgrund des niedrigen sozialen Standes der Frau wird nichts aus ihrer Beziehung. Nach dem Krieg haben sich die Vorzeichen verkehrt: Der feine Großstadtmensch hat alles verloren, und Christines Vater, ein einfacher Bauer, bestimmt nun die Regeln. Kommt das Paar dennoch zusammen? Gönnen die Filmleute ihm ein Happy-End? Film ohne Titel ist zugleich ein neorealistischer Trümmerfilm und eine ironisch gebrochene Komödie über das Filmemachen und Geschichtenerzählen zwischen Untergang und Neuanfang, zwischen Depression und Hoffnung. „Charme ist sicherlich die letzte Eigenschaft, die man von einem Film erwartet, der nicht nur von Deutschen im Nachkriegsdeutschland gedreht wurde, sondern seiner Geschichte und Inszenierung auch noch die Not der Flüchtlinge und die Zerstörung ihres Heims zugrunde gelegt hat. Und dennoch ist ‚charmant’ genau das richtige Adjektiv für Film ohne Titel. Dies ist der erste in der Britischen Zone hergestellte deutsche Film, der in London gezeigt wird.“ (Manchester Guardian, 20.8.1949)

am 6.2.2010 um 21.00 Uhr

 

 

CINEFEST: SCHATTEN DES KRIEGES
De røde enge
Rote Wiesen

DK 1945, R: Lau Lauritzen, Bodil Ipsen, D: Poul Reichhardt, Lisbeth Movin, Per Buckhøj, Lau Lauritzen, 85’ OmeU

Ein Klassiker des dänischen Widerstandsfilms. Während des Krieges verübt eine Widerstandsgruppe im von den Deutschen besetzten Dänemark einen Anschlag auf eine Waffenfabrik. Doch ein Spitzel hat die Gruppe verraten. So gerät ein junger Däne in die Hände der Nazis, wird gefoltert und zum Tode verurteilt. Im letzten Moment verhilft ihm ein deutscher Gefängniswärter zur Flucht und richtet sich dann selbst. Im Gewand eines düsteren Thrillers zeichnet De røde enge ein hartes, realistisches Bild von den Aktivitäten im Untergrund, der Planung und Durchführung von Sabotageaktionen, der Suche und Liquidierung von Spitzeln, von Gestapo-Folter und Hinrichtungen. Ebenso fragt der Film, dessen Drehbucharbeit bereits vor der deutschen Niederlage begann, nach dem Sinn des Widerstands und beschreibt die Gewissensqualen der Untergrundkämpfer. Bemerkenswert ist dabei vor allem auch die Vielfalt der Figuren: Neben den Helden stehen gleichgültige Dänen, Mitläufer und Spitzel, neben der typischen SS-Bestie ein desillusionierter deutscher Gefängniswärter. Zehn Jahre nach der dänischen Premiere läuft De røde enge auch in der DDR: „Dieser Film erspart seinem Betrachter nichts. Tod und Grausamkeit, Schmerz und die Abgründe der Gemeinheit sind in realistischer Härte nah. Aber dieser Film ist ohne Haß, nichts ist schwarz-weiß gemalt. Die Fronten sind nicht zwischen den Völkern, sondern gehen durch sie hindurch.“ (Neue Zeit, 10.1.1956)

am 7.2.2010 um 19.00 Uhr

 

 

CINEFEST: SCHATTEN DES KRIEGES
Nur eine Nacht
BRD 1950, R/P: Fritz Kirchhoff, M: Hans-Otto Borgmann, D: Marianne Hoppe, Hans Söhnker, Willy Maertens, Lotte Klein, 83’ Beta SP

Zwei Verlorene in einer Nacht. In St. Pauli laufen sich ein ehemaliger Kapitän und eine Frau über den Weg, die gerade erfahren hat, dass ihr lange erwarteter Mann schon längst aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt ist und mit einer anderen Frau zusammenlebt. Gemeinsam ziehen sie von Kneipe zu Kneipe, sie tanzen, trinken und landen schließlich in einem Stundenhotel. Dann werden die beiden durch eine Razzia getrennt, und die Nacht ist vorbei. Einsamkeit und Schmerz, Zufall und Sehnsucht – davon erzählt Fritz Kirchhoffs kleiner Film, der einen neuen Weg sucht, abseits von Klischees und verbrauchten Geschichten. Inspiriert ist er von großen Vorbildern: Die Straßenaufnahmen in Nur eine Nacht erinnern an Rossellini, die Gedankenmonologe an Orson Welles, die Atmosphäre an René Clair und mancher humorvolle Einfall an Helmut Käutner. Als Regieassistent arbeitete der junge Rundfunkreporter Jürgen Roland, der in dieser Zeit zum Film kam und bereits bei Käutner am Set gestanden hatte. Er bereichert die schlichte Erzählung von Mann und Frau – überzeugend gespielt von Hans Söhnker und Marianne Hoppe – durch Milieustudien aus dem Hamburger Kiez.

am 7.2.2010 um 21.00 Uhr
am 10.2.2010 um 20.00 Uhr

 

 

CINEFEST: SCHATTEN DES KRIEGES
Der Prozeß
A 1948, R: Georg Wilhelm Pabst, B: Kurt Heuser, Rudolf Brunngraber, Emeric Roboz, D: Ewald Balser, Marianne Schönauer, Ernst Deutsch, Gustav Diessl, 105’

Eine Parabel über die Mechanismen des Antisemitismus und die Natur des Menschen. Angelehnt an einen authentischen Fall, erzählt Der Prozeß, wie 1882 in einem ungarischen Dorf die jüdischen Bewohner verdächtigt werden, ein junges Mädchen bei einem Ritualmord umgebracht zu haben. Ein Politiker und ein Untersuchungsrichter heizen die antisemitische Stimmung an und erpressen falsche Geständnisse, woraufhin der aufgebrachte Mob die Synagoge niederbrennt. Alle Juden werden vor Gericht gestellt, und erst hier gelingt einem Rechtsanwalt der Nachweis, dass die Anschuldigungen auf Lügen und Hass beruhen. Im Unterschied zu anderen Nachkriegsfilmen zum Thema Antisemitismus verlegt Der Prozeß seine Handlung in die Vergangenheit und sucht in der Form eines Kostümfilms nach Dispositionen und Strukturen, um ein viel jüngeres, maßloses Verbrechen zu erklären. Georg Wilhelm Pabst, der sich mit dieser aufwändigen Produktion auch selbst rehabilitieren wollte, greift dazu auf eine zwar perfekte, aber auch problematische Weise auf eine traditionelle Dramaturgie zurück. Er überzeichnet die Figuren und lässt den Kampf zwischen Gut und Böse in eine Gerichtsverhandlung münden, an deren Ende Leid und Läuterung als die Grundzüge eines jüdischen Schicksals erscheinen.

am 9.2.2010 um 20.00 Uhr

 

 

 
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