Kino im Zeughaus

 

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KUNST DES DOKUMENTS -

INSTITUTIONEN

 

KUNST DES DOKUMENTS -  INSTITUTIONEN

Einem klassischen Bereich der Dokumentarfilmproduktion widmet sich die Reihe KUNST DES DOKUMENTS – INSTITUTIONEN. Wie lässt sich von relativ abstrakten Gebilden wie Behörden und Gefängnissen erzählen? Wie kann der Dokumentarfilm deren Strukturen beschreiben und analysieren? Jenseits des personenzentrierten Dokumentarfilms, der gerne Prozesse der Anteilnahme forciert, präsentiert Ihnen die filmhistorische Reihe INSTITUTIONEN eindrucksvolle Beispiele eines analytischen, strukturellen Films. Derzeit in der Zuschauergunst ins Hintertreffen geraten, erinnert das Zeughauskino an eine Tradition der Dokumentarfilmgeschichte, deren Fortführung lohnt.

 

KUNST DES DOKUMENTS -  INSTITUTIONEN
San Clemente
F 1982, R: Raymond Depardon, OmU, 90’

Der französische Fotograf und Filmemacher Raymond Depardon hat sich in seinen dokumentarischen Arbeiten immer wieder dem Inneren von Institutionen zugewandt. In San Clemente ist es eine psychiatrische Klinik auf der gleichnamigen italienischen Insel nahe Venedig. Er filmte dort zehn Tage lang den Alltag der Patienten, Ärzte und Krankenpfleger und wagte sich damit auf ein Gebiet, das der Öffentlichkeit sonst meist verschlossen bleibt. In langen Einstellungen dokumentiert die Kamera weniger Vorgefundenes als Initiiertes oder Provoziertes, etwa die Verhaltensweisen der Protagonisten, die auf die Anwesenheit des Filmemachers reagieren.
„Depardon ist in seinen Dokumentarfilmen ein stiller Beobachter. Scheinbar unbeteiligt registriert er, ohne ordnende Absicht, ohne einzugreifen, und ist dennoch gegenwärtig. Kein Erkenntnisinteresse lenkt den Blick auf etwas Besonderes, keine These soll bewiesen werden. Er hält sich an das Offensichtliche, schaut der Wirklichkeit dabei zu, wie sie sich selbst inszeniert. Die Gegenwart macht dabei zwischen den Fakten die Fiktion sichtbar.“ (www.fdk-berlin.de)

am 22.02.2007 um 20.00 Uhr

 

 

 

KUNST DES DOKUMENTS -  INSTITUTIONEN
Das Haus
13
Volkspolizei
DDR 1985 / D 2001, R: Thomas Heise, 60’            Beta SP

„Das Haus“, das ist das Berolina-Haus am Alexanderplatz, in dem der Ostberliner Stadtbezirk Mitte mit seinen Behörden Soziales, Wohnungspolitik und Inneres saß. Thomas Heise portraitierte es Mitte der achtziger Jahre, und es löst Beklemmungen aus, sieht man einen Antragsteller auf Arbeits- oder Wohnungssuche mit den verwaltungstechnischen Abläufen des Berolina-Hauses konfrontiert. Eine „DDR-Eulenspiegeliade“ nennt Anke Westphal in der Berliner Zeitung Heises zweite Institutionenbeobachtung. Die Aufnahmen für Volkspolizei entstanden auf dem Revier 14 in der Brunnenstraße in Berlin-Mitte. Dass Heise dem Arbeitsalltag der Polizisten und deren Methoden dabei so nahe kommen konnte, ist nur einem Missverständnis zu verdanken: Die Volkspolizisten dachten, dass der Regisseur vom ihnen übergeordneten Ministerium des Inneren beauftragt worden sei.
Das Haus verschwand nach Fertigstellung sofort im Giftschrank, Volkspolizei konnte nicht fertiggestellt werden. Im Diskussionsprotokoll der Duisburger Filmwoche 2001, das ein Gespräch mit Thomas Heise nach der Aufführung der beiden Filme dokumentiert, ist zu lesen: „Es ging nicht um Kunst oder darum, ob die Filme je zur Aufführung kommen. Er (Thomas Heise) habe sich lediglich vorgestellt, wie jemand in Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der DDR im Archiv auf diese Dokumente stoße…“ (www.duisburger-filmwoche.de) Die Vorstellung vom „Filmmaterial als Schläfer“ fand nach dem 11. September 2001 auf den 25. Duisburger Filmwochen großen Gefallen.

am 01.03.2007 um 20.00 Uhr

 

 

 

KUNST DES DOKUMENTS -  INSTITUTIONEN
Children at School
GB 1937, R: Basil Wright, 23’      OF
Night Mail
GB 1936, R: Basil Wright, Harry Watt, 25’      OF
Fairy of the Phone
GB 1936, R: William Coldstream, 12’      OF

Dem Dokumentarfilmproduzenten John Grierson war es Ende der zwanziger Jahre gelungen, die britische Regierung vom erzieherischen Nutzen des Mediums Film zu überzeugen und innerhalb des staatlich finanzierten Empire Marketing Board eine Filmgruppe aufzubauen.1933 übernahm das General Post Office (GPO) diese Gruppe. Die Grundsätze des Programms wurden beibehalten: Filme zu gestalten, die dem gewöhnlichen Bürger einen Sinn für die komplexen Organisationsformen der Gesellschaft vermittelt.
An der Herstellung von Night Mail waren außer den Regisseuren Basil Wright und Harry Watt, der Komponist Benjamin Britten und der Dichter William H. Auden beteiligt. „Der Film war eine poetische Reportage über die Arbeit der britischen Postbeamten. Am Abend fährt auf den Londoner Bahnhof Euston ein Postexpress nach Schottland ab. Seine Stationen sind Edinburgh, Glasgow und Aberdeen. In den Wagen beginnt man mit dem Sortieren der Briefe. (…) Den Rhythmus der Arbeit der Postbeamten, zugleich den Rhythmus des Films, bestimmt der Zug, der auf den Schienen dahinrollt, seine Geschwindigkeit beschleunigt, schnauft und Dampfwolken ausstößt.“ (Jerzy Toeplitz, Geschichte des Films)

am 08.03.2007 um 20.00 Uhr

 

 

 

KUNST DES DOKUMENTS -  INSTITUTIONEN
Arcana
CL 2005, R: Cristóbal Vicente, OmeU, 96’            Beta SP

Das Stadtbild von Valparaíso, einer schönen Hafenstadt in Chile, ist von dem mächtigen Bau des Gefängnisses geprägt – seit 150 Jahren unübersehbar und unzugänglich zugleich. Ein Jahr vor seiner Schließung filmt Cristóbal Vicente den Alltag hinter den Mauern. Sein Interesse gilt dem besonderen Lebens- und Zeitgefühl, das im monotonen Rhythmus der immergleichen Tagesabläufe entsteht. Dabei werden Demütigungen und Gewalt nicht verschwiegen, und zugleich findet Arcana einen filmischen Ausdruck für die Unmöglichkeit, die Realität des Gefängnislebens erfassen und verstehen zu können.
„Die weitgehend festen und langen Kameraeinstellungen veranschaulichen den unerträglich eintönigen Alltag der Häftlinge. Nur in wenigen Momenten bewegter Kamera läuft man mit ihr Zellentüren ab, aus denen Hilferufe der Gefangenen zu hören sind. (…) Die Bilder hinterlassen weitaus mehr Fragen als Antworten und bleiben vielleicht gerade auch deshalb lange im Bewusstsein des Betrachters.“
(www.dokfest-muenchen.de)

am 22.03.2007 um 20.00 Uhr

 

 

 

KUNST DES DOKUMENTS -  INSTITUTIONEN
Basic Training
USA 1971, R: Frederick Wiseman, OF, 89’

Basic Training ist der erste Film von Frederick Wiseman, in dem er militärische Institutionen beobachtet. Neun Wochen lang begleitete er eine Kompanie von Rekruten bei der Grundausbildung in Fort Polk, Kentucky. Die Männer lernen zu marschieren, lernen den Umgang mit Waffen, das Verhalten bei einem Giftgaseinsatz und üben sich im Nahkampf – Dinge, die aus einem Zivilisten einen Soldaten machen, und die für einen Einsatz im Vietnam-Krieg wichtig sind.
Die Dokumentarfilme Wisemans gleichen denen eines unvoreingenommenen Empirikers: Wiseman will entdecken und keine Meinungen formen. „Aus diesem Grund dreht er ohne vorgefasstes Script und verzichtet grundsätzlich auf umfassende Recherchen vor Ort. Die Drehzeit beträgt mehrere Wochen; bis zu einem Jahr nimmt sich Wiseman Zeit für die Montage. Der fertige Film ist das Ergebnis extremer Verdichtung: Bei Drehverhältnissen von 1:30 oder 1:40 finden vom gedrehten Material lediglich fünf Prozent den Weg in den fertigen Film.“ (Constantin Wulff, Österreichisches Filmmuseum)

am 29.03.2007 um 20.00 Uhr

 

 

 

 

 
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