Kino im Zeughaus

 

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  JEANNE D’ARC

 

JEANNE D’ARC, HEILIGE JOHANNA, JOAN OF ARC

Nationalheldin und Heilige, Kriegerin und Jungfrau, Hexe, Ketzerin und Märtyrerin. Es gibt nur wenige Gestalten der europäischen Geschichte, die so lebhaft und unterschiedlich gedeutet worden sind wie das Dorfmädchen aus Domrémy. Von göttlichen Stimmen getrieben, führt Jeanne d’Arc im Hundertjährigen Krieg das französische Heer gegen die Engländer und 1429 gar zum Sieg von Orléans. Doch Jeanne d’Arc wird verraten und von burgundischen Soldaten an die Engländer verkauft, die sie an die katholische Gerichtsbarkeit in Rouen übergeben. Der Ketzerei, des Aberglaubens und weiterer Verbrechen gegen die „göttliche Majestät“ beschuldigt, macht ihr die katholische Kirche den Prozess. 1432 wird Jeanne d’Arc zum Tode verurteilt und auf einem Scheiterhaufen verbrannt. Jeannes Lebensgeschichte wird zum Stoff von Romanen, Liedern, Opern und Filmen. Im Vorfeld der szenischen Uraufführung von Walter Braunfelds Szenen aus dem Leben der Heiligen Johanna, die am 27. April in der Deutschen Oper ihre Premiere feiern wird, versammelt die Reihe JEANNE D’ARC, HEILIGE JOHANNA, JOAN OF ARC eine internationale Auswahl an Filmen, die fast alle von stilbildenden Regisseuren inszeniert worden sind. Mal opulent und spektakulär, mal karg und asketisch. Dramaturgen der Deutschen Oper führen die von ihnen favorisierten Filme ein.

Eine Filmreihe in Zusammenarbeit mit der Deutschen Oper Berlin

 

JEANNE D’ARC, HEILIGE JOHANNA, JOAN OF ARC
Joan the Woman
USA 1916/17, R: Cecil B. DeMille, D: Geraldine Farrar, Raymond Hatton, Hobart Bosworth, 100’     engl. ZT

Joan the Woman beginnt auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs in Frankreich. Ein junger Soldat entdeckt in einem Mauerversteck ein altes Schwert, woraufhin ihm Jeanne d’Arc erscheint. Die Szenerie verwandelt sich in das Dorf Domrémy während des Hundertjährigen Krieges, wo Jeanne d’Arc einen verwundeten Engländer versteckt. Dann aber folgt sie den Stimmen, die ihr auftragen, Frankreich von den Engländern zu befreien... Nach Gefangennahme, Verhör, Prozess und Verbrennung von Jeanne d’Arc 1431 auf dem Scheiterhaufen blendet der Film wieder auf die Szenerie des Ersten Weltkriegs auf: der junge Soldat meldet sich freiwillig für ein Himmelfahrtskommando. Als er sterbend auf dem Schlachtfeld liegen bleibt, erscheint ihm erneut Jeanne d’Arc.
Darstellerin der Jeanne d’Arc ist Geraldine Farrar (1882-1967), eine der berühmtesten Opernsängerinnen des frühen 20. Jahrhunderts und der Star der New Yorker Metropolitan Opera. Zwischen 1915 und 1920 spielte sie in einigen Filmen von Cecil B. DeMille mit; ihre Rolle in Joan the Woman gilt als ihre beste Leistung.
Wir zeigen eine viragierte Kopie des George Eastman House in Rochester.

Klavierbegleitung: Peter Gotthardt

Einführung: Katharina John (Deutsche Oper Berlin)

am 11.4.2008 um 21.00 Uhr

 

 

 

JEANNE D’ARC, HEILIGE JOHANNA, JOAN OF ARC
Le Procès de Jeanne d'Arc
The Trial of Joan of Arc

F 1962, R: Robert Bresson, D: Florence Carrez , Jean-Claude Fourneau, Marx Jacquier, Roger Honorat, 64’  OmeU

Nach den Akten des  Jeanne d’Arc-Prozesses von 1431 und denen des späteren Wiederaufnahmeverfahrens. Der Film beginnt nach der Gefangennahme Jeanne d’Arcs 1430 und ihrer Übergabe in ein englisches Gefängnis. Bresson arbeitet fast ausschließlich mit Laiendarstellern. Er hält sich strikt an die Zeitspanne zwischen der Prozesseröffnung am 21. Februar 1431 und der Verbrennung Jeanne d’Arcs bei lebendigem Leibe am 30. Mai 1431 auf dem Marktplatz von Rouen: „Ich folge genau den historischen Fakten und vermeide jede überflüssige Psychologie, die den Ton absoluter Wahrheit in diesem Film nur verfälschen würde. (...) Die Verhöre dienen auch in erster Linie nicht zur Aufklärung von Ereignissen, sondern um auf den Zügen der Heldin jene tiefe Regungen aufleuchten zu lassen, die den Film zum Spiegel der Bewegungen ihrer Seele machen.“ (Robert Bresson)
Die Darstellerin der Jeanne d’Arc- Figur ist Florence Delay (*1941) unter dem Künstlernamen Florence Carrez. Nach monatelangem Suchen hatte Robert Bresson die damals 20jährige Spanischstudentin an der Sorbonne entdeckt. Nach ihrer Rolle als Jeanne d’Arc spielte Florence Delay nur noch in wenigen Filmen. Seit zwanzig Jahren unterricht sie allgemeine und vergleichende Literaturgeschichte an der Sorbonne-Nouvelle und schreibt Romane.

Einführung am 12.4.: Carl Hegemann (Deutsche Oper Berlin)

am 12.4.2008 um 19.00 Uhr
am 13.4.2008 um 21.00 Uhr

 

 

 

JEANNE D’ARC, HEILIGE JOHANNA, JOAN OF ARC
Saint Joan
Die Heilige Johanna

GB 1957, R: Otto Preminger, D: Jean Seberg, Richard Widmark, Richard Todd, Adolf Wohlbrück, John Gielgud, 110’    OF

Nach dem gleichnamigen Bühnenstück von George Bernhard Shaw von 1923. Drehbuch: Graham Greene, Musik: Mischa Spoliansky. Otto Preminger zeigt eine entheroisierte Jeanne d’Arc ohne Überhöhung, ein unschuldiges Wesen, das sich im Intrigenspiel von Kirche und Politik verstrickt. „Somit widmet sich der Film vornehmlich einer Demaskierung der Pseudo-Religiosität arrivierter Kirchenfürsten und des Zynismus der Befehlshaber.“ (Ulrich Gregor, 1957) Der Originaltext von
G. B. Shaw wurde weitgehend, wenn auch stark gekürzt, beibehalten. „Aus den Traumerscheinungen der Jungfrau in Shaws Epilog hat Preminger (...) eine filmische Rahmenhandlung gemacht. Dadurch wird der historische Kostümfilm überaus geschickt gleich von Beginn an in eine geistreich-ironisch-melancholische Sphäre gehoben, die Historie und Essay, Handlung und Reflexion in feiner Mischung enthält.“ (Abendzeitung, 1957). Die Figur der Jeanne d’Arc wird von Jean Seberg (1938-1979) verkörpert. Es ist die erste Filmrolle des damals 17jährigen amerikanischen College-Girls.

am 12.4.2008 um 21.00 Uhr
am 15.4.2008 um 20.00 Uhr

 

 

 

JEANNE D’ARC, HEILIGE JOHANNA, JOAN OF ARC
La Passion de Jeanne d'Arc
Johanna von Orléans

F 1928, R: Carl Theodor Dreyer, D: Maria Falconetti, Eugen Silvain, 80’ 
dän. ZT, engl. eingesprochen

Die Gerichtsverhandlung gegen Jeanne d’Arc und ihr Tod auf dem Scheiterhaufen, auf der Grundlage der authentischen Verhörprotokolle. In stark zurückgenommenen Dekors (Bauten: Hermann Warm) konzentriert sich Carl Theodor Dreyer auf die Seelenlandschaft der Gesichter in ihrer ganzen Natürlichkeit: „Keins der herrlichen Gesichter dieses Films ist geschminkt, keine Masken, keine Perücken, keine künstlichen Bärte“ – so die zeitgenössische Werbung. Thomas Mann hält einen außergewöhnlich starken und tiefen Eindruck fest: „Das historische Milieu ist kaum durch die mit größter Sparsamkeit behandelte Dekoration gegeben, sondern fast ausschließlich durch das menschliche Antlitz, durch diese Galerie eigentümlich mittelalterlich geprägter, bäuerlicher, und aus dem Bäuerlichen verfeinerter Köpfe, die bei dem peinlichen Verhör der armen, kleinen Seherin immer wieder, in lebenswahr wechselndem Ausdruckszustande vorüberzieht, und in welcher der Zeitgeist selbst sich spiegelt.“ (Berliner Börsen-Courier, 6.4.1929) Ein Klassiker des Stummfilms und ein künstlerisches Meisterwerk!
Renée Maria Falconetti (1892-1946) spielt die Figur der Jeanne d’Arc. Es ist die einzige große Filmrolle der auf Korsika geborenen Schauspielerin, die auf der Bühne bevorzugt leichte Komödien spielte. Wir zeigen eine Kopie des Dänischen Filminstituts.

Klavierbegleitung: Eunice Martins

Einführung am 20.4.: Carsten Jenß (Deutsche Oper Berlin)

am 13.4.2008 um 19.00 Uhr
am 20.4.2008 um 21.00 Uhr

 

 

 

JEANNE D’ARC, HEILIGE JOHANNA, JOAN OF ARC
Jeanne la Pucelle I - Les batailles
Johanna die Jungfrau - Der Kampf

F 1993, R: Jacques Rivette, D: Sandrine Bonnaire, Tatiana Moukhine, Jean-Marie Richier, 160’      OmU

Jeanne la Pucelle II – Les prisons
Johanna die Jungfrau – Der Verrat

F 1993, R: Jacques Rivette, D: Sandrine Bonnaire, André Marcon, Jean-Louis Richard, Marcel Bozonnet, 176’    OmU

Nach Berichten zeitgenössischer Chroniken inszenierte lebensnahe Darstellung der Jeanne d’Arc. „Wir wollten keine distanzierte und aristokratische Jungfrau, was sie nicht war, sondern eine lebendige und nahe“ – so Jacques Rivette. Der erste Teil des fünfstündigen Geschichtsepos zeigt ausschließlich die äußeren Widerstände, mit denen Jeanne d’Arc zu kämpfen hat. Im zweiten Teil geht es um das Wesen der Macht und den Geschlechterkampf. „Jeanne ist mittlerweile eine Frau geworden, welche die ihr von der Gesellschaft zugewiesene Rolle nicht akzeptieren will. Sie ist gefährlich weit in die Welt der Männer eingedrungen, das wird ihr zum Verhängnis. Rivette zeigt sie als dickköpfige und für das ausgehende Mittelalter befremdlich moderne Frau, die erkennen muß, daß sie allein durch das Tragen von Männerkleidern ihr Geschlecht nicht verleugnen kann.“ (Bettina Prüfert, Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 2.9.1994). Rivette richtet die Geschichte der Jeanne d’Arc am Charakter seiner Hauptdarstellerin Sandrine Bonnaire aus, die bereits mit 16 Jahren im Film debütierte und 1986 ihren internationalen Durchbruch als Vagabundin in Sans toit ni loi (Vogelfrei) von Agnès Varda feierte. „Ohne sie wäre ich niemals auf die Idee gekommen, den Film zu machen. Wie Jeanne verkörpert Sandrine jemanden, der sehr direkt und evident ist, der niemals etwas verbirgt und unfähig zum Kalkül und zur Heuchelei ist.“ (Jacques Rivette)

Jeanne la Pucelle I - Les batailles / Johanna die Jungfrau - Der Kampf
am 18.4.2008 um 20.00 Uhr
am 23.4.2008 um 20.00 Uhr

Jeanne la Pucelle II - Les prisons / Johanna die Jungfrau - Der Verrat
am 19.4.2008 um 20.00 Uhr
am 25.4.2008 um 21.00 Uhr

 

 

 

JEANNE D’ARC, HEILIGE JOHANNA, JOAN OF ARC
Das Mädchen Johanna
D 1935, R: Gustav Ucicky, D: Angela Salloker, Gustaf Gründgens, Heinrich George, René Deltgen, Willy Birgel, Veit Harlan, Bernhard Minetti, 87’

Im Zentrum des Films steht weniger Jeanne d’Arc als die Figur des von Gustaf Gründgens gespielten König Karl VII. von Frankreich. Die für den nationalsozialistischen Film so wichtigen aktuellen Bezüge auch der historischen Stoffe seien in diesem Film nicht so evident, stellt der Kritiker Fritz Olimsky 1935 in der Berliner Börsen-Zeitung fest: „Gewiß, das Werk steht ersichtlich unter dem Leitgedanken: Ein Volk, das keine Hoffnung auf eine bessere Zukunft, das den Glauben verloren hat, ist für den Untergang reif. Diese Johanna ist die klassische Verkörperung des Glaubens an die Macht einer nationalen Sendung; ein Johanna-Film kann gar keinen anderen Sinn haben, als die Aufweisung der Urkraft des Glaubens an eine nationale Sendung. Also ein Thema, das wir in dem Film Der Sieg des Glaubens vor Jahresfrist in der aktuellsten Fassung erlebten.“ Sieg des Glaubens war die 1933 von Leni Riefenstahl gedrehte Dokumentation über den ersten Reichsparteitag in Nürnberg. Auch Das Mädchen Johanna wird mit Unterstützung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda hergestellt und mit dem höchsten Prädikat der nationalsozialistischen Filmzensur – staatspolitisch besonders wertvoll – ausgezeichnet. Die glanzvolle Uraufführung am 27. April 1935 zur Eröffnung des Internationalen Filmkongresses in Berlin sollte die „Kulturbedeutung“ des deutschen Filmschaffens erneut unter Beweis stellen.
Die Figur der Jeanne d’Arc wird von Angela Salloker (1913-2006) verkörpert. Die in Graz geborene Schauspielerin kommt über die Theater von Graz, Breslau und München 1934 ans Deutsche Theater in Berlin. Es war – nach Hohe Schule (1934, zusammen mit Rudolf Forster) und Der schwarze Walfisch (1934, zusammen mit Emil Jannings) – erst ihre dritte Filmrolle.

Einführung am 20.4.: Jeanpaul Goergen

Einführung am 25.4.: Philipp Stiasny

am 20.4.2008 um 19.00 Uhr
am 25.4.2008 um 19.00 Uhr

 

 

 

JEANNE D’ARC, HEILIGE JOHANNA, JOAN OF ARC
Joan of Arc
Johanna von Orléans

USA 1948, R: Victor Fleming, D: Ingrid Bergman, José Ferrer, Francis L. Sullivan, J. Carrol Naish, Ward Bond, 134’ OmU

Von dem Regisseur von Gone With the Wind (1939) in Szene gesetzte aufwändige Hollywood-Verfilmung des Jeanne d’Arc-Stoffes. Der Hollywood-Routinier Fleming liefert das, was das Publikum zu sehen wünscht: üppige Schauwerte, eine überbordende Ausstattung, die Buntheit des Technicolor-Verfahrens, Monumentalität und ausdrucksstarke, präsente Schauspieler. Das Drehbuch folgt dem Schauspiel Joan of Lorraine von Maxwell Anderson, in dem Ingrid Bergman bereits die Johanna spielte.
Die schwedische Schauspielerin Ingrid Bergman kommt 1939 in die USA, wo sie sich aufgrund ihrer „Natürlichkeit“ von den amerikanischen Filmstars jener Jahre abhebt. Nach Filmen für Michael Curtiz (Casablanca, 1942), Sam Wood (For Whom the Bells Tolls, 1943) und Alfred Hitchcock (Spellbound, 1944, und Notorious, 1946) verkörpert sie 1948 die Johanna von Orléans. „Kaum eine Spur von der gläubigen Inbrunst, der magischen Sicherheit, vom Sendungsbewußtsein des lothringischen Bauernmädchens, wird hier spürbar (...). Ratlos, im Grunde unbewegt, den banalen Text brav deklinierend, bietet Ingrid Bergman ihr klares, reines Gesicht der Kamera dar. Allein am Anfang und zuweilen in der Großaufnahme spricht echte, unverstellte Kreatürlichkeit aus ihrem Wesen. Dann erliegt auch sie dem lauten Theater, das um sie herum abrollt.“ (Hannes Schmidt, Die Welt, 20.10.1950)

am 22.4.2008 um 20.00 Uhr

 

 

 

JEANNE D’ARC, HEILIGE JOHANNA, JOAN OF ARC
The Messenger: The Story of Joan of Arc
Johanna von Orléans

USA/F 1999, R: Luc Besson, D: Milla Jovovich, Dustin Hoffman, John Malkovich, Faye Dunaway, 165’ OF

In drei Kapiteln – Jugend, Schlacht, Prozess – inszeniert Luc Besson das Drama der Jeanne d’Arc als fesselnde Historienoper und postmodernes Action-Kino. Mit opulenten Bildern und spektakulären Schlachtszenen übertrumpft er die ruckende Ästhetik der Computerspiele mit den Mitteln des großen Kinos. Seine Jeanne d’Arc agiert dagegen als „hilflose Heldin“ (Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt), die zum Schluss selbst an ihrer göttlichen Mission zweifelt. „Diese Johanna ist eine Fanatikerin, eine Getriebene – mit autistischen Zügen. Dass sie mit kurz abgesäbeltem Haar eine gewisse Ähnlichkeit mit Leonardo DiCaprio entwickelt, verstärkt noch die Irritation. Eine Androgyne aus dem Menschheitstraumlabor, ein Geschöpf nicht von dieser Welt. Hat Johanna wirklich Gottes Stimme gehört, oder ist sie nur eine Wahnsinnige? Besson lässt es offen. Auf jeden Fall weist er ihr nicht die Opferrolle zu, in der die Regisseure sie sonst so gern zeigen.“ (Frank Noack, Tagesspiegel, 13.1.2000) Die Rolle der Jeanne d’Arc verkörpert die in der Ukraine geborene Schauspielerin Milla Jovovich, die als fünfjähriges Mädchen mit ihren Eltern in die USA emigrierte, wo sie bereits mit 12 Jahren als Photomodell arbeitete und mit kleineren Filmrollen debütierte.

am 27.4.2008 um 18.00 Uhr

 

 

 

 
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