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    KINEMATOGRAFIE HEUTE:
MEXIKO

 

KINEMATOGRAFIE HEUTE: MEXIKO

Bereits seit der Jahrtausendwende erlebt das mexikanische Kino eine atemberaubende Renaissance. Mitte der 1990er Jahre infolge des sogenannten Tequila-Crashs noch ökonomisch am Boden, setzte Anfang des neuen Jahrhunderts mit einigen bahnbrechenden Werken eine Welle ein, die bald keine nationalen Grenzen mehr kannte und junge mexikanische Regisseure, Drehbuchautoren und Schauspieler unter anderem nach Hollywood führte. KINEMATOGRAFIE HEUTE: MEXIKO konzentriert sich nicht auf diese internationalen Karrieren, sondern auf die einheimischen, überwiegend in Mexiko produzierten Filme. Zu bestaunen ist eine einzigartige Vielfalt an Ideen, Erzählformen und Genres. Und zu bewundern ist eine Filmkultur im Wandel, die den tradierten, mitunter folkloristischen und klischeehaften Vorstellungen ein neues Kino an die Seite stellt: ein Kino, das in die Lücken der mexikanischen Bilderwelten vordringt und ausdrucksstarke Bilder der unterschiedlichen Kulturen, aber auch sozialen Brüche findet. Auf den internationalen Filmfestivals wurden viele dieser Filme zwar ausgezeichnet, einen Weg in den deutschen Verleih haben sie dennoch meistens nicht gefunden. Neben vier Produktionen aus der frühen Phase des Neuen Mexikanischen Kinos präsentiert KINEMATOGRAFIE HEUTE: MEXIKO dieses zurecht international gefeierte, abwechslungsreiche, mexikanische Filmschaffen.

Eine Filmreihe zum „Bicentenario“, dem 200. Jubiläum der Gründung der meisten lateinamerikanischen Republiken

Mit freundlicher Unterstützung der Botschaft von Mexiko

 

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Oveja negra
Black Sheep

MEX 2009, R: Humberto Hinojosa Ozcáriz, D: Christian Vázquez, Rodrigo Corea, Ximena Romo, Iván Arana, Ricardo Ezquerra, 86’ OmeU

Die beiden Freunde José und Kumbia arbeiten auf einer Schaffarm. Allerdings haben sie es satt, sich für ihren Chef zu Tode zu schuften, dafür nur eine armselige Entlohnung zu erhalten und obendrein noch wie der letzte Dreck behandelt zu werden. Sie wollen all dies hinter sich lassen und einen Neuanfang wagen. Ihr Plan ist es, nicht alleine zu verschwinden, sondern die Schafe mitzunehmen, um sie an der Grenze zur USA zu verkaufen. Natürlich lässt der Farmbesitzer sich dies nicht gefallen und nimmt zusammen mit seinem Sohn Jerónimo die Verfolgung auf. Zu allem Unglück ist Jerónimo auch noch in dasselbe Mädchen verliebt wie José.
Oveja Negra beginnt als präzise Schilderung der persönlichen und ökonomischen Beziehungen zwischen den Protagonisten, wobei, dank des breit gefächerten Ensembles an Nebenfiguren, ein komplexes Bild der Dorfgemeinschaft im Stil des magischen Realismus entsteht. Im weiteren Verlauf wechselt der Film indes die Gangart und erscheint zunehmend wie ein spannungsgeladenes Roadmovie aus den besten Jahren des New Hollywood, wobei sich Regisseur Hinojosa auf den psychologisch aufgeladenen Konflikt zwischen José und Jerónimo konzentriert. Besonders erwähnenswert sind auch die großartigen Breitwandbilder von Kameramann Kenji Katori, die dem Film etwas zutiefst Märchenhaftes verleihen.

am 2.3.2010 um 20.00 Uhr

 

 

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Desierto adentro
The Desert Within

MEX 2008, R: Rodrigo Plá, D: Diego Cataño, Memo Dorantes, Eileen Yañez, Luis Fernando Peña, Mario Zaragoza, 113’ OmeU

Eine Familie, die es zwischen religiösem Fanatismus und behutsamer Liebe zerreißt: Nach der Revolution von 1928 versuchte die mexikanische Regierung, Gottesdienste und jegliches Gemeindeleben der katholischen Kirche zu verbieten. Der gläubige Bauer Elías drängt einen zögernden Priester, sein neugeborenes Kind zu taufen, was eine brutale Strafaktion der in seinem Heimatort stationierten Armee auslöst. Elías’ Schuldgefühle führen bei ihm zu einer Vision, dass als Strafe für sein Tun nun seine sieben weiteren Kinder sterben müssen. Um Gottes Zorn abzuwenden, zieht er mit seiner Familie in die Isolation der Wüste, um dort eine Kirche zu errichten.
Nach seinem faszinierenden Debüt La Zona ist Desierto adentro der zweite, nicht minder beeindruckende Film von Rodrigo Plá. Die Bilder der ausgetrockneten Landschaft Mexikos lassen diese mit der Zeit beinahe wie eine eigene Figur erscheinen – besitzergreifend, irrational und zerstörerisch.

am 3.3.2010 um 20.00 Uhr
am 7.3.2010 um 18.30 Uhr

 

 

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Y tu mamá también
MEX 2001, R: Alfonso Cuarón, D: Maribel Verdú, Gael García Bernal, Diego Luna, 105’ Omd+fU

Bevor Alfonso Cuarón in Hollywood bei Harry Potter and the Prisoner of Askaban Regie führte, drehte er in seiner Heimat Mexiko die rasante Komödie Y tu mamá también: in einem Sommer, der für Julio und Tenoch in schierer Ereignislosigkeit zu versanden droht, taucht plötzlich die Traumfrau Luisa auf. Was eben noch eine übermütige Spinnerei war – die Angebetete für eine Fahrt ans Meer zu gewinnen –, wird plötzlich wahr. Das ungleiche Trio macht sich auf die Reise, und beide Jungs sehen die Chance, die Frau als Trophäe zu gewinnen. Als Luisa mit Tenoch schläft, ist dieser in ihren Augen jedoch zu zaghaft. Sie schläft daraufhin auch mit Julio, was zum Streit zwischen den Freunden führt. Die beiden gestehen sich nun gegenseitig, dass sie auch schon mit der Freundin des anderen geschlafen haben, Julio sogar mit Tenochs Mutter („Y tu mamá también“).
Die Reise der beiden Teenager und ihre anfänglich ausgelassene Coming-of-Age-Story ist zunehmend in größere Zusammenhänge eingebettet. Für Cuarón ging es darum, in seiner Geschichte auch etwas von den vielen verschiedenen Mexikos zu erzählen, die in ein und derselben Zeit und im gleichen Raum, aber scheinbar unverbunden koexistieren. „Teenager erleben diese Segmentierung noch verstärkt, da sie absolut auf die eigene Befindlichkeit konzentriert sind“, erzählte er in einem Interview mit der Tageszeitung Der Standard. „Sie bewegen sich gewissermaßen wie in einer Luftblase, und gleichzeitig glauben sie, alles übers Leben zu wissen und vor allem auch Kontrolle übers eigene Leben zu haben“.

am 5.3.2010 um 21.00 Uhr

 

 

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Stellet Licht
MEX/F/NL/D 2007, R: Carlos Reygades, D: Cornelio Wall, Miriam Toews, Maria Pankratz, Peter Wall, Elizabeth Fehr, Jacobo Klassen, 136’ OmU

Alle drei Filme, die Carlos Reygades bisher gedreht hat, liefen auf den Filmfestspielen von Cannes. Für Stellet Licht erhielt er dort 2007 den Preis der Jury. Nach den aufgeregten und bildgewaltigen Filmen Japón und Batalla en el cielo fand Carlos Reygades mit Stellet Licht zu einer in sich ruhenden Größe und Reinheit. Der Film erzählt eine tragisch-poetische Liebesgeschichte unter deutschstämmigen Mennoniten im Norden Mexikos. Diese Glaubensgemeinschaft spricht Plautdietsch, eine westpreußische Varietät des Niederdeutschen, womit Stellet Licht der erste internationale Kinofilm in plautdietscher Sprache ist. Landschaft und Sprache scheinen einander fremd zu sein, und beides zusammen scheint auch den Zuschauern befremdlich. Allerdings erzählt der Film vom Leben der Mennoniten nicht so, als dass man sie als rückständige Exoten wahrnähme. Er handelt vielmehr von einem ausgesprochen modernen Konflikt: Der Landwirt Johan bewirtschaftet mit seiner Frau Esther einen Hof, die beiden haben so viele Kinder, dass man Mühe hat, sie zu zählen. Johan liebt seine Frau, aber er liebt auch Marianne, und zwar auf eine intensive, lodernde Weise. Weder Marianne noch Johan gelingt es, vom anderen zu lassen... „Gleichnishafte Geschichte als kontemplative Filmerzählung von hohem ästhetischen Reiz, die Momente einer enthobenen Zeit schafft. Ein außergewöhnlicher Glücksfall fürs Kino.“ (filmdienst)

am 6.3.2010 um 21.00 Uhr
am 9.3.2010 um 20.00 Uhr

 

 

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El milagro del Papa
MEX 2009, R: José Luis Valle, 78' OmeU, DigiBeta

„Was ist ein Wunder?“, wird in El milagro del Papa mehrfach gefragt: Manifestation der Liebe Gottes oder unerklärbares Phänomen, bei dem immer auch ein bisschen Budenzauber mit im Spiel ist? Die Meinungen differieren jedenfalls erheblich. Im Zusammenhang mit diesem Dokumentarfilm steht fest: der mexikanische Junge Heron Badillo erkrankte mit knapp fünf Jahren an Leukämie, wurde von Spital zu Spital gereicht und galt trotz Chemotherapie als aussichtsloser Fall. Papst Johannes Paul II., der im Jahr 1990 zum ersten Mal Mexiko besuchte, war die letzte Hoffnung der Eltern Herons. Dem Flugzeug entstiegen, verließ Seine Heiligkeit die protokollarische Route, steuerte auf den Todgeweihten zu und berührte dessen Stirn. Kurz darauf wurde dieser vollends gesund und entwickelte sich normal. Dies ist die Ausgangslage für eine filmische Enquete in der mexikanischen Provinz.
Mit seinem Film gelingt José Luis Valle das Porträt einer zwischen Tradition und Moderne oszillierenden Gesellschaft. El milagro del Papa nähert sich der zentralen Figur zunächst indirekt über Verwandte, Nachbarn, Ärzte, kirchliche und weltliche Würdenträger und vermittelt dabei zugleich einen authentischen Eindruck des Lebens in der mexikanischen Provinz. „Mit visueller Experimentierlust, Humor und erzählerischer Nonchalance wirft José Luis Valle einen multiperspektivischen Blick auf seinen Protagonisten und das gegenwärtige Mexiko. Das Wunder selbst gerät dabei mitunter fast zur Nebensache und der Alltag, bevölkert von einem singenden Bürgermeister, ausladenden Kreuzigungsprozessionen und Papstfiguren in Chips-Packungen, entfaltet seine magischen Seiten.“ (Thomas Schärer, Filmfestival Locarno 2009, Semaine de la Critique)

am 12.3.2010 um 19.00 Uhr
am 21.3.2010 um 21.00 Uhr

 

 

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La ley de Herodes
Herod’s Law

MEX 2000, R: Luis Estrada, D: Damián Alcazar, Pedro Armendáriz Jr., Delia Casanova, Juan Carlos Colombo, Alex Cox, 120’ OmeU, DVD

Ein unbescholtener Zeitgenosse wird unvermittelt zum Bürgermeister ernannt und entdeckt die Lust an der Macht. Eine provokante Politsatire über Omnipotenz, Korruption, Machtanmaßung und Doppelmoral, die beinahe an der ehemaligen Staatspartei PRI (Partido Revolucionario Institucional) gescheitert wäre, wenn diese nicht selbst in den 1990er Jahren zur Abschaffung der Zensur beigetragen hätte: Im Mexiko des Jahres 1949 wird der Bürgermeister des kleinen Dorfes San Pedro de los Saguaros als Folge seines Machtmissbrauches gelyncht und geköpft. Es stehen Wahlen an, und der Gouverneur hat Angst, dass seine Stellung durch einen Skandal bedroht wird. Er ernennt als neuen Bürgermeister ein harmloses und treues Parteimitglied der PRI, das im Gegensatz zu seinem Vorgänger nicht korrupt zu sein scheint. Die dann folgenden Ereignisse haben eine Vielzahl von Parallelen in der Geschichte Mexikos. Die Freigabe des Films wurde über Monate von der Filmzensur verschleppt, erzielte dann aber innerhalb kürzester Zeit über vier Millionen Dollar Kinoeinnahmen. Im Rahmen des jungen politischen Kinos in Lateinamerika ist er mittlerweile zu einem Aushängeschild der freien Meinungsäußerung geworden.

am 12.3.2010 um 21.00 Uhr

 

 

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Parque vía
MEX 2008, R: Enrique Rivero, D: Nolberto Coria, Nancy Orozco, Tesalia Huerta, 86' OmeU

Als Parque vía im Jahr 2008 den Wettbewerb des Festivals von Locarno eröffnete, waren sich viele Besucher sicher, dass er den Goldenen Leoparden gewinnen würde – und sie behielten recht. Beto, ein alter Witwer von indianischer Herkunft, bewacht eine luxuriöse Villa in Mexico City. Er wohnt ganz alleine im Haus, das zum Verkauf steht. Seine Kontakte zur Außenwelt beschränken sich auf die Besitzerin, die in größeren Abständen erscheint, um nach dem Rechten zu sehen, und Lupe, eine Prostituierte, deren Dienste er einmal pro Woche in Anspruch nimmt. So lebt er wie ein Eremit mitten im Trubel der Metropole. Allein der Gedanke, das Haus verlassen zu müssen, ängstigt ihn; ein einfacher Marktbesuch wird zur Qual. Das Fernsehen ist sein einziges Fenster zur Welt – auch wenn der Inhalt der Nachrichten sich nie ändert: blutig niedergeschlagene Demonstrationen, kaltblütige Morde, abscheuliche Kriege. Als das Haus schließlich verkauft wird, muss auch dessen Hüter das Feld räumen.
Neben Betos Einzelschicksal zeigt Parque vía auch die sozialen Brüche im modernen Mexiko anhand der Beziehung zwischen der Besitzerin und dem Angestellten: Die Unterschiede zwischen Reich und Arm verschränken sich mit denjenigen zwischen Weißen und „Indios“. Enrique Rivero widmet sich der melancholischen Geschichte eines Individuums, erzählt darüber hinaus aber von einer ganzen Bevölkerungsschicht, deren Existenz sich seit jeher im Prekären abspielte.

am 13.3.2010 um 21.00 Uhr
am 14.3.2010 um 19.00 Uhr

 

 

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Voy a explotar
I’m Gonna Explode

MEX 2008, R: Gerardo Naranjo, D: Maria Deschamps, Juan Pablo de Santiago, Daniel Giménez Cacho, Rebecca Jones, Martha Claudia Moreno, 106' OmeU

Maru ist 15 und lebt in Guanajuato. Als sie einmal nachsitzen muss, lernt sie Román kennen. Román ist ein übermütiger und arroganter Außenseiter, der sich gerne schillernden Gewaltfantasien hingibt. Als Sohn eines korrupten Politikers glaubt er sowieso, dass ihm nichts passieren könne. Auf einer Schulveranstaltung hat er einmal seinen Selbstmord simuliert. Damals war Maru die einzige, die applaudierte. Gemeinsam rebellieren die beiden Teenager fortan gegen die große Langeweile und gegen die Erwachsenenwelt, sie wollen ausbrechen, wohin auch immer. Auf der Flucht werden Maru und Román zum Paar. Ihre Eltern treiben die Suche nach ihnen nur halbherzig voran, die Polizei erweist sich als nutzlos. Zwar bleiben Maru und Román in ihrem Versteck unentdeckt, doch mit jedem Tag wird es schwieriger für sie, die Wirklichkeit da draußen auszublenden.
Voy a explotar ist ein jugendliches Rebellionsdrama mit erhöhtem Adrenalin-Pegel, eine enthusiastische Hommage an das Thema „Liebe auf der Flucht“. Trotz stilistischer Anleihen bei Bonnie & Clyde, Pierrot le fou oder The Getaway ist Naranjos Arbeit vor allem von einer unaufdringlichen Sensibilität für die Bedeutung des Jung-Seins im heutigen Mexiko geprägt.

am 16.3.2010 um 20.00 Uhr
am 20.3.2010 um 18.30 Uhr

 

 

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Amores perros
MEX 2000, R: Alejandro González Iñárritu, D: Emilio Echevarría, Gael García Bernal, Goya Toledo, Vanessa Bauche, Alvaro Guerrero, 154’ OmU

In seinem gefeierten Debüt erzählt der mexikanische Regisseur Alejandro González Iñárritu drei Geschichten von Liebe, Hass und Tod in der Millionenmetropole Mexico-City, die durch einen schweren Autounfall schicksalhaft miteinander verknüpft sind. Episode 1: Octavio lässt seinen Hund in brutalen Hundekämpfen antreten, um das notwendige Geld zusammenzubringen, damit er mit Susana, der Frau seines Bruders, andernorts ein neues Leben beginnen kann. Episode 2: Das erfolgreiche Fotomodell Valeria und Hund Richie sind soeben mit dem frisch geschiedenen Daniel zusammengezogen. Das gemeinsame Glück wird durch den Unfall auf eine harte Probe gestellt. Episode 3: Der heruntergekommene El Chivo lebt mit einem Dutzend Hunden zusammen und verdient sich ein Zubrot mit Auftragsmorden. Durch Zufall entdeckt er die Todesanzeige seiner Frau, die er vor Jahren verlassen hatte, um als Revolutionär für eine bessere Zukunft zu kämpfen. Auf der Beerdigung sieht er auch zum ersten Mal seine Tochter wieder.
In seinen Gewaltdarstellungen nicht zimperlich, entbehren Iñárritus vielschichtige und bildgewaltige Geschichten aber jeder Koketterie. Gekünstelte Coolness hat hier ebenso wenig Platz wie parodistisch-ironische Einlagen. Amores perros, der im Jahr 2000 beim Festival von Cannes seinen Triumphzug mit dem Gewinn zweier Preise begann, wurde mit über 30 internationalen Auszeichnungen prämiert und auch als bester ausländischer Film für den Golden Globe und den Oscar nominiert. Außerdem gewann der Film elf Ariel Awards, das mexikanische Äquivalent zum Oscar.

am 17.3.2010 um 20.00 Uhr

 

 

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En el hoyo
In the Pit

MEX 2006, R: Juan Carlos Rulfo, 78' OmeU

Juan Carlos Rulfo begleitet in seinem Dokumentarfilm En el hoyo monatelang eine Gruppe von Arbeitern, die bei Tag und Nacht mitten im Moloch Mexico-City einen neuen Abschnitt der überwiegend auf Pfeilern verlaufenden Stadtautobahn El Periférico bauen. Aus ihrer Arbeit entsteht ein gigantisches Gebilde aus Eisen, Beton und Asphalt, das die Landschaft und das Leben der Bewohner von Mexikos Hauptstadt grundlegend verändern wird. En el hoyo richtet seine Aufmerksamkeit allerdings weniger auf das Bauvorhaben als auf die Menschen, die damit beschäftigt sind. Er betont jene Aspekte, die im Zusammenhang eines solchen Prestigeprojekts für gewöhnlich keine Rolle spielen. Ein Bauarbeiter klagt, dass sein Anteil an diesem „modernen Kathedralenbau“ nicht ausreichend gewürdigt wird, eine Nachtwächterin glaubt, dass die beim Bau tödlich Verunglückten nachts als Geister wiederkehren. Denn hinter all den modernen Problemen, die in En el hoyo so lebensprall zur Sprache kommen, steckt eine alte indigene Legende: Jedes Mal, wenn eine Brücke vollendet ist, holt sich der Teufel Seelen aus dem Kreis derer, die daran gearbeitet haben.
Juan Carlos Rulfo gelingen beeindruckende und poetische Momentaufnahmen, sowohl in den unterirdischen Gruben für die Betonpfeiler der Hochstraße, als auch in großer Höhe an der Konstruktion der Autobahn selbst. Beim Sundance Festival 2006 erhielt En el hoyo den Großen Preis der Jury.

am 19.3.2010 um 21.00 Uhr

 

 

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Lake Tahoe
MEX 2008, R: Fernando Eimbcke, D: Diego Cataño, Héctor Herrera, Daniela Valentine, Juan Carlos Lara, Yemil Sefami, 85 OmU

Der 16-jährige Juan schnappt sich den Schlüssel für das Auto der Familie und haut ab. Doch die Flucht endet schon am Stadtrand am einzigen Telegrafenmast weit und breit. Auf der Suche nach einem Mechaniker begegnet er dem latent paranoiden Don Heber, der mit seinem Hund Sica lebt und Juan helfen will, die nötigen Ersatzteile aufzutreiben.
Fernando Eimbcke erzählt uns von einem Tag im Leben eines jungen Mannes, von dem wir später auch erfahren, dass er gerade seinen Vater verloren hat. Mit einem very slow burning humor à la Jim Jarmusch oder Aki Kaurismäki begleitet die Kamera den Protagonisten bei seiner Odyssee durch ein verschlafenes Niemandsland, wo er das Punkmädchen Lucia trifft sowie den Martial-Arts Hooligan David, einen Teenager, der sich obendrein als Fachmann für alles Mechanische erweist. Aber so skurril und slapstickhaft diese Begegnungen auch gelegentlich erscheinen, ein feiner Hauch von Schwermut umrankt jeden Moment dieses Films. Immer wieder kehrt Juan zu sich selbst zurück und hält einen Moment inne. Der Verlust des Vaters hat dunkle Stellen in seiner Seele hinterlassen – wir scheinen mit ihm die Augen zu schließen, die Leinwand wird schwarz. „Beeindruckend ist auch der Umgang mit der filmischen Zeit und das innovative Sounddesign, das aus Alltagsgeräuschen und Sprachfetzen eine flirrende Atmosphäre des Ungefähren schafft, in der sich das unausgesprochen Lastende mit der Gleichgültigkeit der Natur und vielleicht einer gewissen fatalistischen Grundhaltung zu einer Art kosmischem Kreislauf verbinden.“ (Josef Lederle, filmdienst, 25/2008)

am 20.3.2010 um 21.00 Uhr
am 21.3.2010 um 19.00 Uhr

 

 

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Rabioso sol, rabioso cielo
MEX 2008, R: Julián Hernández, R: Jorge Becerra, Javier Oliván, Guillermo Villegas, Giovanna Zacarias, 191’ OmeU

Die Liebe als episches Martyrium. Erlösung und Erfüllung sind erst im Jenseits möglich. In Rabioso sol, rabioso cielo erzählt Julián Hernández die Geschichte von Kieri und Ryo, zwei Männern, die an die Unbedingtheit der Liebe glauben und danach leben. Doch der großartige Rausch währt nicht ewig. Ihre unschuldige Liebe wird von einem Dritten, einer Art Teufelsfigur, sabotiert: Ryo wird entführt, und für Kieri beginnt eine mystische Reise. Für Ryo sind Verschwinden, Suchen und Warten die Stationen eines Weges, auf dem er sterben wird, während Kieri in seiner Bemühung, den Geliebten wiederzufinden, seinen Körper für Ryos Auferstehung opfert. Im Todeskampf bedeckt die Erde, angeführt vom „Corazón del cielo“, dem Herz des Himmels, die Körper der Liebenden, so dass neues Leben aus ihnen wachsen kann. Im Tod vereint, kehren Ryo und Kieri über den Mythos ins Leben zurück.
Mit seinem fast ohne Dialoge auskommenden Film gewann Julián Hernández auf der Berlinale 2009 den Teddy Award. „Kühne, hoch ästhetisierte 191 Minuten lang, in prachtvollem Schwarzweiß, ist dieser Film keine Sekunde langweilig, wenn man sich ihm denn hingibt“, befand das Magazin Siegessäule.

am 23.3.2010 um 19.30 Uhr

 

 

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El crimen del padre Amaro
Die Versuchung des Padre Amaro

MEX 2002, R: Carlos Carrera, D: Gael García Bernal, Sancho Gracia, Ana Claudia Talancón, Angélica Aragón, 118' OmU

Der junge Padre Amaro wird von seiner Diözese in das abgelegene Bergdorf Los Reyes geschickt, um den alten Padre Benito zu unterstützen. Dort entdeckt der junge Priester bald, dass in der Kirchengemeinde vieles im Argen liegt: Benito fungiert als Geldwäscher für den örtlichen Drogenbaron und hat außerdem seit Jahren ein Verhältnis mit der Wirtin des Ortes. Ein anderer Priester unterstützt die Guerilla und lebt mit den Rebellen in den Bergen. Doch auch Amaro kann der Sünde nicht lange widerstehen: Schon nach kurzer Zeit verfällt er den Reizen eines 16-jährigen Mädchens. Als sie schwanger wird, rät er ihr zur Abtreibung. Denn der junge Geistliche hat Ambitionen und ist nicht bereit, seine Karriere auf dem Altar der Liebe zu opfern...
Aufgebaut wie eine mexikanische Telenovela, sorgte dieser bissige Film in der katholischen Kirche Mexikos für erhebliche Unruhe: dem Regisseur und seinem Hauptdarsteller wurde gar mit Exkommunizierung gedroht. Dem Erfolg des Films scheint das allerdings eher geholfen zu haben: El crimen del padre Amaro brach in Mexiko alle Kassenrekorde einheimischer Produktionen. Außerdem wurde der Film 2002 für den Oscar als bester ausländischer Film nominiert.

am 24.3.2010 um 20.00 Uhr

 

 

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Dos abrazos
Two Embraces

MEX 2007, R: Enrique Begne, D: Ximena Sarinaña, Jorge Zárate, Giovanni Florido, Maya Zapata, Miguel Couturier, 87' OmeU

Enrique Begnes Spielfilmdebüt handelt von vier Einzelgängern in Mexico-City. Was sie verbindet, ist die schmerzliche Erfahrung, verlassen worden zu sein. Alle Protagonisten haben tiefe seelische Verletzungen erlitten, und sie lecken Wunden, die noch jeden Tag schwären. Die Geschichten des Films ereignen sich vor dem Hintergrund einer Metropole, die kurz vor dem Kollabieren zu stehen scheint.
Der Teenager Paco stammt aus schwierigen Familienverhältnissen und schwärmt für die Supermarktkassiererin Silvina. Sie tatsächlich anzusprechen wagt er allerdings nicht. Eines Tages folgt er ihr, gemeinsam mit einem Freund, auf dem Weg von der Arbeit nach Hause. Als der Freund ihr gegenüber anzügliche Gesten macht, verprügelt sie ihn. Danach fällt es Paco leichter, sich Silvina zu offenbaren. Die verzweifelte Umarmung, in die diese unerwartete Freundschaft mündet, wird von dem Taxifahrer Joaquín beobachtet, in dessen Droschke kurz darauf ein Mann einen Schlaganfall erleidet. Durch dieses Unglück in die Angelegenheiten des Mannes verwickelt, freundet sich Joaquín mit dessen Tochter an, die vor Jahren von ihrem Vater im Stich gelassen wurde.
Der Regisseur Enrique Begne erläutert den Ausgangspunkt für seinen Film: „Vor einiger Zeit interviewte ich für einen Dokumentarfilm einen selbstmordgefährdeten Mann, der mir sagte, dass zwischenmenschliche Zuneigung kein ausreichender Grund sei, um weiter zu leben. Dieser Ansicht möchte ich mit großem Nachdruck widersprechen. Ich denke, Zuneigung ist nicht nur ein sehr guter Grund zu leben, ich glaube, es ist der wichtigste überhaupt. Mit dieser Haltung habe ich Dos abrazos gedreht“.

am 26.3.2010 um 21.00 Uhr
am 28.3.2010 um 19.00 Uhr

 

 

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Cochochi
MEX/GB/CND 2007, R: Laura A. Guzmán, Israel Cárdenas, D: Antonio Lerma Batista, Evaristo Lerma Batista, 87' OmeU

Cochochi erzählt die Geschichte der elf und zwölf Jahre alten Brüder Evaristo und Tony, die bei ihrem Großvater in einem Dorf im Nordwesten Mexikos leben. Sie sind Indigenos, die gerade die Schule beendet haben und unentschlossen sind, ob sie der Tradition entsprechend auf der Ranch der Familie arbeiten sollen oder eine weiterführende Schule besuchen wollen. Von ihrem Großvater erhalten sie den Auftrag, Medizin an das andere Ende der Sierra Tarahumara zu bringen. Da der Weg weit ist, leihen sie sich das Pferd des Großvaters, um schneller voranzukommen. Als ihnen das Tier wegläuft, trennen sie sich: Einer soll sich um die Zustellung des Päckchens kümmern, der andere das Pferd suchen. Bei der Erfüllung ihrer jeweiligen Mission und vor dem Hintergrund der Landschaft der Sierra Tarahumara unternehmen Evaristo und Tony, jeder für sich und jeder auf andere Weise, ihre ersten Schritte in die Welt des Erwachsenseins. In der indigenen Tarahumara-Sprache eröffnet das Regiegespann Cárdenas / Guzmán mittels seiner halbwüchsigen Protagonisten einen wie aus einer anderen Zeit oder Welt stammenden Kosmos.

am 27.3.2010 um 19.00 Uhr
am 28.3.2010 um 21.00 Uhr

 

 

KINEMATOGRAFIE HEUTE: MEXIKO
Párpados azules
Blue Eyelids

MEX 2007, R: Ernesto Contreras, D: Cecilia Suárez, Enrique Arreola, Ana Ofelia Murguía, Tiaré Scanda, Luisa Huertas, 110' OmeU

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, warnte Regisseur Ernesto Contreras vor der Aufführung seines Films beim Festival von Cannes 2007: „Eine fröhliche Liebeskomödie ist dieser Film nicht“. Die als Single lebende Arbeiterin Marina gewinnt von ihrem Arbeitgeber eine Reise für zwei Personen an einen paradiesisch erscheinenden Ort. Zunächst plant sie, alleine zu fahren, besinnt sich dann aber doch anders und beginnt panisch, eine Reisebegleitung zu suchen. Zu guter Letzt nimmt sie einen schüchternen jungen Mann namens Víctor Mina mit, der behauptet, ein alter Schulfreund zu sein. Marina hat ihn gerade kennen gelernt und kann sich beim besten Willen nicht erinnern, ihn früher schon einmal gesehen zu haben. Liebe, Naivität und Einsamkeit bestimmen diese bittersüße Komödie, in der die Figuren ständig damit zu kämpfen haben, sich bei ihrer Suche nach Liebe nicht selbst im Weg zu stehen.
Cecilia Suárez als Marina ist das große Ereignis in diesem Film. In Mexiko ist sie ein großer Star, war hierzulande aber nur in Spanglish und The Three Burials of Melquiades Estrada zu sehen. Párpados azules, der Debütfilm von Regisseur Ernesto Contreras, wurde auf zahlreichen Festivals ausgezeichnet und entwickelte sich zu einem lateinamerikanischen Publikumsliebling.

am 27.3.2010 um 21.00 Uhr

 

 

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Arráncame la vida
MEX 2008, R: Roberto Sneider, D: Daniel Giménez Cacho, Ana Claudia Talancón, José María de Tavira, Mariana Peñalva, Irene Azuela, 107'OmeU

Roberto Sneider erzählt in Arráncame la vida eine tragische Liebesgeschichte vor historischem Hintergrund: General Andrés Acencio macht in den 1930er Jahren, im Anschluss an die mexikanische Revolution, politische Karriere und heiratet die junge Catalina Guzmán. Sie lässt sich auf den viel älteren und politisch mächtigen Mann ein, macht sich dessen Lebensart und Weltsicht zu Eigen, bringt zwei Kinder zur Welt und zieht weitere auf, die er von anderen Frauen hat. Aber zunehmend lernt sie auch, die Welt mit ihren eigenen Augen zu sehen. Und sie entdeckt ihre Stärken. Der Zusammenprall der Denk- und Fühlweise von Catalina mit der ihres dominanten Mannes kann nicht ausbleiben. Eine brisante Affäre bahnt sich an, als Catalina sich in den Dirigenten und Linksaktivisten Vives verliebt. Variety charakterisierte Arráncame la vida als loderndes Emanzipationsmelodram voller Liebe und Leidenschaft. Arráncame la vidaist der bislang teuerste Film in der Geschichte Mexikos und basiert auf dem gleichnamigen Roman von Ángeles Mastretta (deutscher Titel: Mexikanischer Tango).

am 30.3.2010 um 20.00 Uhr

 

 

KINEMATOGRAFIE HEUTE: MEXIKO
Intimidades de Shakespeare y Víctor Hugo

Shakespeare and Victor Hugo’s Intimacies
MEX 2008, R: Yulene Olaizola, 83' OmeU

Schauplatz des Dokumentarfilms von Yulene Olaizola ist das Gästehaus ihrer Großmutter Rosa Carvajal an der Ecke der Calle Shakespeare- und der Calle Víctor-Hugo in Mexico-City: vor zwanzig Jahren mietete sich ein gewisser Jorge Riosse, jung, attraktiv und geheimnisvoll, in Rosas Haus ein. Rosa wie Jorge lieben die Kunst. Rosa spielte als Nebendarstellerin in mexikanischen Filmen mit, Jorge komponierte, sang und malte. Eine leidenschaftliche Freundschaft entwickelte sich zwischen den beiden, wobei Jorge auch weiterhin mysteriös und in vielerlei Hinsicht undurchsichtig blieb. Ein Feuer in seinem Zimmer beendete die Beziehung der beiden Menschen jäh – Jorge starb in den Flammen. In seinen Hinterlassenschaften entdeckte Rosa jedoch Hinweise, die in ihr den furchtbaren Verdacht schürten, vielleicht einen mehrfachen Mörder beherbergt zu haben. „Es könnte eine Geschichte von Gabriel García Márquez sein, weil Yulene Olaizola zu einer Dramaturgie findet, die völlig vergessen macht, dass Intimidades de Shakespeare y Víctor Hugo ein Dokumentarfilm ist. Ohne eine einzige inszenierte Szene entwickelt sich der Film zu einem Kriminalstück, in dem die schrittweisen Enthüllungen ebenso fesseln wie das tabubelastete, zerstörerische Drama um einen Menschen, dessen Geschichte bruchstückhaft in den Erinnerungen Dritter entsteht. Das Rätsel um den Abwesenden trägt den Film, nicht minder aber die sich erinnernden Protagonisten in ihrer Aufrichtigkeit und Verweigerung, ihrem Stolz und ihren Geheimnissen.“ (Verena Teissl, Viennale 2009)

am 31.3.2010 um 20.00 Uhr

 

 

 
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