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    WIEDERENTDECKT

 

WIEDERENTDECKT

Wiederentdeckt – so heißt unsere filmhistorische Reihe, kuratiert von CineGraph Babelsberg, die einmal im Monat vergessene Schätze der deutschen Filmgeschichte vorstellt. Zu sehen sind Werke, die oftmals im Schatten jener Filme stehen, die den deutschen Filmruhm begründet haben. Sie sind Zeugnisse einer wirtschaftlich leistungsfähigen und handwerklich ambitionierten Filmindustrie. Erstaunlich viele dieser Filme „aus der zweiten Reihe“ sind erhalten. In enger Zusammenarbeit mit dem Bundesarchiv-Filmarchiv und der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen recherchieren die Mitarbeiter von CineGraph Babelsberg diese Filme und analysieren sie im historischen Kontext. Sie erstellen Begleitblätter für das Publikum, führen in die Filme ein und dokumentieren ihre Forschungsergebnisse im Filmblatt, der Zeitschrift von CineGraph Babelsberg.

Eine Veranstaltungsreihe in Zusammenarbeit mit CineGraph Babelsberg, dem Bundesarchiv-Filmarchiv und der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen

 

WIEDERENTDECKT
Martina
BRD 1949, R: Arthur Maria Rabenalt, P: Heinz Rühmann, Alf Teichs, K: Albert Benitz, M: Werner Eisbrenner, D: Jeanette Schultze, Cornell Borchers, Siegmar Schneider, Margarete Kupfer, 91’ 35 mm

Das Drama einer jungen Frau, die im Krieg aus der Bahn geworfen wird, und zugleich ein grelles Panorama der frühen Nachkriegsjahre. Im Zentrum steht die damals meist negativ besetzte, heute fast schon mythische Figur des „Fräuleins“, das Camel raucht, Nylonstrümpfe trägt, eine Lockenmähne und getuschte Wimpern hat, englisch spricht und meist in der Nähe von Besatzungssoldaten zu finden ist. Die Flakhelferin Martina erlebt im Krieg die völlige Entwurzelung und landet nach Kriegsende auf dem Strich. Sie wird vor ein Jugendgericht gestellt und in eine Fürsorgeanstalt eingewiesen. Doch nach ihrer Entlassung gerät sie erneut unter Zuhälter, Schwarzmarkthändler und Ganoven. Erst spät findet sie Hilfe bei ihrer Schwester, einer Ärztin. Am Anfang der Heilung steht die Psychoanalyse, die Aufarbeitung der Vergangenheit und die Suche nach der Ursache von Martinas Trauma.
Martina, produziert von Heinz Rühmanns kurzlebiger Comedia-Filmgesellschaft, ist ein spannendes Zeitdokument, gerade auch wegen seines Schwankens zwischen Sozialkritik und Sozialromantik. „Warum greift der Film nicht öfter nach den Stoffen, die heute mehr als je buchstäblich auf der Straße liegen? Daß es durchaus kein finanzielles Risiko zu sein braucht, beweist der neue Comedia-Film Martina (…). Arthur Maria Rabenalt, der Regisseur, nahm sich hier ein Thema vor, das sonst in der Regel mit dem allzu einfachen Sammelbegriff ‚Verwahrloste Jugend’ oder mit ein paar Schlagworten wie ‚Veronikas’, ‚Ami-Mädchen’, abgetan wird. Der Film gräbt hier tiefer nach den Wurzeln und entrollt (…) ein Lebensschicksal, dem man nicht ohne Ergriffenheit folgt.“ (Nürnberger Nachrichten, 17.8.1949).
Martina wird eingeführt von Mila Ganeva, die an der Miami University in Oxford, Ohio, Film und Literatur lehrt und gegenwärtig zum frühen Nachkriegsfilm forscht.

Einführung: Mila Ganeva
am 4.6.2010 um 19.00 Uhr

 

 

WIEDERENTDECKT
Takový je život
So ist das Leben

CZ/D 1929/30, R/B: Carl Junghans, D: Vera Baranovskaja, Theodor Pištĕk, Manja Ženišek-Pištĕk (Máňa Ženíšková),Valeska Gert, 65’ 35 mm, DF

Der Titel – ein Programm: Mit So ist das Leben gelingt Carl Junghans 1929/30 eine moderne Schilderung von Zeitzuständen: episodisch, rhythmisch geschnitten und ohne kämpferisches Pathos. In typisierter Form versammelt der Film Charaktere aus der Zwischenkriegszeit, die aus dem unteren Kleinbürgermilieu stammen und deren sozialer Abstieg bis hin zur Katastrophe vorgezeichnet ist: ein trunksüchtiger Kohlenarbeiter, der mit einer Kellnerin fremdgeht und bald entlassen wird; seine Frau, stets emsig bei der Wascharbeit, ohne genug zu verdienen; und schließlich ihre Tochter, erst Maniküre, dann auf die Straße gesetzt und zudem ungewollt schwanger. In sieben Kapiteln, an sieben Tagen nimmt die Tragödie ihren Lauf. Dem Tod der Wäscherin folgt eine lange, dramatische Sequenz der Ehrerweisung, in der die Trauernden als geeinte Schicksalsgemeinschaft verharren. Mit der verkündeten Hoffnung auf Wiederauferstehung bekannte sich Junghans zu christlichen Werten und hielt So ist das Leben von kommunistischem Aktionismus fern.
Carl Junghans selbst blieb ein Suchender, ein Außenseiter zwischen den Fronten. Kurz nach seinem Kompilationsfilm über die Olympischen Winterspiele 1936 Jugend der Welt emigrierte er in die USA, doch konnte er dort in der Filmbranche kaum Fuß fassen. 1953 kehrte er in die Bundesrepublik zurück. Wir präsentieren diese Wiederbegegnung mit seinem wohl wichtigsten Film in der westdeutschen Tonfassung, die Junghans 1967 selbst erstellt hat.

Einführung: Ralf Forster
am 2.7.2010 um 19.00 Uhr

 

 

 

 
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