Kulturkampf im heiligen Namen Spaniens

 

Trotz unterschiedlicher ideologischer Ausrichtung führten sowohl die Faschisten als auch die Republikaner ihren Kampf um Spanien als einen national geprägten Freiheits- und Glaubenskampf. So unterscheiden sich republikanische und franquistische Bildkunst in ihrer Bildsprache nicht immer eindeutig. Auf der einen Seite riefen die Sozialdemokraten, die in der Arbeiterpartei P.S.U. organisiert waren, mit Plakaten und Postkarten zum heiligen Kampf für die Freiheit auf. Auf der Postkarte (Abb. rechts) tritt ein muskulöser junger Soldat, dessen schematisches Gesicht vollkommen verschattet ist, als Vertreter seiner ganzen Klasse auf und erhebt zum sozialistischen Gruß die Faust. Die Darstellung betont das Gemeinsame der Aktion, so daß die Einordnung des Individuums in die Sache des Volkes die Kampfaktionen moralisch erhöht. Auf der anderen Seite sahen die Franquisten den Kampf für die Verbreitung des Faschismus in Europa als einen Heiligen Krieg an.

 

Der Vorstoß gegen die republikanische Republik wurde in einem anonymen Plakat als erster Kreuzzug deklariert (Abb. unten links). Dieser sollte der ganzen Welt als politisches Vorbild dienen.(16) Im Namen des Kreuzes setzte Franco dann sofort nach Beendigung des Bürgerkriegs mit dem Valle de los Caídos (Tal der Gefallenen), das von republikanischen Gefangenen erbaut werden mußte, ein Denkmal für die Zerschlagung der Republik. Die spanischen Faschisten betrachteten sich als erste Kulturnation Europas, die die nationale Erneuerung im Geist der Tradition und des Katholizismus bereits vollzogen hatte.

 

Das kulturkämpferische Kriterium der spanischen Rechten wurde neben dem Katholizismus der Casticismo, der sich auf die rein spanische, die urwüchsige Tradition beruft. Der Casticismo bildete sich im 15. Jahrhundert aus dem damaligen religiösen Umfeld heraus. Nach der Maurenvertreibung unterschied man die "reinen" Christen von den zum Christentum konvertierten Juden, was mit dem Hinweis auf die "Reinheit des Blutes" begründet wurde. Zu Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts wurde während der napoleonischen Besetzung des Landes all das "castizo" genannt, was altspanischen Ursprungs war, um sich so von den französischen Invasoren abzuheben und eine eigene kulturelle Identität zu behaupten.(17) In diesem Zusammenhang etablierte sich der Stierkampf als volkstümliches Spektakel, weil er in seiner Rauheit den verfeinerten französischen Sitten des Rokoko diametral entgegenstand.

 

Andererseits standen die herbe Maja und der rauflustige Majo, die jeweils den weiblichen und den männlichen Typus der Madrider Unterschicht repräsentierten, für den wahren Volkscharakter der Spanier. Im 20. Jahrhundert versuchten die Konservativen, diese nationalen Sitten, Trachten und Typen auch in der Kunst wiederzubeleben. Sie selbst nannten sich Junta de Denfensa Nacional (Rat der nationalen Verteidigung). Allerdings lag das Gewicht auf der Bewahrung kastilischer bzw. andalusischer Tradition als Ausdruck ehemaliger Königsmacht und von Francos Anspruch, Madrid als das politische Zentrum der Republikaner in die Hand zu bekommen. Die Traditionen Kataloniens, Galiziens oder des Baskenlands dagegen wurden gnadenlos unterdrückt. Die Republikaner verfolgten ganz bewußt ein kulturelles Gegenkonzept und nutzten teilweise diese wiederbelebten Figuren, um die Nationalisten bloßzustellen.

 

Nur die Konservativen huldigten dem Traditionskult des Casticismo. So wurde der in eine schwarze Mantilla gehüllte Totenschädel zum immer wiederkehrenden Spottbild in der republikanischen Kunstproduktion. Als Stereotypen bezeichnen Mantilla und Schädel Reaktion und Feudalismus im spanischen politischen Plakat. Der Katalane Josep Renau Berenguer (1907-1982), der bei Heartfield die Ausdrucksmittel der Collage und der Fragmentierung gelernt hatte, stellte auf einem Titelblatt von "Nueva Cultura" ironisch die Basis einer "neuen Kultur" vor (Abb. rechts): Eine auf Rückwärtsgewandtheit gerichtete Modernisierung des spanischen Staates führt zu hungernder, resignierter Bevölkerung. Die Collage bildete das Titelblatt für die 1935 von ihm gegründete und geleitete Zeitschrift mit antifaschistischer Orientierung.