DIE GESCHICHTE DER UHRZEIT

7:20 Uhr aufstehen, 9 Uhr im Büro, 18.30 Uhr beim Training – unsere Tage sind exakt vermessen und getaktet. Doch seit wann wissen wir eigentlich genau, wie spät es ist?

Gästen eine warme Mahlzeit vorzusetzen, ist in unserer Zeit relativ einfach: Man lädt für 20 Uhr ein, bereitet das Essen vor und pünktlich zur Ankunft des Gastes steht das dampfende Gericht auf dem Tisch. Ein Gastgeber, der um das Jahr 1200 auf dem Land lebte, hatte es deutlich schwerer. In Ermangelung einer genauen Uhrzeit konnte er den Zeitpunkt seiner Einladung nur vage benennen, zum Beispiel „zur Dämmerung“. Legte der Gast diese Formulierung großzügig aus und erschien beim allerletzten Tageslicht, war das Essen kalt.

VERABREDUNG ZUM HAHNENSCHREI

Die Einteilung von Tag und Nacht in zwölf Teile kannten zwar schon die Babylonier – eine exakte Uhrzeit spielte für unsere Vorfahren aber sehr lange keine Rolle. Man orientierte sich grob an natürlichen Abläufen wie dem Stand der Sonne und verabredete sich einfach zum Hahnenschrei am Morgen – oder eben zur Dämmerung.

Die strenge Gliederung des Tages nahm ihren Ursprung in den Klöstern, wo das Läuten der Stunden den Mönchen den Takt für Gebet und Arbeit vorgab. Diese Praxis ging auf die Städte über, in denen öffentliche Stundenglocken zum Beispiel das Signal für das Öffnen und Schließen der Stadttore gaben. Die Länge der Stunden gaben Kerzen-, Wasser- oder Sonnenuhren vor, und fiel je nach Ort und Jahreszeit verschieden aus.

WENN ES IN KÖLN 4 UHR WAR, KONNTE ES IN DÜSSELDORF 6 UHR SEIN

Der Weg zur exakten Stunde begann erst ab dem 14. Jahrhundert, als sich mechanische Uhr- und Schlagwerke von Italien aus in ganz Europa verbreiteten. Fortan wusste jeder Bürger der Stadt, was „die Stunde geschlagen“ hatte, wie lange genau er sein Handwerk ausüben durfte oder wann er zu einer Ratssitzung erscheinen musste.

Die mechanischen Uhren, die anfangs Gangdifferenzen von 15 Minuten am Tag aufwiesen, wurden im Laufe der Jahrzehnte genauer – nur gingen sie von Stadt zu Stadt anders. Wenn die Uhr in Köln die vierte Stunde schlug, konnte es in Düsseldorf bereits die sechste sein. Jeder Ort hatte gewissermaßen seine eigene Zeitzone. „Die“ Uhrzeit gab es nicht. Diese „Ungleichzeitigkeit“ fiel allerdings kaum auf, da Verbindungen zwischen Städten ohnehin nur durch lange, beschwerliche Reisen möglich waren.

Der Bedarf nach einer synchronen Zeit für alle entstand erst ab dem 18. Jahrhundert, als Verkehr und Handel stark zunahmen. Zunächst war es die Post, die eine einheitliche Zeit brauchte, um „pünktlich“ sein zu können und sich nicht zu „verspäten“.

DIE ZEIT WIRD ZUM WIRTSCHAFTSGUT

Endgültig vom Rhythmus der Natur löste sich die Zeitrechnung dann in den Fabriken des beginnenden industriellen Zeitalters. Zeit wurde zum wirtschaftlichen Gut, das knapp, begrenzt und umkämpft war. Erst jetzt verbreiteten sich öffentliche Zeigeruhren mit Minuten- und Sekundenanzeige, mit denen sich die Zeit exakter unterteilen und berechnen ließ.

Eine verbindliche, im ganzen Land einheitliche Zeit gibt es in Deutschland erst seit 1893. Die Eisenbahn mit ihren minutengenauen Fahrplänen hatte diese Gleichtaktung des ganzen Reiches nötig gemacht – und damit den Weg für die heutige, vollständig synchron laufende Welt gelegt, in der sich Menschen auf verschiedenen Kontinenten auf die Sekunde genau zur Videokonferenz verabreden können.