Fake News 1937:
Deutschland bestreitet die Bombardierung Guernicas

Heute, am 26. April 2017 um 16.40 Uhr werden im baskischen Gernika wieder die Glocken läuten. Genau 80 Jahre ist es dann her, dass die ersten Flugzeuge der deutschen Legion Condor über der Kleinstadt auftauchten und sie in einem dreieinhalbstündigen Bombardement in Schutt und Asche legten. Der Luftangriff des Spanischen Bürgerkrieges vom 26. April 1937 ist in die Geschichtsbücher eingegangen als erstes Beispiel für die flächendeckende Bombardierung einer ungeschützten, nicht direkt am Kriegsgeschehen beteiligten Stadt in Europa. Lange allerdings war das, was wir heute als historische Wahrheit betrachten, heiß umstritten: Jahrzehntelang versuchten die Hauptverantwortlichen ihre Schuld mit Fake News oder mit demonstrativen Schweigen zu verschleiern. Erst 1997 bekannte sich die Bundesrepublik Deutschland zur „schuldhaften Verstrickung deutscher Flieger“ und bat die Überlebenden und Nachkommen um Versöhnung.

Der 26. April 1937: zwischen Wahrheit und Lüge

Dass heute nahezu jeder den bis in die 1980er Jahre gebräuchlichen spanischen Ortsnamen Guernica kennt, ist in erster Linie zwei Menschen zu verdanken: dem Briten George Steer, der für die Londoner Times den Spanischen Bürgerkrieg beobachtete und die Nachricht von der Zerstörung Guernicas durch deutsche Flugzeuge in einem Aufsehen erregenden Artikel um die Welt schickte. Und Pablo Picasso, der diese Berichte zum Anlass nahm, seine Pläne für das bei ihm in Auftrag gegebene Bild für den Ausstellungspavillon der Spanischen Republik auf der Weltausstellung in Paris zu verwerfen. In nur wenigen Wochen entstand in seinem Atelier in Paris das weltberühmte Gemälde „Guernica“, das zum Antikriegszeugnis par excellance werden sollte und die Erinnerung an die Bombardierung bis heute wachhält – obschon die Hauptverantwortlichen das Geschehen über Jahrzehnte hinweg dementierten. Bereits einen Tag nach der Zerstörung behaupteten die aufständischen Truppen unter General Franco, denen die Legion Condor im Spanischen Bürgerkrieg zur Seite stand, dass die Republikaner Guernica mit Dynamit zerstört und angezündet hätten. Und auch auf deutscher Seite schien sich schon nach wenigen Tagen niemand mehr an den Lufteinsatz vom 26. April erinnern zu können.

Der lange Weg zum deutschen Schuldeingeständnis

Hintergrund dieser kollektiven Amnesie waren die sofort einsetzenden internationalen Proteste. Die Brutalität des Angriffes, der offensichtlich der Zivilbevölkerung galt, schockierte die Weltöffentlichkeit. Zudem erregte der Einsatz der deutschen Luftwaffe auf Seiten Francos angesichts des existierenden Nicht-Interventionspaktes die Gemüter. Erst nach dem Ende des Spanischen Bürgerkrieges 1939 wurde das Engagement der Legion Condor in Spanien offiziell publik gemacht und in Hitler-Deutschland als Beleg der deutschen Kriegstauglichkeit gefeiert. Über Guernica aber wurde weiter der Mantel des Schweigens gedeckt.
Zwei Faktoren begünstigten diesen Verdrängungsprozess: In Spanien verhinderte die Franco-Diktatur bis zum Tod des Diktators 1975 jede Aufarbeitung der Geschehnisse oder auch nur ein öffentliches Erinnern von baskischer Seite. In Deutschland wiederum begann die Auseinandersetzung mit den Verbrechen der deutschen Wehrmacht sehr spät. Erst als Anfang der Achtzigerjahre verstärkt Stimmen aus dem Baskenland zu vernehmen waren, die eine Versöhnungsgeste von Seiten der Bundesrepublik forderten, gelangte das Thema mehr und mehr an die Öffentlichkeit. Eine wirkliche Dynamik entwickelte sich dann, als sich die Grünen-Politiker Petra Kelly und Gert Bastian das Thema Gernika auf die Fahnen schrieben. Ihr unermüdlicher Kampf für eine Anerkennung der deutschen Schuld sorgte gemeinsam mit den 1995 im Zusammenhang mit der Hamburger Wehrmachtsausstellung einsetzenden Diskussionen um die Kriegsverbrechen der deutschen Wehrmacht für ein neues Bewusstsein. Zum 60. Jahrestag der Bombardierung 1997 bekannte sich Bundespräsident Roman Herzog in einem Grußwort an die Bevölkerung Guernicas zur deutschen Schuld und bat die Überlebenden des Angriffes um Versöhnung.

Wie das Thema ins Museum kam

Als ein Jahr später im Rahmen der Sonderausstellung „Kunst und Macht“ im Deutschen Historischen Museum das Gemälde „Schwarze Flugzeuge. Madrid 1937“ von Horacio Ferrer de Morgado gezeigt wurde, rief die künstlerische Verarbeitung der deutschen Luftangriffe Betroffenheit bei den Besuchern hervor. Am Wahrheitsgehalt aber zweifelte niemand mehr. Heute erinnert in der Dauerausstellung des Deutschen Historischen Museums ein anderes Gemälde von Ferrer de Morgado an den Einsatz der Legion Condor im Spanischen Bürgerkrieg: Die dramatische Fluchtdarstellung „Éxodo“ entstand – wie das Bild „Schwarze Flugzeuge“ und Picassos „Guernica“ – 1937 unter dem direkten Eindruck der Bombardierungen durch die deutsche Luftwaffe und wurde 1999 angekauft – zwei Jahre nachdem das Ringen um das deutsche Schuldeingeständnis sein Ende gefunden hatte.