Jagdlappen

„Zum Jagen tragen“ oder „Durch die Lappen gehen lassen“ – wussten Sie, dass diese Redewendungen aus dem Bereich der Jagd stammen und viel über die deutsche Geschichte des 18. Jahrhunderts erzählen? In unserer Reihe „Wozu das denn?“ möchten wir Sie mit auf eine kleine Geschichtsreise der Jagd nehmen und Ihnen die Redewendungen anhand besonderer Objekte aus unserer Dauerausstellung erläutern.

Fürsten, Adlige, Staatsmänner: die Faszination der Jagd vom Mittelalter bis heute

Vom hohen Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert war die Jagd auf Hoch- und Niederwild das alleinige Recht des Adels und vor allem der Fürsten. Die Jagdkultur hatte in ganz Europa ähnliche Ausprägungen. Bis heute haben sich Reste davon erhalten, so wurden in der alten Bundesrepublik große Staatsjagden unter den Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß oder Ernst Albrecht abgehalten, und im Ostblock waren Leonid Breschnew, Nikola Ceauscescu und Erich Honecker aufgrund ihrer Jagdleidenschaft für die Weiterentwicklung fürstlicher Jagden bekannt.

Zunächst diente die Jagd der Gewinnung von Nahrung, dem „Wildbret“, und der Bekämpfung von Schädlingen in der Landwirtschaft. Bald jedoch wurde sie zum Gegenstand der höfischen Repräsentation und zum Ausdruck fürstlicher Herrschaft und Souveränität. Adel und Fürsten luden sich gegenseitig zur Jagd ein und wetteiferten dabei im Aufwand. Unzählige Jagdschlösser in Deutschland zeugen von der Verbreitung der Jagd und der Berliner Tiergarten verdankt seine Existenz der Tatsache, dass der Hof bei jeder Gelegenheit das Schloss zum Jagen verließ.

Im Laufe der Jahrhunderte prägten sich unterschiedliche Arten der Jagd aus. Die „sportlichste“ Variante war die „Parforcejagd“, von der noch heute die Parforceheide zwischen dem Süden Berlins und dem Osten Potsdams zeugt. Zu Pferde und mit Hunden wurde oft stundenlang ein Wild durch die Flur gehetzt. Das Tier hatte dabei eine reelle, „waidmännische“ Chance zu entkommen und auch der Jäger konnte verletzt werden oder sein Leben verlieren. Wie der Damensattel in der Dauerausstellung zeigt, nahm auch der weibliche Adel an dieser Jagd teil.

„Durch die Lappen gehen“: Einfluss der Jagd auf die Sprache

Am anderen Ende der Chancenskala für Wild und Jäger stand das „eingestellte Jagen“ – in Deutschland weit verbreitet und auch „teutsche Jagd“ genannt –, weil es viel Gelegenheit zur höfischen Repräsentation in den größeren und auch kleineren deutschen Staaten gab. In tagelanger Vorbereitung wurde durch die fürstlichen Jagdbediensteten dafür ein ganzes Waldgebiet umgestaltet. Lappen, Netze und Tücher grenzten ein Areal ab, in das das Wild von unzähligen Treibern hinein getrieben wurde. Am Ende stand dann eine Lichtung oder ein freies Feld, auf denen Jagdschirme oder überdachte Stände errichtet wurden, in denen die fürstliche Gesellschaft das Wild erwartete. Hier konnten auch Damen „zum Jagen getragen“ werden. Treiber, Hörnerklang und Hundemeute trieben das Wild auf die Lichtung, wo es von der Jagdgesellschaft mit Gewehren erlegt wurde. Auf der Lichtung konnte das Wild dann auch „waidgerecht aufgebrochen“, um dann verspeist zu werden, wenn es nicht vorher „durch die Lappen gegangen“, also seitlich ausgebrochen und dadurch entkommen war. Das alles gab Gelegenheit für ein höfisches Fest. Dabei konnte modern anmutendes Picknickgeschirr, aber auch Weinflaschen in Form von Jagdgewehren verwendet werden, wie in unserer Dauerausstellung zu sehen ist. In unserer Dauerausstellung sind zwei Jagdlappen mit dem Wappen des Grafen von Hanau-Lichtenberg, Johann Reinhard III. (1665–1736), zu sehen. Sie geben nicht nur Aufschluss darüber, woher die Redewendung „durch die Lappen gehen“ stammt, sondern zeugen auch von den vielen kleinen deutschen Staaten im 18. Jahrhundert.

Jagdutensilien als Zeugnisse für Territorialansprüche und Erbstreitigkeiten

Die Grafschaft Hanau-Lichtenberg, gelegen im südlichen Hessen bis hinüber ins heute französische Elsass, gehörte zu den vielen kleinen selbständigen, also souveränen Ländchen, die den Flickenteppich des Heiligen Römischen Reiches ausmachten. Sie alle konkurrierten miteinander und liefen ständig Gefahr, von den größeren Nachbarländern geschluckt zu werden. Johann Reinhard III. starb als letzter Graf von Hanau-Lichtenberg ohne Erben, und um sein Ländchen stritten sich die ungleich größeren benachbarten Territorien der Landgrafen von Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt. Im Schloss Kranichstein der Landgrafen von Hessen-Darmstadt, einer der Sieger im Kampf um dieses Ländchen, überlebte ein ganzer Stapel von Jagdlappen mit dem Wappen der Grafen von Hanau-Lichtenberg. Erworben vom Deutschen Historischen Museum geben sie heute Auskunft über die Geschichte des Jagens ebenso wie über die deutsche Geschichte des 18. Jahrhunderts.