Am 11. August ist Verfassungstag! Die Weimarer Republik feiert?

 Michael Kunzel | 9. August 2019

Nationalfeiertage dienen der kollektiven Identitätsbildung. Das Deutsche Kaiserreich feierte den Kaisergeburtstag und am 2. September die Sedanfeier, die an den Sieg 1870 über Frankreich erinnerte. 1919 war das passé, die junge Deutsche Republik musste sich einen neuen Festtag wählen. Medaillen und Münzen spiegeln die Ereignisse ihrer Zeit, wie Michael Kunzel, Numismatiker am Deutschen Historischen Museum, am Beispiel der Weimarer Republik zeigt.

Am Anfang stand die Wahl!

Der 9. November 1918 besiegelte das Ende des Deutschen Kaiserreichs. Der Krieg war verloren, Kaiser Wilhelm II. ins Exil geflohen und die Republik wurde gleich doppelt ausgerufen: am Reichstag durch Philipp Scheidemann (1865-1939) die parlamentarische, am Berliner Stadtschloss durch Karl Liebknecht (1871-1919) die freie sozialistische. Tags darauf konstituierte sich als provisorische Regierung der Rat der Volksbeauftragten und beschloss den Waffenstillstand sowie Wahlen zur Nationalversammlung. Frauen waren von nun an wahlberechtigt und wählen durfte, wer das 20. Lebensjahr erreicht hatte.

Die Wahlbeteiligung war entsprechend hoch. 423 Abgeordnete, darunter 37 Frauen, errangen einen Sitz in der Nationalversammlung, die, aufgrund der unsicheren Berliner Verhältnisse, ab 6. Februar im Weimarer Nationaltheater tagte. Auch die Medailleure begleiteten die Ereignisse mit ihrer Kunst: Während Medailleur Karl Goetz (1875-1950) nun gewohnt bissig, ganz im Stil der Parlamentarismuskritik, die Sitzungen der Weimarer Nationalversammlung als die zeternder Waschweiber verspottete, sah Bildhauer Carl Ebbinghaus (1872-1950) das Ganze optimistischer; alles im ruhigen parlamentarischen Fahrwasser und begleitet vom Motto:

Im Frieden wirke nun, wie es die Zeit begehrt.
(Goethes Faust II, Kap. 54)

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Die Parlamentarier*innen erhalten für ihre Arbeit ein Andenken

Am 31. Juli 1919 wurde in dritter Lesung der Entwurf der Weimarer Verfassung angenommen. 262 Abgeordnete stimmten dafür, 75 dagegen, 84 waren nicht erschienen. Am 11. August unterzeichneten die Abgeordneten die Urkunde, die am 14. August in Kraft trat. Dieses denkwürdige Ereignis sollte in würdiger Form festgehalten werden. Die Wahl fiel auf eine Medaille, zu der Bildhauer Heinrich Waderé (1865-1950) den offiziellen Auftrag erhielt. Waderé wählte klassische Bilder von Republik und Freiheit, einen Frauenkopf und ein Liktorenbündel. Für das Porträt stand Marie Juchacz (1879-1956), Abgeordnete der SPD, Modell, die am 19. Februar 1919 als erste Frau in einem deutschen Parlament eine Rede hielt. Im Juni 1920 erhielten die Abgeordneten die bronzene Medaille mit dem Juchacz-Porträt. Kurz vor dem Höhepunkt der Inflation 1923 brachte es das Medaillenporträt sogar noch auf eine Reichsbanknote.

Die Finnische Republik fragt nach dem Deutschen Nationalfeiertag

Als sich das Finnische Außenministerium im November 1919 erkundigte, welcher Nationalfeiertag in Deutschland begangen werde, war die Debatte, ob Maifeier oder Verfassungstag, in vollem Gang. Die Entscheidung fiel 1921, der 11. August wurde als Verfassungstag zum Nationalfeiertag erkoren und „als Geburtsstunde der Demokratie in Deutschland“ gefeiert. Die Organisation der Feier lag in den Händen der Institution Reichskunstwart, seit 1921 mit Edwin Redslob (1884-1973) besetzt. War die Feier 1921 noch akademisch und bescheiden, wurden die folgenden aufwändiger mit Festsitzung und Tag der offenen Tür im Reichstag, Militärparaden, Aufmärschen, Sportveranstaltungen und Volksfesten begangen. Doch populärer wurde der Nationalfeiertag dadurch nicht.

In jeder Geldbörse eine Münze zum Verfassungstag

Münzen erreichen alle Bevölkerungsschichten, so lag die Idee nahe, zum neuen Feiertag eine Gedenkmünze herauszugeben. Mit der „Verfassungsmünze“ von 1922 konnte zugleich ein weiteres Staatssymbol, ein neuer Reichsadler, bekannt gemacht werden. Mehr als 50 Millionen Stück wurden in Umlauf gebracht, jeder bekam sie in die Hand. Allerdings verloren sie während der Inflation so stark an Wert, dass die Neuauflage für 1923 größtenteils nicht mehr ausgegeben wurde. Erst zum 10. Jahrestag der Weimarer Republik 1929 gab es neue silberne Gedenkmünzen zu drei und fünf Reichsmark, sogenannte „Hindenburgtaler“ oder „Verfassungstaler“. Ihre Gestaltung kritisierte eine Pressekampagne derart scharf, dass der beauftragte Künstler an den Auftraggeber schrieb, dass „…eigentlich nur der Freitod übrigbleibe“. In erster Linie zielte die Kampagne aber auf die liberale Kunstauffassung der Reichsbehörde und da boten die Münzen Gelegenheit zur offenen Kritik.

Sport, Eintracht der Nation

Die Weimarer Verfassung hatte alle Orden und Ehrenzeichen abgeschafft, lediglich der Sport blieb ausgenommen. Sportliche Wettkämpfe gehörten zu den zentralen Veranstaltungen am Verfassungstag, die große Teile der Bevölkerung erreichten. Die Sieger erhielten den 1924 gestifteten Ehrenpreis des Reichspräsidenten, eine der wenigen offiziellen Auszeichnungen der Republik. Als geschickter propagandistischer Schachzug erwies sich die Verbindung des Ehrenpreises mit wichtigen Ereignissen. Einen willkommenen ersten Anlass bot die im Juni 1930 erfolgte Beendigung der seit 1920 durch Frankreich und Belgien bestehenden Rheinlandbesetzung. 1931 und 1932 waren es die reichsweiten Feiern zu den 100. Todestagen der großen Deutschen, des Reformers Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr von und zum Stein (1757-1831) und des Dichters Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832).

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Epilog

Feiern, Münzen und Ehrenpreise konnten die Akzeptanz des Nationalfeiertages nur partiell erhöhen. Ein reichsweit gesetzlicher Feiertag wurde der Verfassungstag am 11. August nie. Jeder Versuch, dem Tag Gesetzeskraft zu verleihen, scheiterte am parlamentarischen Rechtsausschuss. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wurden 1. Mai, Erntedank und Volkstrauertag gesetzliche Feiertage.

Literatur

• Rößner, Alf: Demokratie aus Weimar. Die Nationalversammlung 1919, Weimar 2015.
• Schellack, Fritz: Nationalfeiertage in Deutschland von 1871 bis 1945, Frankfurt/Main u.a. 1990.
• Steguweit, Wolfgang u.a.: Die Medaille und Gedenkmünze des 20. Jahrhunderts in Deutschland (Die Kunstmedaille in Deutschland 14), Berlin 2000.
• Welzbacher, Christian: Der Reichskunstwart. Kulturpolitik und Staatsinszenierung in der Weimarer Republik 1918-1933, Weimar 2010.
• Würtenberger, Thomas: Symbole der Freiheit. Zu den Wurzeln westlicher politischer Kultur, Wien u.a. 2017.