Ins Schwarze getroffen?

Redewendungen rund um die Armbrust

Sandra Marquardt | 12. November 2019

„Bei Gott! der Apfel mitten durch getroffen!“
– Gessler in Wilhelm Tell. Ein Schauspiel von Friedrich von Schiller (1804).

Hier hat also Wilhelm Tell sprichwörtlich ins Schwarze getroffen, als er vom Landvogt Gessler dazu gezwungen wurde, mit der Armbrust einen Apfel vom Kopf seines Sohnes zu schießen. Die Herkunft dieser Redewendung ist im Schützenwesen zu suchen, denn mit dem Schwarzen ist das Zentrum einer Zielscheibe gemeint. Welche weiteren mittelalterlichen Redewendungen im deutschen Sprachgebrauch mit dem Armbrustschießen zusammenhängen, erklärt Sandra Marquardt, Sammlungsvolontärin und Projektassistentin der Ausstellung „Die Armbrust – Schrecken und Schönheit“.

Oft verwenden wir im Alltag Redewendungen wie „weit gefehlt“, „den Bogen überspannen“ oder „ins Schwarze treffen“ ohne ihre ursprüngliche Bedeutung zu kennen. Die Herkunft solcher Redewendungen ist häufig nicht eindeutig, sodass sich oft verschiedene Hypothesen um deren Ursprung ranken können. Wörtlich können wir sie meist nicht nehmen, denn dies würde oft nicht die Absicht des Sprechers wiedergeben. Es handelt sich vorwiegend um feste Wendungen, die meist auf einer bildhaften Grundlage basieren und praktische Lebensweisheiten anschaulich zum Ausdruck bringen können.

Die genannten Redewendungen stammen aus dem Schützenwesen, wie aktuell in unserer Ausstellung „Die Armbrust – Schrecken und Schönheit“ deutlich wird. Weit gefehlt bedeutet in diesem Zusammenhang, dass ein Schütze sein Ziel nicht getroffen oder eben „verfehlt“ hat. Heutzutage bedeutet dies jedoch auch, dass jemand falsch liegt oder bei etwas zu weit geht. Wer den Bogen überspannt, übertreibt in der Regel ebenfalls etwas. Wird die Redensart wortwörtlich betrachtet, wird seine Herkunft preisgegeben: Eine zu hohe Zugkraft beim Spannen der Sehne konnte zum Brechen des Bogens führen, was insbesondere bei stählernen Armbrustbögen mit einer sehr hohen Verletzungsgefahr einherging.

Bogenbruch bei der Vogeljagd. Abbildung Nr. 34 aus dem Theuerdank. Augsburg, 1519 © DHM

Bogenbruch bei der Vogeljagd. Abbildung Nr. 34 aus dem Theuerdank. Augsburg, 1519 © DHM

Den Nagel auf den Kopf treffen hat denselben Ursprung wie die Redewendung ins Schwarze treffen: Wird sie wortwörtlich genommen, so lässt sie vermuten, dass ein Zimmermann beim Hämmern den Nagel auf den Kopf treffen sollte, und nicht seinen Daumen. Doch auch sie stammt vermutlich ursprünglich aus dem 16. Jahrhundert und geht auf das Schützenwesen zurück. Auf historischen Schießscheiben befand sich in der Zielscheibenmitte ein Nagel. Er diente zur Hängung, war aber auch das eigentliche Ziel. Prallte der geschossene Pfeil oder Bolzen ab, so hatte der Schütze „den Nagel auf den Kopf getroffen“ oder eben auch „ins Schwarze“.

Halbe Rüstung wohl vom Schützenkönig Ulrich Krell aus Sachsen (Dresden), 1570-1580 © DHM

Halbe Rüstung, wohl vom Schützenkönig Ulrich Krell aus Sachsen (Dresden), 1570-1580 © DHM

Ein Faksimile von einem Vogelschießen in Dresden (1660) verdeutlicht die Herkunft der Redewendung den Vogel abschießen. Zu erkennen ist ein hölzerner Vogel, auf den Armbrustschützen zielen und diesen Stück für Stück herunterschießen. Gewinner ist derjenige, der am Ende das letzte verbliebene Stück trifft – er schießt den Vogel ab.

Vogelschießen in Dresden 1660 (Nachdruck 1906), Leihgeber: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Kartenabteilung

Vogelschießen in Dresden 1660 (Nachdruck 1906), Leihgeber: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Kartenabteilung

Der Verlierer schoss leider nur den Bock ab. Der schlechteste Schütze bekam einen Trostpreis, der aus Naturalien bestand. Dies konnte ein Ziegenbock sein.