5 Fragen an: Anna-Maria Gogonjan

9. Dezember 2021

Das Zeughaus des Deutschen Historischen Museums wird saniert und die Dauerausstellung „Deutsche Geschichte vom Mittelalter bis zum Mauerfall“ abgebaut. Gleichzeitig arbeitet das DHM an einer neuen Ständigen Ausstellung – ein Großprojekt, das das gesamte Museum betrifft. In der Interview-Reihe „5 Fragen an…“ kommen Mitarbeitende aus verschiedenen Abteilungen zu Wort und berichten von ihren Erinnerungen an die frühere Dauerausstellung und derzeitigen Erlebnissen. Auch Registrar Anna-Maria Gogonjan gewährt einen Einblick in ihren Aufgabenbereich.

Liebe Frau Gogonjan, die Dauerausstellung ist seit Ende Juni geschlossen. Gab es für Sie ein Objekt oder einen Bereich in der Ausstellung, mit dem Sie, trotz Ihrer kurzen Zeit am DHM, eine besondere Erinnerung oder Geschichte verbinden?

Anna-Maria Gogonjan: Im letzten Abschnitt der Ausstellung zur deutschen Teilung war ein DDR-Wohnzimmer nachgestellt. Was für mich die große Überraschung daran war, dass der Rahmen dafür ein echtes Plattenbauteil aus Marzahn bildete. Ich bin selbst ein Plattenbaukind aus Hellersdorf und hätte nie erwartet, dass ein Museum auch so etwas sammeln kann. Gerade heute gibt es viele Assoziationen und Stereotypen, die mit der Platte verbunden sind.

Rekonstruktion einer Wohnzimmereinrichtung mit höhenverstellbaren Couch- und Esstisch (DDR um 1975) in der Dauerausstellung „Vom Mittelalter bis zum Mauerfall“ im Zeughaus © DHM

Was stellt für Sie die größte Herausforderung beim Abbau der Dauerausstellung dar? Was passiert mit den Exponaten und insbesondere mit den Leihgaben?

Die größte Herausforderung ist, schlicht und ergreifend den Überblick zu behalten. Denn mit der Entnahme der Exponate von den Wänden und aus den Vitrinen allein ist es nicht getan. Das DHM hat drei verschiedene Depot-Standorte in Berlin, wo die Objekte unserer elf verschiedenen Sammlungsbereiche untergebracht sind. Aber die Exponate können nicht einfach in Umzugskartons gepackt werden, da es sich um wertvolles Kulturgut handelt. Professionelle Kunstpacker verpacken also jedes einzelne Objekt sorgfältig, sodass es perfekt geschützt ist. Damit nichts durcheinander kommt und wir immer wissen, wo sich welches Objekt im Augenblick befindet, ist sehr viel Organisation und Disziplin gefragt. Dank des wundervollen ausstellungserfahrenen Teams ist uns das sehr gut gelungen.

Zum Ablauf: Wir entnehmen die Objekte nach Materialgruppen. Das bedeutet, dass pro Ausstellungsbereich die neun Restaurierungsabteilungen mit Unterstützung von externen Museumstechniker*innen Exponate entnehmen, protokollieren und verpacken. Die kleinformatigen 3D-Objekte aus Holz, Metall, Glas und Keramik sowie Gemälde werden von Kunstpackern verpackt. Viele Objekte benötigen auch speziell angefertigte Transportkisten oder Transportrahmen. Andere Objektgruppen, z.B. Papierobjekte, Plakate oder Bücher werden ausschließlich von den Restaurator*innen verpackt. Ich habe mit der anderen Registrar im Projekt, Nina Bätzing, anschließend die Transporte in die Depots organisiert. Ich war für die Absprachen mit der Kunstspedition zuständig und meine Kollegin für die Umfuhren mit dem LKW des DHM, der von den Depotwarten gefahren wird.

In der Dauerausstellung waren außerdem 172 Leihgaben ausgestellt. Die aufwendige Korrespondenz mit den Leihgebern sowie die Entnahme, Verpackung und die Transportorganisation werden von den Registrars der Wechselausstellung betreut.
Ein paar Objekte wurden im Vorfeld als Leihgaben für Wechselausstellungen von anderen Museen angefragt. Diese mussten im Rahmen des Abbaus gesondert durch die Registrar für den ausgehenden Leihverkehr betreut werden.

Eine weitere Herausforderung stellen die Schwerlastobjekte dar, die nicht ohne Weiteres entnommen, verpackt und transportiert werden können. Das betrifft insgesamt 20 Objekte. Das Abheben von den Podesten bedarf der besonderen Unterstützung durch eine Firma, die auf den Transport von Schwerlast spezialisiert ist und besondere Kräne und Lifte zur Verfügung stellen und bedienen kann. Da Objekte wie z.B. ein Auto der Firma der Maurer-Union oder die Bockdampfmaschine im Obergeschoss ausgestellt sind, muss ein spezieller Treppenlift gebaut werden, um sie über die Freitreppe in das Foyer des Zeughauses zu bringen und auf den LKW bzw. Tieflader laden zu können. Ich bin äußerst dankbar dafür, dass diese Organisation die Leiterin der Restaurierung übernommen hat.

Abtransport des Automobil "Maurer Union" mit dem Treppenlift © DHM

Um eine Größenvorstellung von der Ausstellung zu erhalten: Wie viele Objekte bzw. wieviel Masse an Geschichte (Kubikmeter) wurden mit dem Abbau der Ausstellung bewegt?

Zu Beginn des Abbaus befanden sich ca. 5.500 Objekte in der Ausstellung. Allerdings sind in dieser Zahl nicht die Faksimiles und Repros enthalten. Das entspricht ungefähr 70 LKW-Ladungen (ohne Anhänger).

Sie sind eigens für den Abbau der DA an das DHM gekommen. Haben Sie vorab ähnliche Projekte betreut? Was macht dieses Projekt so besonders und werden Sie auch an der Neueinrichtung beteiligt sein?

Ich war vorher beim Jüdischen Museum Berlin. Dort habe ich erst als studentische Hilfskraft beim Abbau der alten Dauerausstellung mitgewirkt und dann bei der Einrichtung der neuen Dauerausstellung als zweite Registrar im Projekt gearbeitet. Die Dauerausstellung des DHM war in der Fläche und der Objektzahl allerdings doppelt so groß wie die des Jüdischen Museums.

Auf der einen Seite ist es natürlich der Umfang an Objekten, auf der anderen Seite sind es aber auch der historische Hintergrund und die teilweise gigantischen Dimensionen der Objekte, die das Projekt besonders machen. Voraussichtlich werde ich auch bei der Planung und Vorbereitung der neuen Dauerausstellung beteiligt sein und bin schon sehr auf den Aufbau gespannt. In der Zwischenzeit werden viele Kolleg*innen, mit denen wir abgebaut haben, in den Ruhestand gehen, weshalb sich auch das Team verändert.

Gibt es etwas, was Sie relevant für die neue Ständige Ausstellung finden?

Beim Abbau haben wir gemerkt, wie wichtig es ist, gut an die Objekte heranzukommen. Das heißt, dass die Vitrinen und Ausstellungseinbauten leicht zu handhaben sein müssen, ansonsten benötigt man sehr schweres Gerät und spezielle Werkzeuge, die teuer und nur durch externes Personal zu bedienen sind.