> Die Enteignung von Max Reinhardt

Rückblick: Die Enteignung von Max Reinhardt

Schloss Leopoldskron, am südlichen Stadtrand von Salzburg gelegen, stammt aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Es wurde vom Salzburger Erzbischof Leopold Anton Graf von Firmian erbaut und blieb bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts im Besitz der Familie von Firmian. Dann folgte ein knappes Jahrhundert ständiger Besitzerwechsel und baulicher Veränderungen. Als Max Reinhardt im Juli 1918 Leopoldskron, den angrenzenden Meierhof, den Weiher und umliegende Parkflächen erwarb, war das Schloss in einem baufälligen Zustand. Über Jahre sich hinziehende, umfassende Renovierungs- und Ausstattungsarbeiten machten aus Leopoldskron jedoch eine barocke Kulisse für die Theater- und Selbstinszenierungen des berühmten Regisseurs. Zahllose Kunstwerke und antike Möbel, die zum Teil aus dem ursprünglichen Schlossinventar, zum Teil aus Reinhardts bereits in Berlin zusammengetragener Kunstsammlung stammten, schmückten das Schloss.

Unmittelbar nach dem „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich kam es vor allem in Wien zu zahlreichen Plünderungen von großen Kunstsammlungen prominenter, jüdischer Sammler durch die Gestapo. Zum Teil wurden diese Kunstwerke zur eigenen Verwendung genutzt, zum Teil bei den großen Wiener Auktionshäusern zur Versteigerung eingeliefert. Auf Max Reinhardts Besitz griff die Gestapo in Salzburg am 16. April 1938 mit einer Beschlagnahme- und Einziehungsverfügung zu. Ende April wurde die Beschlagnahme von Leopoldskron im Grundbuch eingetragen. Es war eine der ersten umfassenden Enteignungen eines jüdischen Bürgers durch das NS-Regime in Österreich. Reinhardt erfuhr davon aus den amerikanischen Zeitungen. Er hielt sich bereits seit Herbst 1937 in den USA auf, um dort die Realisierung mehrerer Theaterinszenierungen vorzubereiten, und wurde vom Einmarsch der deutschen Wehrmacht in sein Heimatland und dessen Annektierung überrascht. 

Nicht nur das Leopoldskroner Anwesen war von der Beschlagnahme betroffen, sondern auch das gesamte bewegliche Inventar von Schloss, Meierhof und Park. Die am 26. April 1938 im Deutschen Reich ergangene „Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden“ wurde bereits auf das österreichische Staatsgebiet angewendet. Da die eigentlichen Hausherren abwesend waren, hatte die Haushälterin von Leopoldskron die Anmeldelisten über die gesamte bewegliche Habe anzufertigen. Den angemeldeten und beschlagnahmten Kunstwerken – Gemälde, Skulpturen, Möbel und wertvolle Gobelins – wurde vorwiegend dekorativer Wert zugestanden, sie verblieben an ihrem angestammten Platz. Die Buchbestände aus der Bibliothek wurden jedoch entnommen und sollten der Studienbibliothek Salzburg einverleibt werden. 

Die Einziehung von Leopoldskron erfolgte ohne gesetzliche Grundlage. Erst ein Dreivierteljahr später, am 18. November 1938, erließ die Reichsregierung die „Verordnung über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens im Lande Österreich“. Alle davor stattgefundenen, von der Gestapo anstelle der nun zuständigen Gauleitung durchgeführten und streng genommen illegalen Beschlagnahmen, waren „im Sinne dieser Verordnung“ zu betrachten und somit nachträglich legalisiert. 

Im November 1938 wurde eine kleinere Anzahl von Kunstgegenständen, die nicht von besonderem Interesse waren und als „persönlicher“ Besitz von Max Reinhardt und seiner Frau betrachtet wurden, zusammen mit dem üblichen Hausrat als Umzugsgut freigegeben. Diese Gegenstände traten zu Beginn des Jahres 1939 auf dem Seeweg die Reise zu Max Reinhardt und seiner Ehefrau Helene Thimig (1889-1974) nach Hollywood, Kalifornien an. 

In Salzburg selbst waren im Verlauf der folgenden Jahre über 300 Bürger von Vermögenseinziehungen und Enteignungen betroffen. Allerdings stellt Schloss Leopoldskron insofern eine Ausnahme dar, dass die Salzburger Behörden ursprünglich nur sehr begrenzt involviert waren. Dass die Beschlagnahme wohl auf Initiative von höchsten Regierungsstellen in Berlin durchgeführt wurde, hat sicherlich mit der Prominenz des Besitzers, aber auch mit den Plänen für die weitere Verwendung des Anwesens zu tun. 

Denn Schloss Leopoldskron wurde ab Juni 1938 vom nationalsozialistischen Regime als Herberge für internationale Gäste aus verbündeten Staaten und als eine Art „politischer Salon“ genutzt. Zu dieser Zeit fungierte Stephanie von Hohenlohe als Hausherrin auf Leopoldskron. Sie war die Tochter eines jüdischen Wiener Rechtsanwaltes und noch vor dem Ersten Weltkrieg durch Heirat in den österreichisch-ungarischen Adel aufgestiegen. Trotz ihrer familiären Herkunft genoss sie in der Führungselite der NSDAP und auch bei Adolf Hitler große Sympathien und Unterstützung für ihre Aktivitäten auf Schloss Leopoldskron. 

Doch bereits im Februar 1939 endete die Ära Hohenlohe aufgrund von Zweifeln an ihrer politischen Loyalität. Dem Gau Salzburg wurden vom Reichsstatthalter Arthur Seyß-Inquart in Wien zunächst die Nutzungsrechte an Leopoldskron eingeräumt. Fortan diente das Schloss als Wohnung für wechselnde Mieter wie zum Beispiel dem Salzburger Gauleiter Friedrich Rainer oder dem Direktor des Mozarteums Clemens Krauss, als Gästehaus für regimekonforme Künstler und diplomatische Vertreter aus dem Ausland sowie als exklusive Räumlichkeit für Konzertveranstaltungen. Erst im Jahr 1940 wurden das Eigentum an Schloss Leopoldskron, den umliegenden Gebäuden und Ländereien dem „Reichsgau“ Salzburg endgültig übertragen.

Rückstellung und Verkauf 

Nach Ende des Krieges wurde Leopoldskron zunächst von der US-Armee als Offiziersunterkunft requiriert. Verschiedene höhere Ränge quartierten sich dort ein oder entnahmen Möbel und Kunstwerke, um damit Wohnungen in Salzburg auszustatten. 

Max Reinhardt selbst sah sein Salzburger Domizil nie wieder. Er starb im Oktober 1943 in New York an den Folgen eines Schlaganfalls. Seine Witwe Helene Thimig kehrte sehr bald nach Kriegsende in ihre Heimatstadt Wien zurück. Nachdem sie zur Nachlassverwalterin ihres verstorbenen Mannes eingesetzt worden war, beantragte sie im Jahr 1947 die Rückstellung von Schloss und Anwesen Leopoldskron. Nach einem mehrjährigen Verfahren wurde Schloss Leopoldskron 1950 ihr und den beiden Söhnen Reinhardts aus erster Ehe, Wolfgang und Gottfried, restituiert. 

Mitte der 1950er Jahre kehrten auch die Söhne von Max Reinhardt nach Europa zurück. Wohnen wollte oder konnte aber keiner von ihnen mehr in dem Salzburger Schloss. Nach längeren Verhandlungen verkauften Reinhardts Erben das Schloss und Anwesen Leopoldskron im Jahr 1956 an eine amerikanische Nichtregierungsorganisation.

Heike Krokowski
7. Juli 2022

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