> Werner Viehs: Bei der Kriegsmarine auf Norderney 1942-1944

Werner Viehs: Bei der Kriegsmarine auf Norderney 1942-1944

Dieser Eintrag von Werner Viehs (*1924) aus Bad Homburg (werner@viehs.de) von März 2011 stammt aus dem: Biografie-Wettbewerb Was für ein Leben! Der Text ist ein Auszug aus dem Buch: "Mein Jahrhundert"

/lemo/bestand/objekt/viehs_005 In der Regel wurde man Ende 17 ½ Anfang 18-jährig ein ¾ bis 1 Jahr zum Arbeitsdienst eingezogen. Anschließend kam man nahtlos zum Militär. Der Arbeitsdienst war zu dieser Zeit meist in Russland und das anschließende Militär war meist die Infanterie in Russland. Warum Ortswechsel, man kannte sich ja schon aus. Johannes, mein junger Onkel war bei der Kriegsmarine. Er fuhr auf dem Schlachtschiff 'Scharnhorst'. Er war schon bei verschiedenen Einsätzen, war Bootsmaat und hatte das Eiserne Kreuz 2. Klasse und das Flotten-Abzeichen. 1941 wurde nach Bedarf und Aussehen eingezogen. Aufgrund des Typs und meiner Größe hätte es, ohne mein zutun, auch die SS werden können. Man wäre einfach eingeteilt worden! Liebe Politiker, ich weiß, sie sind "gefährdet", wenn sie einen Soldaten-Friedhof besuchen, auf dem ein SS-Soldat liegt. Aber so einfach war es, in die SS oder / und auf den Friedhof zu kommen.

Ich beugte vor. Ich glaube, Johannes hat ungewollt noch dazu beigetragen. Er war 1941 als Marine-Ehrenformation zur Beerdigung des Admirals von Trotha in Berlin, wo ich mit meinenEltern wohnte. Zu dieser Zeit stand er auch Ehrenwache am Ehrenmal "Unter den Linden". Ich meldete mich freiwillig zur Kriegsmarine. Bevor ich von Berlin nach Bergen op Zoom in den Niederlanden fuhr, machte ich noch eine Woche Ferien im Rheinland. Ich fuhr dann später über Maastricht an mein Ziel. Meine Freunde kamen kurz danach zum Arbeitsdienst nach Russland und anschließend zur Infanterie nach Russland. Ich wurde von deren Eltern bedauert, dass ich schon so jung beim Militär war. Der eigene Junge kam ja erst zum weniger gefährlichen Arbeitsdienst. Was man nicht wissen konnte war, dass ich 2 Jahre auf Marine- Schulen ausgebildet wurde. Meine Freunde lagen nach einem Jahr schon im Schützengraben in Russland. Der eine ist nicht mehr zurück gekommen, der andere kam nach Jahren der russischen Gefangenschaft heim.

Es war eine infanteristische Ausbildung in Bergen op Zoom, wie sie in ihrer Gründlichkeit nur bei der Marine war. Die Marine legte Wert auf das wortgetreue Lernen der vielen Themen, die wir 'Marine-Rees' nannten. Wir lernten uns als Soldaten zu benehmen und zu bewegen. Zum Ausgang trugen wir einen kurzen Marinedolch rückseitig am umgeschnallten Koppel befestigt. Ausgang gab es nur zu Zweit. Ich war noch keine 18 Jahre alt ... ein junges Milchgesicht.

Es gab auch Lokal-Kontrollen. Wir waren kriegsmäßig mit Stahlhelm, Gewehr, Pistole und Handgranaten ausgerüstet. Zu zweit blieben wir meist mit Gewehr im Anschlag an der Tür stehen, während der Offizier mit einem Mann die Kontrolle ausführte. Wir kleinen unerfahrenen Jungen hatten doch mehr Angst als die, die kontrolliert werden sollten. Ich sehe noch die bösen Gesichter. Was wäre geschehen, wenn...............?

/lemo/bestand/objekt/viehs_006 Wir gehörten zur Steuermanns-Laufbahn (3), d.h. es stand viel Schulung mit schnellem Weiterkommen bevor. Allerdings kurz vor der Abkommandierung wurden wir zur Laufbahn 14 = Marine-Artillerie, nach Norderney versetzt. Es war eine 8,8 cm Batterie von 3 (später 4) Geschützen und einem Drei-Walzen-Leitstand. Die nächtlichen Bomben-Flüge der Engländer häuften sich. Wir konnten schon an den Routen ungefähr erkennen, wo es hin ging. Die erste Meldung von einer der holländischen Inseln oder einem Vorpostenboot war: "Feindverbände oder Motorengeräusche nördlich Terschelling" oder "....nördlich Schiermonnikoog" oder "....nördlich Norderney". Wir standen fast jede Nacht am Geschütz.

Das Essen war im Allgemeinen bei der Marine sehr gut. Aus einem geschossenen Seehund wurde für jeden ein Extrastück Seife. Zwischen Norddeich und Norderney machten wir ein Langstrecken-Schwimmen. Dick wurde sich mit Geschützfett eingeschmiert. Wer es schaffte, bekam Sonderurlaub. Ca. ¾ der Strecke schaffte ich und gab nach 5 Stunden auf. Ergebnis: 1 Flasche Bolz-Likör und rote Augen vom Salzwasser. Hier hätte man (vielleicht) den Krieg unbeschadet zu Ende bringen können. Doch plötzlich waren die Engländer und Amerikaner auch am Tage da. Die "Sauhunde" flogen ca. 9 bis 10 tausend Meter hoch, somit waren sie am Rande oder außerhalb unserer Reichwerte. Die 10,5 cm vom Inselteil Dovetief hatten größere Chancen, denn sie kamen ca. 1.000 m höher als unsere 8,8 cm. Die leichte Flak (2 cm und 3,7 cm) kam nur auf 2 - 3.000 m und war unser Schutz bei Direkt-Angriffen. Die Amerikaner flogen in gestaffelten Formationen über uns, als wenn es uns nicht gäbe. Von unseren Jägern haben wir im letzten Jahr nicht mehr all zu viel gesehen.

"Wo hat Herr Meier denn seine Jäger ?" (Göring hatte vorher mal übereilt gesagt, dass er Meier heißen will, wenn der Engländer am Tage zu uns käme.) "Der Dickwanst hat nur eine große Klappe. Mit den Schlips-Soldaten (gemeint ist die Luftwaffe) ist sowieso nichts los" Zwischen den verschiedenen Wehrmachtsteilen (Heer, Luftwaffe, Marine) war "getrennte Kasse". Die Luftwaffe, besonders aber die Marine hortete ihre Elite-Truppe. Wenn der Kopf nicht unter dem Arm war, wurde man beim Heer noch gezogen. Bei der Marine waren nur junge Kerle, gesund, mindestens 1,75 m groß, erste Tauglichkeitsgrade. Großadmiral Dönitz gab von der Marine (möglichst) keinen ab.

Wir machten unseren Dienst wie immer. Neben Geschützdienst kamen auch Infanterie-, Zeug- und Ordnungs-Dienst nicht zu kurz. Es hielt sich alles im Rahmen. Jeder hatte durchschnittlich 4 Stunden "Ausguck" pro Tag. Der Himmel war in Beobachtungssektoren eingeteilt. Wir, das dritte Geschütz, hatten den Bereich nach Westen. Da waren links die Dünen, … wenn man Glück hatte, im Sommer mit paar schönen Mädchen drin, …. die Strandpromenade mit Kaffee Cornelius, …..rechts die See mit seinem Zuteilwinkel. Mit dem Fernrohr suchten wir den Himmel nach Flugzeugen ab.

/lemo/bestand/objekt/viehs_007 Wir erwischten sie auch. Hiervon zeugen die vielen Fotos in meinem Album. Dafür gab es dann vom 'Gamaschen- Schlitz paar E.K.II. Unser Inselkommandant war Korvetten-Kapitän Schlitz, der meist Gamaschen trug und daher seinen Spitznamen hatte. "Kameraden guckt mal, ich habe euch was mitgebracht", dann hielt er die 'EK' hoch. Sie wurden nach einem anteiligen Punkte-System verteilt. …. Oder wie wir sagten: " … nach Zugehörigkeit, Nase und Augenfarbe." Begehrt war auch das Marine-Flak-Abzeichen, mit einem Verteiler-Schlüssel wie vor. Ich erhielt meine Auszeichnungen durch General-Admiral Friedeburg im September 1944 in Ergänzung anderer Ereignisse.

Für mich kam mit dem neuen Jahr 1944 der Abschied von Norderney. Über Biaritz / Südfrankreich und Cuxhaven kam ich zur 2. U-Boots-Lehr-Divisionnach auf die Wilhelm Gustloff nach Gotenhafen.

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