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Dass der Kampf um körperliche Selbstbestimmung in Deutschland längst nicht vorbei ist, zeigte sich zuletzt im Streit um den § 219a des Strafgesetzbuches, der öffentliche Informationen zum Schwangerschaftsabbruch verbot und die Ärztin Kristina Hänel 2017 zu einer Geldstrafe nötigte. Als am 24. Juni 2022 nach erfolgreicher Verfassungsklage die Abschaffung des Paragraphen gefeiert wurde, hob der Supreme Court in den USA am gleichen Tag das verfassungsmäßige Recht auf Abtreibung auf. Die fatalen Auswirkungen sind bereits in 13 Bundesstaaten zu spüren, was in direkter Folge auf die angrenzenden Staaten zurückschlägt. Auch östlich der Oder, in Polen, werden reproduktive (Menschen-)Rechte weiter eingeschränkt. Nach Änderung der entsprechenden Gesetzeslage drohen der Menschenrechtsaktivistin Justyna Wydrzyńska aktuell drei Jahre Haft wegen „Beihilfe zum Schwangerschaftsabbruch“. Dass eine Abtreibung auch in Deutschland offiziell unter Strafe steht und nur durch die Fristenlösung mit Beratungspflicht und Indikationsregelungen legal möglich ist, ist seit Einführung des Paragraphen 218 im Jahre 1871 ein Dauerthema der feministischen Bewegung.

Die Geschichte dieses Kampfes schlägt sich auch in der deutschsprachigen Filmgeschichte nieder, woran die Retrospektive ob kinder oder keine – Schwangerschaftskonflikt im deutschen Film erinnert. Von der Frauen- und Sexualreformbewegung in der Weimarer Republik und der Bundesrepublik, über die Erfindung der Anti-Baby-Pille und der Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs in der DDR, zeichnen die Filme Kontinuitäten und Brüche dieser Entwicklungen bis in die heutige Zeit nach. Oft eint die Filme ein interventionistischer Anspruch und der Wunsch, auf öffentliche Debatten und Diskurse Einfluss zu nehmen. Wurde vor allem ab den 1970er Jahren das Modell der bürgerlichen Kleinfamilie, ihre beschränkenden Konventionen und patriarchalen Machtstrukturen zunehmend in Frage gestellt, zeigt sich in späteren Filmen die Frage nach dem Kinderkriegen meist auf individueller Ebene.

ob kinder oder keine lädt dazu ein, diese gesellschaftlichen Entwicklungen nachzuvollziehen. Der Titel der Reihe nimmt Bezug auf den virulenten Slogan der Neuen Frauenbewegung, „ob kinder oder keine, entscheiden wir alleine“, und greift die Forderung nach reproduktiver Selbstbestimmung auf. In wiederkehrenden Situationen werden wir den unterschiedlichen, auch staatsformabhängigen Argumentationsmustern und Zwangslagen gewahr, denen sich die Betroffenen ausgesetzt sehen. So geraten diese nicht nur in juristische und ethische Konflikte, sondern befinden sich meist in ökonomischen wie sozialen Not- und Schieflagen. Die Entscheidung für oder wider eine Schwangerschaft bleibt so auch bei legalen Abbrüchen keine leichtfertige Entscheidung. (Mathias Barkhausen, Fiona Berg)

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