Seit dem Fall der Mauer hat sich in der 
                Lebensplanung der Menschen in den neuen Ländern vieles verändert. 
                Von erdrutschartigen Verschiebungen berichtet die Presse: 1991 
                war die Zahl der Eheschließungen in der ehemaligen DDR, 
                verglichen mit 1989, um über sechzig Prozent zurückgegangen, 
                die der Geburten um fast die Hälfte und die der Ehescheidungen 
                gar um über 80 Prozent! Was hier sichtbar wird, ist mehr 
                als nur das Resultat regionaler Abwanderung und der ökonomischen 
                Krise in den neuen Bundesländern. Die Lebensplanung scheint 
                aus den Fugen geraten zu sein. Die alten Orientierungen bestehen 
                nicht mehr; neue haben sich noch nicht stabilisiert. Psychologen 
                sprechen deshalb von "kritischen Lebenssituationen", 
                die die gesamte Bevölkerung der neuen Länder kennzeichnen.
              Mit dem Ende der DDR ist die Sicherheit 
                des Lebensweges geschwunden; das wird von den ehemaligen DDR-Bürgern 
                immer wieder als schmerzlicher Verlust beklagt. Alles sei unsicher 
                geworden, alles gerate in die Turbulenzen des gesellschaftlichen 
                Umbruches. Um so mehr wird der eigene Lebensweg vor 1989 rückblickend 
                als überschaubar, geordnet, gesichert und schließlich 
                insgesamt als positiv bewertet.
              Der Verlust von 
                Verbindlichkeiten, Orientierungsmustern und kollektiven Konventionen 
                macht - so die Schlußfolgerung - die beeinflußbaren 
                Lebensstationen heute zum Wagnis: Was gewinne oder verliere ich 
                mit der Heirat, der Mutter- und Vaterschaft, der Scheidung oder 
                dem Festhalten am alten Wohnort, wenn ein Arbeitsplatz nur weit 
                entfernt zu haben ist?
              Wie hatte es 
                in der DDR zuvor ausgesehen?
                Es wurde viel geheiratet, und es wurde früh geheiratet. 1989 
                lag das durchschnittliche Heiratsalter für Frauen bei 23 
                Jahren (1971 sogar bei 21 Jahren); für Männer betrug 
                es 25 Jahre (1971 23 Jahre). Nur wenige heirateten jenseits der 
                dreißig zum ersten Mal.
              Zugleich wurde 
                rund ein Drittel aller Kinder unehelich geboren. Dieser Anteil 
                ist 1991 sogar auf über 40 Prozent gestiegen. Auf hundert 
                Geburten entfielen in den achtziger Jahren mehr als 40 Schwangerschaftsabbrüche 
                - ein Wert, der auch nach der "Wende" konstant blieb.
              Seit den siebziger 
                Jahren gab es, ähnlich wie in der Bundesrepublik, die Tendenz 
                zur Zwei-Kinder-Familie, seit den achtziger Jahren zur Ein-Kind-Familie. 
                Die meisten Frauen brachten ihre Kinder zwischen dem 20. und dem 
                25. Lebensjahr zur Welt. Das wurde durch das Konzept der Sozialpolitik 
                gestützt, das auf die Vereinbarkeit von Berufstätigkeit 
                und Mutterschaft ausgerichtet war. Nach dem 25. Lebensjahr war, 
                wie die Demographen es ausdrücken, die "generative Phase" 
                im allgemeinen abgeschlossen.
              Die DDR-Bürger 
                gehörten weltweit zu den scheidungs"freudigsten" 
                Eheleuten. In den achtziger Jahren wurde jede zweite Ehe geschieden; 
                die meisten Scheidungen wurden unterhalb der Schwelle zum 30. 
                Lebensjahr vollzogen. Etwa ein Drittel aller geschiedenen Ehen 
                überstand nicht das vierte und die Hälfte nicht das 
                siebte Ehejahr.
              Nicht nur bezogen 
                auf Eheschließung, Geburten und Scheidung läßt 
                sich ein insgesamt recht einheitlicher Lebenslauf für die 
                Menschen in der DDR ausmachen. Fast alle Kinder gingen in die 
                Krippe bzw. den Kindergarten, wurden Jung- sowie Thälmannpioniere 
                und Mitglieder der FDJ. Fast alle nahmen an der Jugendweihe teil, 
                der wohl wichtigsten Station für die Jugend in der DDR-Gesellschaft. 
                Das Arbeitsleben war durch die Sicherheit des Arbeitsplatzes bestimmt; 
                mehrfacher Arbeitsplatzwechsel war die Ausnahme und galt als sozial 
                anrüchig. Die Lebensstationen waren mithin recht vorausschaubar.
              Die atheistische 
                Staatsdoktrin bestimmte in mehrfacher Hinsicht die Zäsuren 
                im Leben der DDR-Bürger. Zwar blieb das offiziell als Ersatz 
                für die Taufe vorgesehene Fest der "Namensweihe" 
                bedeutungslos und wurde von der Bevölkerung nicht angenommen. 
                Die Jugendweihe jedoch, Mitte der fünfziger Jahre eingeführt, 
                konnte sehr schnell die Konfirmation verdrängen. Das Festhalten 
                an diesem Fest nach der "Wende" zeigt, wie erfolgreich 
                die Schaffung dieses Rituals des Erwachsenwerdens bis heute ist. 
                Die sozialistische Eheschließung ersetzte zumeist die kirchliche 
                Trauung. Aber der standesamtliche Vorgang geriet häufig zum 
                sakralen Akt; die Braut ließ sich oft im langen weißen 
                Kleid mit Schleier trauen, und die Gäste formierten sich 
                zu einer festlichen Gesellschaft.
              Am ehesten verblieb 
                noch die letzte Lebensstation, der Tod, in der religiösen 
                Einbindung; bis zu zwei Drittel der Verstorbenen wurden in den 
                achtziger Jahren mit kirchlichem Segen bestattet.
              Diese Zahl lag 
                in der Bundesrepublik Deutschland noch höher. Selbst in den 
                achtziger Jahren machte der Anteil der kirchlichen Beisetzungen 
                fast 90 Prozent aus. Typisch ist auch heute noch das prunkvolle 
                Begräbnis, mit dem hohe finanzielle Kosten einhergehen. Und 
                nicht nur in dieser, sondern in manch anderer Hinsicht unterscheiden 
                sich die Lebensstationen in beiden deutschen Staaten. Kennzeichnend 
                für den Lebensweg in der Bundesrepublik ist ein hochgradig 
                mobiles Arbeitsleben, das häufig lebenslange Unsicherheit 
                bedeutet. Bereits mit dem Abschluß der Berufsausbildung 
                beginnen oftmals die Schwierigkeiten, einen der Ausbildung entsprechenden 
                Arbeitsplatz zu finden.
              Eine feste Markierung 
                dagegen bedeutet auch heute noch die Ehe. Mehr als die Hälfte 
                aller Eheschließungen finden heute noch kirchlich statt. 
                Ehejubiläen wie die Silberne oder Goldene Hochzeit werden 
                im allgemeinen aufwendig gefeiert. Zugleich ist die Ehe längst 
                nicht mehr zwangsläufig auf Dauer angelegt; gegenwärtig 
                wird in der Bundesrepublik jede dritte Ehe wieder geschieden und 
                es sind, besonders seit den siebziger Jahren, neue Formen des 
                Zusammenlebens neben die Ehe getreten. 1987 lebten 1,5 Millionen 
                Bundesbürger in einer "Ehe ohne Trauschein". Auch 
                das zeitweilige Alleinleben, das Single-Dasein, nimmt gerade in 
                den urbanen Zentren der Bundesrepublik zu.
              Einen deutlichen 
                Übergang zum Erwachsenenalter gibt es kaum noch, denn immer 
                mehr Jugendliche bleiben immer länger im Schul- und Ausbildungssystem. 
                Ehe und Elternschaft rücken für sie in eine ferne biographische 
                Zukunft.
              Gemeinsam war 
                beiden deutschen Staaten eine durch die Schule bestimmte Kindheit; 
                der Beginn des "Ernstes des Lebens" wurde für die 
                Sechsjährigen in West und Ost mit einer Zuckertüte feierlich 
                initiiert. Auch der "Schritt ins Leben" vollzog sich 
                in beiden deutschen Staaten in ähnlicher Weise, nämlich 
                als medizinisch betreuter Vorgang außerhalb der Familie 
                an einem eigens dafür vorgesehenen Ort.
              Ganz anders hatte 
                es, bezogen auf die Geburt, noch um die Jahrhundertwende ausgesehen. 
                Die meisten Kinder wurden zu Hause geboren, und eine Klinikgeburt 
                galt als sozial anrüchig. Die Kindheit war um 1900 - mit 
                Einschränkungen - eine Schul-Kindheit; die Schultüte 
                als Attribut der ABC-Schützen war allerdings noch ungewöhnlich. 
                Mit dem Ende der Volksschulzeit begann für die allermeisten 
                Heranwachsenden das Arbeitsleben, denn nur sechs von hundert Kindern 
                besuchten weiterführende Schulen.
              Die Entstehung 
                des Jugendalters als eigenständige Lebensphase vollzog sich 
                zunächst im Bürgertum, zaghafter auch in der Arbeiterschaft.
              Die Ehe war von 
                hoher Verbindlichkeit für Männer und Frauen. Frauen, 
                insbesondere bürgerliche, standen im Zwang, sich zwischen 
                Beruf und Ehe entscheiden zu müssen - unter Verzicht auf 
                das jeweils andere. Um 1900 wurde, mit dem Fortfall traditioneller 
                Ehehemmnisse, so viel wie bis dahin noch nie in der deutschen 
                Geschichte geheiratet. Die Erfahrung, als Mann und Frau zusammenzuleben, 
                in einer Familie, mit Geschwistern aufzuwachsen, wurde prägend 
                für so viele Menschen wie nie zuvor. Zwischen 1871 und 1970 
                hat sich der Anteil der Ledigen an den Heiratsfähigen beinahe 
                halbiert. In ihrer gesellschaftsgeschichtlichen Bedeutung kann 
                die Entstehung einer "familienförmigen Gesellschaft" 
                kaum überschätzt werden, und manche Historiker, wie 
                Thomas Nipperdey, sprechen diesbezüglich von einem "revolutionären 
                Ereignis".
              Das Heiratsalter 
                lag um 1900 gleichwohl hoch, nämlich bei 29 Jahren für 
                die Männer und 26 Jahren für die Frauen. Pro Ehe wurden 
                seit dem späten 19. Jahrhundert immer weniger Kinder geboren; 
                zugleich starben auch immer weniger Säuglinge. Diese beiden 
                Trends bestimmten das Familienleben im 20. Jahrhundert. Binnen 
                einer Generation, von 1900 bis 1924, reduzierte sich die Anzahl 
                der Kinder in neu geschlossenen Ehen durchschnittlich auf die 
                Hälfte.
              In den zwanziger 
                Jahren setzte eine Diskussion um ein neuartiges Verhältnis 
                zwischen den Geschlechtern ein, und die "Kameradschaftsehe" 
                wurde in manchen Kreisen zum Ideal erhoben.
              Daß das 
                Feiern der Ehejubiläen, der Silbernen und Goldenen Hochzeit, 
                seit dem späten 19. Jahrhundert populär wurde, hängt 
                nicht zuletzt mit der steigenden Lebenserwartung zusammen. Immer 
                mehr Ehepaare hatten jetzt erstmals in der Geschichte überhaupt 
                die Chance, zusammen alt zu werden. Damit wurden zugleich Konventionen 
                allgemeinverbindlich, die bis heute Gültigkeit besitzen.
              Auch die Altersphase 
                als arbeitsfreie Ruhephase konstituierte sich in dieser Zeit. 
                Erreichten um 1900 aber nur wenige das Rentenalter, nämlich 
                nicht mehr als sechs Prozent der Bevölkerung, so ist inzwischen 
                eine lange Lebensphase zwischen Beginn der Rentenzeit und dem 
                Tod für uns heute geradezu selbstverständlicher Bestandteil 
                der Lebensplanung.
              War die Zeit 
                um die Jahrhundertwende bestimmt gewesen durch die kulturelle 
                Ausformung von neuen Konventionen und Lebensabschnitten, die prägend 
                bis in die jüngste Vergangenheit waren, bedeutete der Nationalsozialismus 
                in vielem eine durch staatsideologische Vorgaben gesteuerte Interpretation 
                und Ritualisierung durchaus auch neuer Lebensstationen. Frauen 
                wurden auf die Mutterschaft verpflichtet, die als Pflichterfüllung 
                gegenüber dem Staat angesehen wurde. Die Einschulung fand 
                in einem Schulsystem statt, das nach dem Willen des Regimes mit 
                dem nationalsozialistischen Gedankengut vertraut machen sollte. 
                Mit der Aufnahme der Zehnjährigen in die Kinderorganisationen 
                der Hitlerjugend (ab 1936 obligatorisch) begann die institutionelle 
                Einbindung der Jugend als "Garant der Zukunft" in den 
                Staat, dem sie dienen sollte. Daran schlossen sich die Mitgliedschaft 
                in der Hitlerjugend (14-18jährige Jungen) bzw. im Bund Deutscher 
                Mädel an (14-17jährige). Es folgten das Pflichtjahr 
                und der Reichsarbeitsdienst. So wurde insbesondere die Zeit der 
                Jugend und des Heranwachsens durch neue Lebensstationen ritualisiert, 
                die einen radikalen Zugriff auf den Einzelnen bedeuteten.
                Zugleich bestanden angestammte Lebensstationen fort; Kinder wurden 
                weiterhin getauft und gingen zur Kommunion bzw. zur Konfirmation. 
                Weiterhin begann für die meisten Heranwachsenden das Arbeitsleben 
                mit dem Ende der Volksschulzeit; wie schon um 1900 absolvierten 
                drei Viertel der Schulabgänger eine Lehre.
              
                Trotz der offiziellen Aufwertung der ledigen Mutter, die ebenso 
                wie die verheiratete dem Staat diene, war die Ehe auch in der 
                Zeit des Nationalsozialismus von zentraler Bedeutung im Lebensweg. 
                Die Eheschließung fand weiterhin zumeist als standesamtliche 
                und kirchliche Trauung statt. Jenseits der angestammten Konventionen 
                installierten die Nationalsozialisten eine Trennung zwischen erwünschten 
                und nichterwünschten Ehen, die Förderung von sogenannten 
                erbgesunden Personen und das Verbot der Eheschließung (bis 
                hin zur Unfruchtbarmachung) für andere, die den bevölkerungspolitischen 
                Zielen nicht entsprachen.
              
                Der Tod war in der Ideologie der Nationalsozialisten eine mit 
                Pathos erfüllte Größe. Der Krieg beendete massenhaft 
                das Leben der Menschen vorzeitig und nahm ihnen die Möglichkeit, 
                die Stationen eines normalen Lebens zu absolvieren.
              Was wir in der 
                Ausstellung darstellen, ist die Konstruktion kollektiver Lebensstationen 
                - ohne Rücksicht auf die Einstellungen und Haltungen Einzelner. 
                Nicht die Individualität im Sinne von Einzigartigkeit ist 
                daher das Thema, sondern das Allgemeine, das Gewöhnliche 
                und Massenhafte jener Feststage und Ereignisse, die die Menschen 
                in der jeweiligen Epoche für bedeutsam halten. Wir zeigen 
                die Verbindlichkeiten, die kulturellen Vorgaben für die Bestimmung 
                und Bewältigung von Zäsuren im Leben aller. Es sind 
                die heute erkennbaren, in der Regel von allen anzusteuernden Stationen, 
                die eine Darstellung erfahren. Stationen also, an die wir unsere 
                entscheidenden Erinnerungen heften, die dabei sicherlich eine 
                individuelle Ausdeutung erfahren.
              Was kann gezeigt 
                werden, wenn die sozial verbindlichen Stationen im Leben vorgestellt 
                werden sollen? Mit welchen Dingen werden diese Stationen verknüpft? 
                Können diese Dinge mehr sein als ein Verweis, ein Fingerzeig 
                auf Rituale, Konventionen und Abläufe eines Geschehens, das 
                geprägt ist vom kollektiven Bewußtsein, von Gefühlen 
                und kultureller Bedeutung? Es ist üblich, gerade für 
                die wichtigsten Tage eines Lebens die Funktion der Dinge vom Geschehen 
                her zu bestimmen: Zur Einschulung beispielsweise gehört die 
                Schultüte. Sie ist Attribut des ersten Schultages.
              
                Daß es sich auch umgekehrt verhalten könnte, daß 
                das Geschehen der Einschulung wie allgemein jeder Lebensstation 
                Attribut der an diesen Tagen vorgezeigten und gehandhabten Gegenstände 
                sein könnte, war ein wichtige Überlegung für die 
                Auswahl der in der Ausstellung präsentierten Exponate - denn: 
                "Es gibt Gegenstände, die uns im Rahmen von Ritualen 
                und Zeremonien vorgezeigt werden. Kreuze, goldene Ringe, Löffel, 
                Torten, Grabgebinde. Sie sollen, das ist vorher festgelegt, Lebensabschnitte 
                beenden oder andere beginnen. <Feiern> oder <Trauern> 
                nennt man diese Zeremonien. Die Gesten, die Sätze werden 
                zum Attribut der Gegenstände. Die Gegenstände tragen 
                die Inhalte des Geschehens. Die Personen sind auf die Gegenstände 
                abgestimmt. Die Gegenstände sind der Plan, die überdeutliche 
                Karte, das Schnittmuster, nach dem die Personen handeln. Der Rahmen 
                ist eng und starr." Die Literatin Herta Müller eröffnet 
                mit diesem Gedanken zur Macht der "Gegenstände, wo die 
                Haut zu Ende ist" eine Sichtweise auf die Lebensstationen, 
                die der Überprüfung durchaus standhält; das bestätigt 
                ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit: Das Bundesverwaltungsgericht 
                entschied in einem Urteil vom 21.1.1993, daß die Schultüte 
                zum "notwendigen Lebensunterhalt" eines Schulanfängers 
                gehört. Sind die Eltern des ABC-Schützen auf Sozialhilfe 
                angewiesen, so muß dem Anfänger auf Staatskosten eine 
                Schultüte überreicht werden.
              Welche Lebensabschnitte 
                konnten wir in der Ausstellung überhaupt darstellen? Für 
                viele Lebensschritte, die heute relevant geworden sind, gibt es 
                keine Rituale, sie sind in gewisser Weise Nicht-Ereignisse: der 
                Auszug aus dem Elternhaus, dessen Wichtigkeit die Psychologen 
                für Kinder wie für Eltern betonen ("the empty nest", 
                vgl. auch den Beitrag von D. Lenzen in diesem Band), das allmähliche 
                Erwachsenwerden oder auch der Wiedereinstieg von Müttern 
                in den Beruf vollziehen sich ohne größere Übergangsfeierlichkeiten. 
                Auch der Zeitpunkt, von dem an die altgewordenen Eltern wieder 
                versorgt werden müssen, wird nicht als Beginn eines neuen 
                Lebensabschnittes deutlich markiert, sondern in unserer Gesellschaft 
                eher versteckt.
              Der vorliegende 
                Band enthält neben dem umfangreichen Objektteil eine Aufsatzsammlung, 
                die die Darstellung der Lebensstationen mit den Mitteln der Ausstellung 
                ergänzt. Die Aufsätze namhafter Wissenschaftsvertreter 
                aus West- und Ostdeutschland widmen sich der Betrachtung der jüngeren 
                Vergangenheit in beiden deutschen Staaten sowie der Gegenwart 
                im vereinigten Deutschland. Ein Beitrag zur Konzeption der Gestaltung, 
                verfaßt von der Ausstellungsarchitektin Daniele Schneider-Wessling, 
                schließt sich an.
              Die Diffusität 
                des Lebenslaufs in den modernen Industriegesellschaften zeigt 
                Dieter Lenzen in seinem Essay auf. Eva Jaeggi befaßt sich 
                mit den Singles als den "Pionieren der Moderne", und 
                Arthur E. Imhof setzt sich mit den Folgeproblemen des Alters als 
                neuer Lebensphase auseinander. Bezogen auf die DDR gilt das Interesse 
                von Günter Roski der Einstellung von Jugendlichen zu Staat 
                und Gesellschaft, während Barbara Hille sich in ihrem Beitrag 
                mit der Haltung der DDR-Jugend gegenüber Ehe und Familie 
                beschäftigt. Das "Erlebnis der Wende" für 
                Kinder und Jugendliche beschreibt Gudrun Leidecker, und Hans Bertram 
                analysiert die Familie in den alten und neuen Bundesländern. 
                Neuere Forschungsergebnisse kommen hier zusammen mit empirischem 
                Material, das - wie das aus dem Leipziger Institut für Jugendforschung 
                stammende - jahrelang kaum zugänglich waren.
              Rosmarie Beier