2. Humboldt Universität/
Friedrich Wilhelm-Universität

   
 


 

“Sonderbar, dieses Gefühl, sich selbst immer nur durch die Augen der anderen wahrzunehmen....“ – Der schwarze Bürgerrechtler W. E. B. Du Bois

An der Friedrich Wilhelm-Universität, der heutigen Humboldt-Universität, studierte von 1892-1894 ein junger schwarzer US-Amerikaner - der spätere Bürgerrechtler William Edward Burkhardt Du Bois. Als Du Bois 1868 in Massachusetts (USA) zur Welt kam, war vor gerade drei Jahren die Sklaverei in den Südstaaten abgeschafft worden. Er wuchs vaterlos bei seiner Mutter auf. Die Familie war arm, aber fast alle in ihrer Umgebung waren in einer ähnlichen finanziellen Lage. In der Schule war Du Bois das einzige schwarze Kind.–Zu dieser Zeit starben in den Südstaaten noch jedes Jahr ungefähr 100 Schwarze durch Lynchjustiz. Die öffentlichen Einrichtungen, vom Eisenbahnverkehr über das Theater bis zu den Universitäten, waren nach Hautfarbe getrennt.Schwarze Bürger wurden systematisch vom Wahlrecht ausgeschlossen. Du Bois fiel jedoch bald durch seine Begabung auf, er bekam ein Stipendium und studierte an verschiedenen Universitäten, unter anderem auch für zwei Jahre in Berlin. [2] Über seinen Aufenthalt in Europa schreibt Du Bois in seinen Lebenserinnerungen:

„Als ich 1892 nach Deutschland kam, befand ich mich außerhalb der amerikanischen Welt und konnte sie von außen betrachten. Neben mir lebten Weiße – Studenten, Bekannte, Dozenten -, die ebenso empfanden, wie ich. Sie blieben nicht immer wieder stehen, um mich als Kuriosum oder als eine Art ‚Untermenschen’ zu betrachten. Für sie war ich einfach ein Mensch, der der in vieler Hinsicht privilegierten Studentenschaft angehörte, ein Mensch, mit dem sie sich gern trafen und über das Geschehen in der Welt unterhielten.“ [3]

Bevor er sich in Berlin an der Universität einschrieb, reiste Du Bois durch Europa und machte auch in Eisenach Station. Dort lebte er im Haus der Familie Marbach und verliebte sich in eine der Töchter, Dora. Du Bois über die Bekanntschaft:

„Schließlich gestanden wir uns unsere Liebe, und Dora erklärte, sie würde mich auf der Stelle heiraten. Ich war mir aber darüber klar, dass dies ihr gegenüber nicht anständig sein und sich auch nachteilig auf meine Arbeit in der Heimat auswirken würde; denn dort hatte ich weder Vermögen, noch die gesellschaftliche Stellung, die diese blauäugige Ausländerin wohl hätte beanspruchen können. Sie konnte das nicht recht verstehen. [...] Es war eine Amerikanerin, die darauf achtete, dass es zu keiner Bindung zwischen Dora und mir kam. Sie wohnte mit ihrem Mann etwa einen Monat bei den Marbachs. Er war Professor in Colorado, ein gutmütiger Weststaatler mit schlechten Manieren. Sie war eine dumme Klatschbase und konnte nicht fassen, dass ein Neger in diesem Haushalt so gut aufgenommen wurde. Was sie Frau Marbach über die amerikanischen Neger erzählt hat, weiß ich nicht, aber ich kann es mir denken. Im Hause wurde über die beiden nicht gesprochen, aber alle waren froh, als sie wieder verschwanden. Ich war ziemlich betrübt, als ich selbst wieder abreisen musste. Ich habe mit dieser Familie, solange ich in Deutschland war, korrespondiert, bin aber nie wieder zu diesen freundlichen Menschen zurückgekehrt.“ [4]

 

 

W.E.B. Du Bois (3. von links, 2. Reihe von oben) mit Kommilitonen an der Berliner Universität 1894.

Special Collections and Archives, WEB Du Bois Library, University of Massachusetts Amhurst, USA.

 

Berlin und die Universität verschafften dem jungen Afro-Amerikaner neue Eindrücke. Er schwärmte für Bismarcks Sozialsystem und hörte soziologische Vorlesungen bei Max Weber, mit dem ihn später eine lebenslange Freundschaft verbinden sollte. Zurück in den USA promovierte er an der Havard-Universität, wurde damit der erste Afro-Amerikaner mit einem Doktortitel, und nahm dann mit großem Elan seine „Lebensaufgabe, die Befreiung der amerikanischen Neger“ in Angriff, wie er in seiner Autobiographie schreibt. Er war an verschiedenen Universitäten für Schwarze tätig - , noch immer herrschte „Rassentrennung“ in den USA -, wo er u.a. Griechisch und Latein sowie Wirtschaft und Geschichte lehrte. Parallel dazu gründete er gemeinsam mit anderen schwarzen Wissenschaftlern die American Negro Academy, das weltweit erste schwarze Institut für Kunst und Literatur. Zudem übernahm er die Leitung der Atlanta Conferences, welche sich die soziologisch exakte Erforschung der Lebensumstände der Afro-Amerikaner zur Aufgabe gemacht hatten. Deren Ergebnisse gab er in einer eigenen Reihe heraus. Gleichzeitig veröffentlichte er zahlreiche Aufsätze und Essays in verschiedenen Zeitschriften.

1903 gehörte Du Bois zu den meistpublizierten und meistgelesenen schwarzen Autoren Amerikas. In jenem Jahr kam sein Buch "The Souls of Black Folk– Die Seelen der Schwarzen" [5] mit einer Beschreibung der Emanzipation der Afro-Amerikaner auf den Markt. Du Bois Texte sind keine nüchternen soziologischen Untersuchungen, sondern lebendige Reportagen über den Alltag der schwarzen Südstaatler, ihre soziale und ökonomische Situation nach dem Ende der Sklaverei, ihr Ringen um Bildung, politischen Einfluss und Wohlstand, ihre Träume und Sehnsüchte und den allgegenwärtigen Rassismus. Für viele Afro-Amerikaner war The Souls of Black Folk das erste Buch, das ihre Probleme thematisierte, z.B. das Gefühl der Entfremdung, als Schwarzer in einer von Weißen definierten Welt zu leben: „Es ist sonderbar, dieses doppelte Bewusstsein“, schreibt Du Bois, „dieses Gefühl, sich selbst immer nur durch die Augen der anderen wahrzunehmen, der eigenen Seele den Maßstab einer Welt anzulegen, die nur Spott und Mitleid für einen übrig hat.“ [6] Das Buch wurde auf Anhieb ein Bestseller, zwischen 1903 und 1905 wurde es fünfmal nachgedruckt. Seit der Publikation galt Du Bois als einer der wichtigsten Sprecher des schwarzen Amerika. Von 1910 bis 1934 gab er die Zeitschrift Crisis heraus, die offizielle Publikation der National Association for the Advancement of Coloured People (NAACP).

Sein unermüdlicher Kampf um die Gleichberechtigung der Schwarzen brachte ihm vielerlei Feindschaften ein. 1944 entzog ihm die Atlanta University wegen seiner Ansichten die Lehrbefugnis, 1951 wurde er von der US-Regierung nach dem Foreign Agents Registration Act angeklagt - und im gleichen Jahr freigesprochen. Zwischen 1952 und 1958 wurde er als Sympathisant der Kommunisten schikaniert - deswegen verweigerte ihm u.a. das US-Außenministerium einen Reisepass. Aber Du Bois gab dem Druck nicht nach und kandidierte in New York als Vertreter der Amerikanischen Arbeiter Partei für den US-Senat. 1958 erhielt er schließlich seinen Pass. Daraufhin verließ er New York und machte eine Weltreise, besuchte West- und Osteuropa, die Sowjetunion, wo er mit Chruschtschow zusammentraf, und China, wo er Mao Zedong und Zhou Enlai begegnete.

1961 stellte er einen Antrag auf Aufnahme in die Kommunistische Partei der USA. Dann reiste er nach Ghana, das erste afrikanische Land, das die Unabhängigkeit erlangt hatte. 1963 legte er seine amerikanische Staatsbürgerschaft ab und wurde Ghanaer. Er starb am 27. August 1963, am Vorabend des Marsches der schwarzen Bürgerrechtler nach Washington, zu dessen Anlass Martin Luther King seine berühmte Rede hielt: „Ich habe einen Traum“.

 

Fußnoten:

[2] W.E.B. Du Bois: Mein Weg, meine Welt. Berlin 1967.
[3] Ebd. S. 150.
[4] W.E.B. Du Bois: The Souls of Black Folk. Die Seelen der Schwarzen. Freiburg 2003.S. 156-157.
[5] Ebd.
[6] Ebd. S. 35.

PDF-Download:

 

William E. B. Du Bois, 1904.

Library of Congress.