5. Mauerstraße 45/46:
Das Oberkommando der Schutztruppen

 
   
 

Die Mauerstraße heute.

       
 

Das Oberkommando der sogenannten Schutztruppe , also des deutschen Kolonialmilitärs, war in der Mauerstraße 45/46, Berlin-Mitte untergebracht, in unmittelbarer Nähe des -> Reichskolonialamtes in der Wilhelmstraße 62. Ab 1884 waren die Deutschen eine Kolonialmacht. Doch bald mussten sie feststellen, dass die Bewohner der neuen Kolonien sich keineswegs widerstandslos unterwerfen ließen. Von Anfang an kam es in den deutschen Kolonien immer wieder zu antikolonialen Kämpfen. Die Militärs der Schutztruppe betrachteten den „Dienst in Übersee“ als Karrierechance und als Möglichkeit, einen „ruhmbringenden Krieg, wenn er schon nicht herrschte, gegebenenfalls selbst herbeizuführen.“ [22] Das Gefühl, ringsum von Feinden umgeben und mit überlegenen Waffen ausgerüstet zu sein, führte bei den Schutztruppen häufig zu folgenschweren Überreaktionen. In Kamerun sah sich 1908 der dortige Gouverneur Seitz schließlich sogar genötigt, wegen fortgesetzter Übergriffe eine Sperrzone einzurichten, um so die Einwohner vor der Schutztruppe zu schützen.

 

 

Das Oberkommando der „Schutztruppe“ in der Mauerstraße 45/46.

 

Besonders brutal gingen die deutschen Schutztruppen im heutigen Namibia gegen die dort lebenden Herero und Nama vor, die sich 1904 gegen die deutsche Kolonialmacht erhoben hatten. Unter dem Oberbefehl des Generalleutnants von Trotha wurden beide Bevölkerungsgruppen damals nahezu ausgelöscht. Trothas Devise ist oft zitiert worden:

„Gewalt mit krassem Terrorismus und selbst mit Grausamkeit auszuüben, war und ist meine Politik. Ich vernichte die aufständischen Stämme in Strömen von Blut und Strömen von Geld. Nur auf dieser Aussaat kann etwas Neues entstehen.“ [23]

 

 

Gedenkstein für die in Deutsch-Südwestafrika ums Leben gekommenen Angehörigen der „Schutztruppen“ auf dem Garnisionsfriedhof am Columbiadamm, Berlin.

       
 

Ähnlich verheerend gingen die Schutztruppen 1905 bei der Niederschlagung des Maji-Maji-Aufstandes im heutigen Tansania vor Ganze Landstriche wurden von ihnen derartig verwüstet, dass die Auswirkungen bis heute spürbar sind.

Viele der Generäle, die in der Schutztruppe gedient hatten, wie z.B. Paul von Lettow-Vorbeck, machten nach dem Ersten Weltkrieg „Karriere“ in den antirepublikanischen Freikorps, beteiligten sich am rechtsradikalen Kapp-Putsch und nahmen später in der NS-Hierarchie hochrangige Positionen ein. Das ausgemusterte Uniformhemd der Schutztruppe , das so genannte „Lettow-Hemd“, diente übrigens später als Vorbild für das sogenannte „Braunhemd“ der SA. Erst daraufhin erklärten die Nationalsozialisten Braun zur „Farbe der Bewegung“. Begriffe wie „braune Gesinnung“ gehen also letztlich auf die Uniform der deutschen Schutztruppen zurück. [24]

 

 
Paul von Lettow-Vorbeck in der Uniform der deutschen Schutztruppe, die dem Braunhemd der SA als Vorbild diente (um 1920).

Christoph-Links-Verlag.
 

Es gab aber auch Ausnahmen unter den Angehörigen der Schutztruppen . Einer von ihnen war der ehemalige Kolonial- und Marineoffizier Hans Paasche, der am Maji-Maji-Krieg teilgenommen hatte. Abgestoßen von den deutschen Grausamkeiten reichte er seinen Abschied ein, und wurde als Schriftsteller und Journalist zum überzeugten Kriegsgegner und Kritiker des Kolonialismus. Sein berühmtestes Buch ist der 1912/13 erschienene Roman Die Forschungsreise des Afrikaners Lukunga Mukara ins innerste Deutschlands . In diesem Roman legte Paasche dem fiktiven Afrikaner Lukunga Mukara seine Kritik an den Zuständen im deutschen Kaiserreich in den Mund. Lukunga Mukara schreibt beispielsweise nach Afrika:

„Ich glaube ein Mann, der mit wenigem auskommt und nichts kauft, ist in Deutschland nicht angesehen. Ein Mann aber, der sich mit tausend Dingen umgibt, die er aufbewahren, beschützen, verschließen und reinigen, ja, die er täglich anschauen muss, gilt etwas.“

1917 wurde Paasche aufgrund seiner antimilitaristischen Haltung verhaftet und wegen „Landesverrat“ angeklagt – er hatte Rüstungsarbeiterinnen zum Massenstreik angestiftet. Paasches Leben endete am 21. 5. 1920 gewaltsam. Er wurde von rechtsradikalen Soldaten eines Reichswehr-Regiments ermordet. [25]

 

 

 
Der Offizier Hans Paasche in einem verlassen Dorf in Deutsch-Ostafrika (1905).

Christoph-Links-Verlag.
 

Fußnoten:

[22] Joachim Zeller / Jürgen Zimmerer: Das Oberkommando der Schutztruppen – Die Zentrale der deutschen Kolonialmilitärs. In: Ulrich van der Heyden / Joachim Zeller (Hg.): Kolonialmetropole Berlin. Eine Spurensuche. Berlin 2002. S.35-41.
[23] Trotha an Leutwein, zit. nach Drechsler, Horst: Südwestafrika unter deutscher Kolonialherrschaft. Der Kampf der Herero und Nama gegen den deutschen Imperialsimus (1884-1915). 2. Aufl. Berlin 1984. S. 156.
[24] Wie die SA zum Braunhemd kam. In: Martin Baer / Olaf Schroeter: Eine Kopfjagd. Deutsche in Ostafrika. Spuren kolonialer Herrschaft. Berlin 2001. S. 156-157.
[25] „Frei werden unterm Tropenhimmel“ – der Kolonialkritiker Hans Paasche. In: Ebd. S. 141- 144.

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