Baedeker: Vom Feldpostbrief zum Reiseführer

Sommerzeit ist Reisezeit und selbst wenn es einen nicht in die Ferne zieht, ist man auf der Suche nach den Geheimtipps fürs Umland. Ein Synonym für Reiseführer schlechthin war lange Zeit die Marke „Baedeker“. Geprägt wurde sie insbesondere von Fritz Baedeker, einem der Söhne des Gründers. Seine präzise Art der Beobachtung und genauen Schilderungen von fremden Gegenden findet sich bereits in seinen Briefen, die er 1866 aus dem Deutschen Krieg an die Heimat schrieb, wie Sammlungsleiter Thomas Jander erklärt. Von ihnen konnte das Deutsche Historische Museum jüngst 13 erwerben.

Ihre Blütezeit erlebten die Handbücher für fremde Länder aus dem gleichnamigen Verlag bereits Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Deutschen hatten das Reisen für sich entdeckt und der Baedeker sagte ihnen, wo es hinging, was dort zu sehen sei und wie man sich dort gab. So stiegen die Verkaufszahlen des Unternehmens bis 1913 auf 250.000 Exemplare und erzielten einen Umsatz von fast einer Million Reichsmark.

Knapp, sachlich, übersichtlich – der „Baedeker-Stil“

Mit Fritz Baedeker entstand auch der typische „Baedeker-Stil“: telegrammartige, sachliche und knappe Beschreibungen, stichwortartige Hinweise, übersichtliche Gliederung und vor allem präzises Kartenmaterial. Dieser ans Militärische erinnernde Stil passte einerseits zur Gesellschaft des Deutschen Kaiserreichs, in der eine Uniform immer auch Ausdruck eines gehobenen sozialen Status war. Gleichzeitig lässt er sich auf die Erfahrungen Fritz Baedekers zurückführen.

Einblick in diese Erfahrungen gewährt nun eine kleine Serie von 13 Briefen, die Baedeker zwischen Mai und Oktober 1866 als preußischer Soldat im Deutschen Krieg schrieb. Was diese kleine Serie zu einer Besonderheit macht, ist nicht nur die Prominenz ihres Verfassers. Es ist auch ihre Geschlossenheit, die Ausführlichkeit der Schilderungen sowie der bemerkenswert gute Erhaltungszustand der Dokumente. Nicht zuletzt aber ist es die Tatsache, dass in anderen deutschen Sammlungen nach heutigem Forschungsstand insgesamt nur weitere 14 Briefe existieren.

Berichte von der Front

Nachdem er aus Heidelberg an die Berliner Universität gewechselt war, diente Fritz Baedeker als Einjährig Freiwilliger bei der reitenden Abteilung des Garde-Feldartillerie-Regiments in der Friedrichstraße. Im April 1866 setzte sich seine Einheit von der Kaserne am Oranienburger Tor in Marsch und zog in Richtung Böhmen. Dort wurde Baedeker im Juli Zeuge der Schlacht von Königgrätz (Hradec Králové), die er beim Dorf Sadowa (Sadová) aus nächster Nähe miterlebte. „Ordentlich leid taten mir die vielen gefallenen Sachsen, die weit von ihrer Heimat für eine Sache, für die sie doch kein Herz haben konnten, den Tod erlitten […]“ schrieb der 22jährige seiner Mutter kurz nach der Schlacht.

Besonders eindringlich sind seine Beschreibungen der multiethnischen Bevölkerung, auf die er im August im böhmischen Ort Dürnholz (Drnholec) trifft und mehr noch die Schilderungen über die Verheerungen, die die Cholera dort unter Einheimischen wie Soldaten dort anrichtete: „Das Schauerlichste aber ist der Anblick, wie die Leichen weggebracht werden; man wartet nämlich immer mit der Fuhre bis 4 oder 5 beisammen sind, dann wird ein Leiterwagen geholt auf den dieselben gelegt u. nur mit Stroh zugedeckt werden. […] Dann geht es ohne Sang und Klang u. ohne daß jemand folgt, dem Felde zu, wo sie ruhig eingegraben werden.“ Die Ursache der Epidemie sah Baedeker nicht, wie es in den Zeitungen vermeldet wurde, im zu fetten Essen, sondern darin, dass die Soldaten zu wenig „Zuspeise“ zum Fleisch hätten und daher in Massen die unreifen Kartoffeln von den Feldern holten und aßen. Zwar schrieb er nicht telegrammartig, blieb aber schon hier im Wesentlichen und fasste seine Eindrücke so zusammen, so dass die Briefe vieles an Informationen bieten und dennoch bemerkenswert kurze Texte sind.

Nach dem Ende seines Militärdienstes ging Fritz Baedeker wieder ins Zivilleben zurück, erlernte in Genf den Buchhandel und war seit 1869 Juniorpartner seines Bruders im Verlag. Doch wurde er im Deutsch-Französischen Krieg wieder Soldat und wurde 1871 Offizier. Mit dieser Grundierung übernahm der die Leitung des Familienunternehmens und prägte damit nicht nur dessen Stil, sondern beeinflusste auch die Art und Weise, wie die Leser seiner Reiseführer die Welt wahrnahmen.