Wie das Lenin-Denkmal ins Deutsche Historische Museum gelangte

Im Foyer der Ausstellungshalle des Deutschen Historischen Museums ist sie derzeit zu sehen – die 3,20 Meter hohe und 2,9 Tonnen schwere Statue von Wladimir I. Lenin (1870–1924). Sie ist Teil der Ausstellung „1917. Revolution. Russland und Europa“, die das Museum noch bis zum 15. April 2018 zeigt. Der Projektleiter der Ausstellung, Dr. Arnulf Scriba, schildert die spannende Geschichte dieses Objekts, das Zeugnis des frühen Personenkults um Lenin ist.

1925, bereits ein Jahr nach dem Tod von Wladimir I. Lenin schuf der russische Bildhauer Matwej G. Maniser die große Bronze-Statue. Sie wurde 1926 rund 25 Kilometer südlich von Leningrad in der heutigen Stadt Puschkin aufgestellt, als Zarskoje Selo einst die Sommerresidenz des Zaren – ein wohl überlegter Ort zu Ehren des Revolutionsführers. Die Statue selbst ist ein beeindruckendes Zeugnis des schon früh nach Lenins Tod einsetzenden Personenkults um den Staatsgründer der Sowjetunion.

Nachdem die deutsche Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg bis vor die Tore Leningrads gestoßen war und Puschkin eingenommen hatte, demontierte sie 1943 die Statue und transportierte sie rund 2.000 Kilometer nach Eisleben. In der dortigen Krughütte sollte sie als dringend benötigtes Metall für die Kriegsproduktion eingeschmolzen werden. Aus ungeklärten Gründen überdauerte die Statue den Krieg, vermutlich war sie für den Schmelzofen schlicht zu groß. Das nutzte die DDR später zu einer Legendenbildung: So seien es sowjetische Zwangsarbeiter und „klassenbewusste“ Arbeiter der Mansfeld AG gewesen, die in einem „spontanen Zusammenschluss“ die Statue unter einem Schrotthaufen versteckt und somit gerettet hätten. Als dann die Rote Armee 1945 Einzug in Eisleben hielt, habe die Stadtbevölkerung Lenin „zum Zeichen der Dankbarkeit für die Befreiung vom Hilterjoch durch die ruhmreiche Rote Armee“ aufgestellt, wie eine offizielle DDR-Broschüre schrieb. Von ihrem Revolutionshelden und einer jubelnden Bevölkerung begrüßt, seien die Rotarmisten während eines festlichen Triumphmarschs mit Blumen beschenkt worden.

Die Realität war wohl eine andere, als rund zwei Monate nach Kriegsende in Eisleben ein Wechsel der Besatzungstruppen von der US-Armee zur Roten Armee erfolgte. Die Stadt ließ die Statue am 2. Juli 1945 tatsächlich auf dem Marktplatz aufstellen, um die sowjetischen Soldaten zu begrüßen. Diese begegneten Genosse Lenin aber offensichtlich mit völliger Gleichgültigkeit, und auch Triumphmarsch, jubelnde Eislebener und bunte Blumen gehören ins Reich sozialistischen Wunschdenkens. Trotzdem soll die Sowjetunion von der Aufstellung so gerührt gewesen sein, dass sie der Lutherstadt Eisleben die Statue in einer offiziellen Zeremonie im Beisein von Walter Ulbricht am 1. Mai 1948 schenkte. Damit war sie das erste Lenin-Denkmal in Deutschland.

Lenin-Denkmal aus Eisleben, Matwej G. Maniser, 1925 © DHM

Lenin-Denkmal aus Eisleben, Matwej G. Maniser, 1925 © DHM

Nach der Deutschen Einheit entschied der Eislebener Stadtrat die Demontage des Denkmals, das daraufhin 1991 als Dauerleihgabe in das Deutsche Historische Museum gelangte.

Dr. Arnulf Scriba

Dr. Arnulf Scriba ist Leiter des Fachbereichs Sonderausstellungen und Projekte im Deutschen Historischen Museum und Projektleiter der Ausstellung „1917. Revolution. Russland und Europa“. Der Text erschien in leicht abgewandelter Form zuerst im Museumsjournal