Was ist Virtual Reality? Nutzen für Gesellschaft und Kultur

Ist Virtual Reality nur ein Buzzword oder kann sie mehr für die Gesellschaft leisten? Revolutioniert sie das menschliche Miteinander über illusionistische Erfahrungsräume, die Empathie auslösen? Oder spielt sie nur mit unseren Emotionen? Verlieren wir uns in virtuelle Welten als Flucht vor der Wirklichkeit? Was genau ist Virtual Reality? In der Kolumne von Dr. Tanja Praske geht es um Begriffsklärungen sowie um Anwendungsgebiete von virtueller Realität in der Kultur.

Was ist Virtual Reality? Bedeutung, Mischformen und Historie

Im Verbund mit Virtual Reality treten schnell weitere Begriffe wie Augmented Reality und Mixed Reality auf. Was bedeuten sie? Der Australier Damien Francis Broderick verwendete 1982 als erster den Begriff „Virtual Reality“ in seinem Science-Fiction-Roman Judas Mandala. 1987 findet er dann Eingang im „Oxford English Dictionary“. Die aktuelle Definition von Virtual Reality lautet nach Gablers Wirtschaftslexikon:

„Virtuelle Realität (Virtual Reality, VR) ist eine computergenerierte Wirklichkeit mit Bild (3-D) und in vielen Fällen auch Ton. Sie wird über Großbildleinwände, in speziellen Räumen (CAVE) oder über ein Head-Mounted-Display (= HMD; Video- bzw. VR-Brille) übertragen. Bei Mixed Reality wird entweder Realität erweitert (Augmented Reality, AR), wobei für die Darstellung und Wahrnehmung eine AR-Brille benötigt wird, oder aber Virtualität, im Sinne der Kopplung mit der Realität.“

Der Begriff Mixed Reality taucht erstmals in einem Paper von Paul Milgram und Fumio Kushino von 1994 auf. Demnach bedeutet er, „stark vereinfacht dargestellt, die Inklusion aller möglichen Realitätsformen – also von vollständig realen bis hin zu vollständig virtuellen. Alle Welten werden durch das sogenannte virtuelle Kontinuum miteinander verknüpft“, so Andreas Floemer.

Virtual Reality ist keine Erfindung der Gegenwart: Vorstufen sind das Stereoskop aus dem 19. Jahrhundert, das Kaiserpanorama, welches auch in der Dauerausstellung des Deutschen Historischen Museums zu finden ist, das Sensorama von Morton Heilig von 1962, das erste HDM „The Sword of Damocles“ von 1968 oder Nintendos größter Flop, der Virtual Boy von 1995, nachzulesen bei den VR-Nerds in „Die Geschichte der virtuellen Realität“.

Stereoskop 'LZ 126' mit 3 Stereo-Fotoserien und Schachtel, 1920/1936 © DHM

Stereoskop ‚LZ 126‘ mit 3 Stereo-Fotoserien und Schachtel, 1920/1936 © DHM

VR findet vielfältige Anwendung in Industrie, Medizin, Tourismus, Luft- und Raumfahrt, Bildung, Gaming und Kultur mit Theater. Was die Technik kann und bringt, zeigt Phil Kauffold in seinem TedxTalk „The Future of Virtual Reality“ von 2016:

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Was unterscheidet Virtual Reality von Augmented Reality?

Augmented Reality erweitert die Realität und damit die tatsächliche Umgebung mit virtuellen Objekten. Der Bezug zur Wirklichkeit bleibt bestehen. Die App Pokémon Go ist ein Paradebeispiel für eine Augmented-Reality-Anwendung. Die Monsterjagd vollzieht sich in der realen Umgebung. Es bedarf dazu einzig eines Smartphones oder Tablets. Auch über Monitor oder AR-Brille sind AR-Anwendungen erfahrbar. Der Einsatz von Augmented Reality kann das Lernen revolutionieren, wie im Video „Science to go“ zu sehen ist:

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Hingegen ist Virtual Reality in einem geschlossenen System mit HMD erfahrbar. Schließlich formt sie einen virtuellen Raum mit realen Objekten. Dieser Raum besitzt keine Bezüge zur Wirklichkeit mehr. Der User ist Teil der virtuellen Realität. Er taucht in sie ein und kann mit ihr, den Objekten oder der Geschichte interagieren. Dafür stehen ihm mitunter weitere Devices zur Verfügung wie etwa ein Datenhandschuh oder eine 3-D-Maus. VR ist nicht gleich VR. Sie besitzt unterschiedliche Erfahrungsarten und -intensitäten, auch 360°-Fotos und -Videos werden als Vorstufen von VR bewertet. Darauf geht Friederike Wenisch in „VR-Erstellung“ ein.

Kunst und Immersion – Eintauchen in virtuelle Realitäten

Virtual Reality ermöglicht eine immersive Erfahrung, d. h. der User taucht in die virtuelle Realität ein und kann mit ihr interagieren, körperlich wie emotional. Wie Künstler damit umgehen und was „post internet art“ damit zu tun hat, beleuchtet der Schirn-Podcast „Virtual Reality in der Kunst“:

 

Künstler konstruieren oder dekonstruieren über Virtual Reality mitunter das eigene Selbst oder schaffen Kunst, die gezielt Interaktion beim Betrachter einfordert. Kunst kann von diesem weitergestaltet werden als Ausdruck der Reflexion über das eigene Denken und Handeln. Damit geht Virtual Reality über die reine Erfahrung von Empathie hinaus; sie ist nach Eve Massacre schöpferischer Akt. Das Thema vertieft der Ausstellungskatalog „Die ungerahmte Welt. Virtuelle Realität als künstlerisches Medium“ des Hauses der elektronischen Künste Basel. Im Zeppelin Museum in Friedrichshafen setzen sich Künstler mit den gesellschaftspolitischen Dimensionen der virtuellen Technologien in der Ausstellung „Schöne neue Welten. Virtuelle Realitäten in der zeitgenössischen Kunst“ (bis 8.4.18) auseinander.

Ausstellungsansicht Asega & Donohue & Lulin + Meisenberg 2017 © Zeppelin Museum Foto Tretter

Ausstellungsansicht Asega & Donohue & Lulin + Meisenberg 2017 © Zeppelin Museum Foto Tretter

Virtual Reality in der Geschichtsvermittlung und im Museum

Geschichtsbewusstsein kann über das Eintauchen in historische Situationen geschaffen werden, auch vom Sofa aus. Das versucht die Virtual-Reality-App „StasiVR“. Sie simuliert Stasiverhöre. Der User erlebt das Verhör als Beisitzer mit. Tatsächlich geht es um Machtkonstellationen im Raum, um Wahrheitsfindung und Geständnisproduktion, so Jana Wuttke, Mit-Autorin der App, im Podcast „Virtual Reality Audio“. Sie glaubt,

dass sich historische Ereignisse in einem Raum noch einmal viel subjektiver und viel unmittelbarer … erschließen. Wenn ich eine lineare Geschichte erzähle, dann führe ich den Nutzer natürlich viel strenger, …, wenn man wirklich in einem Raum ist und auch diese psychologischen Konstellationen eines Verhörs spürt, dann [erlebt man] natürlich eine ganz andere Form von Empathie.

Virtuelle Realität bereichert die Vermittlungsarbeit in Museen. Im Musée des Arts Décoratifs et du Design erlebte der Besucher über die VR-Anwendung des Designers Pietro Alberti unmittelbar den Salon de Compagnie im Hôtel de Lalande.

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Weitere faszinierende Anwendungsbeispiele von VR im Museum besprechen Marlene Hofmann und MusErMeku. Wie Besucher die abgelaufene Ausstellung „Perception is Reality – Über die Konstruktion von Wirklichkeit und virtuelle Welten“ des Frankfurter Kunstvereins empfanden, zeigt ein Video in der Hessenschau.

Virtual Reality ist schon lange kein Buzzword mehr. Sie durchdringt aktuell viele Bereiche der Gesellschaft, Kultur und Industrie. Künstler nutzen sie als Medium; Museen setzen sie zunehmend in der Vermittlungsarbeit ein, über die Art und Weise lässt sich diskutieren. Wir dürfen gespannt sein, wie es mit Virtual Reality in der Kultur weitergeht!

Haben Sie schon Virtual Reality erlebt? Was beeindruckte, stieß Sie ab oder können Sie empfehlen?

© Tanja Praske

Dr. Tanja Praske

Dr. Tanja Praske ist Kunsthistorikerin und Lehrbeauftragte für Digitale Kunstgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sie berät Kulturinstitutionen zu digitalen Strategien. Für die Bayerische Schlösserverwaltung konzipierte sie eine Garten-App und führte die Tweetwalks #Lustwandeln durch.
Als Kulturbloggerin schreibt sie seit Oktober 2012 auf: www.tanjapraske.de. Sie bespricht neben Kultur erleben Formate der digitalen Kommunikation mit Schwerpunkt auf Kulturvermittlung, Social Media, Bloggen sowie digitale Transformation.