Wozu das denn? Büste von Karl Marx

Michael Ilg | 8. Juni 2022

Die 217 Kilogramm schwere aus Marmor gefertigte Büste von Karl Marx wurde vom rumänischen Künstler Constantin Baraschi (1902-1966) gestaltet. Als Teil der Ausstellung „Karl Marx und der Kapitalismus“ wirft sie Fragen zur Rezeption von Karl Marx und zur Hausgeschichte des Deutschen Historischen Museums auf. Mehr dazu von Michael Ilg, wissenschaftlicher Volontär und Teil des Projektteams der Ausstellung.

Der 1902 in Câmpulung (Rumänien) geborene Bildhauer Constantin Baraschi studierte in Rumänien und Frankreich und war später als Professor am Institut für Bildende Kunst an der Universität in Bukarest tätig. Vor dem Zweiten Weltkrieg behandelte er in seinem künstlerischen Werk Themen der antiken Mythologie und des Christentums. Nachdem Rumänien unter sowjetischen Einfluss geriet und Mitglied des Warschauer Paktes wurde, avancierte er schnell zu einem der wichtigsten Vertreter*innen des Sozialistischen Realismus im Land.[1] Eine von ihm gefertigte Bronzeplastik von Lenin und Stalin, die vom stellvertretenden Ministerpräsidenten Rumäniens, Vasile Luca, zum zweijährigen Jubiläum der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) am 7. Oktober 1951 als Staatsgeschenk überreicht wurde, zeugt von der Rolle Baraschis als Vorzeigekünstler der Jungen Volksrepublik Rumänien. Heute befindet sich diese Plastik in der Sammlung des Deutschen Historischen Museums.

Die in „Karl Marx und der Kapitalismus“ präsentierte Büste steht als Beleg für die Verwendung Marx‘ als „steinerne Ikone“ im Sozialismus. Baraschi fertigte diese im Jahr 1953. Beinahe einen Meter Höhe misst das Marxsche Ebenbild aus Marmor, dessen helle Oberfläche sogar stellenweise leicht glitzert. Es zeigt den gebürtigen Trierer bekleidet mit Hemd, Weste und leicht geöffnetem Sakko sowie mit langem Vollbart im fortgeschrittenen Alter. Baraschis Marx blickt streng geradeaus, er verzieht keine Miene, lediglich auf seiner Stirn zeichnen sich ernste Falten ab.

Constantin Baraschi, Marmorbüste Karl Marx, 1953 © DHM, Indra Desnica

Als Geschenk der Volksrepublik Rumänien im sogenannten Karl-Marx-Jahr 1953 – begangen anlässlich des 70. Todestags und 135. Geburtstages von Karl Marx kam sie in die DDR. Die Büste wurde in einer der ersten Ausstellungen des kurz zuvor gegründeten Museums für Deutsche Geschichte, des nationalen Geschichtsmuseums der DDR, als eine von vier Büsten des Philosophen gezeigt. Diese Marx-Präsentation wurde am 2. Mai 1953 in den Räumen des ehemaligen Zeughauses in Berlin eröffnet. In 44 Räumen gegliedert, zeigte diese die Lebens- und Wirkungsstätten von Karl Marx und Friedrich Engels sowie die „Weiterentwicklung“ ihrer Lehren in der Sowjetunion. Die Ausstellung diente nicht nur der Präsentation von Marx’ Leben und Werk, sondern sollte die DDR zur Erbin des „größte[n] Sohn[es] des deutschen Volkes“ stilisieren.[2]

Plakat der Ausstellung „Karl Marx“ im Museum für Deutsche Geschichte, 1953 © DHM

Der Direktor des Museums für Deutsche Geschichte, Prof. Dr. Alfred Meusel, betonte im Vorwort des Ausstellungskataloges die Ziele der Schau: „Die Marx-Ausstellung soll dem Besucher nicht nur die Marxschen Werte nahebringen, sondern sie will ihn dazu anregen, […] an jenem gewaltigen Umwälzungsprozeß mitzuarbeiten, der im Werk von Marx und Engels den Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft führte und der ihn im Werk von Lenin und Stalin zur Tat werden ließ.“[3]

Zu den Exponaten gehörte nicht nur eine Vielzahl von Büsten und Plastiken. Es wurden auch seltene Dokumente zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Erstausgaben des „Manifests der kommunistischen Partei“ und des „Kapitals“ sowie Privatgegenstände aus dem Besitz der Familie Marx präsentiert. Eine große Anzahl von Mitarbeiter*innen waren an der Vorbereitung der Ausstellung beteiligt. Der Nachbau zahlreicher historischer Objekte, wie die Kopie einer Druckerpresse aus der Zeit der Rheinischen Zeitung, sollte die Ausstellung lebendig erscheinen lassen. Bereits in der ersten Jahreshälfte 1952 informierte Walter Ulbricht Michail Andrejewitsch Suslow, Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, dass anlässlich des „Marx-Jahres“ eine Ausstellung in Berlin eröffnet werde. Er bat ihn nicht nur um Hilfe bei der Beschaffung von Fotografien und Dokumenten, sondern auch um die Herstellung einer exakten Kopie des Sterbesessels von Karl Marx.[4]

Eingang des Zeughaus während der Karl Marx-Ausstellung im Museum für Deutsche Geschichte im Jahr 1953 © DHM

Nicht nur die Beteiligung Rumäniens zeugt von der internationalen Bedeutung, die die Ausstellung bei den kommunistischen Staaten Osteuropas genoss. Walter Ulbricht bedankte sich am 25. März 1953 beim Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Sowjetunion für die Übersendung von nachgebildeten Möbeln aus dem Besitz von Marx mit den Worten: „Wir sprechen Ihnen für den uns übersandten Sessel, Arbeitsstuhl und das Bücherregal von Karl Marx unseren herzlichsten Dank aus. Diese hochherzige Unterstützung ist ein außerordentlich bedeutungsvoller Beitrag zur Durchführung des […] Karl-Marx-Jahres, besonders für die Ausgestaltung unserer Karl-Marx-Ausstellung.“[5]


Verweise:

[1] Mocanescu, Alice Carmen Rodica, The leader cult in communist Romania 1965-1989: constructing Ceauescu’s uniqueness in painting, Durham theses, Durham University 2007. Online: http://etheses.dur.ac.uk/2571/, S. 89f.

[2] Museum für Deutsche Geschichte (Hg.), Karl Marx. 5. 5. 1818 – 14. 3. 1883. Ausstellung im ehemaligen Zeughaus Unter den Linden, Berlin 1953, S.8.

[3] Ebd.

[4] Hecker, Rolf, Die Herausgabe von Marx/Engels-Schriften zwischen erster MEGA und MEW (1945–1953), in: Sonderbände der Beiträge zur Marx-Engels-Forschung. Neue Folge. Sonderband 5: Die Marx-Engels-Werkausgaben in der UdSSR und DDR (1945-1968), Hamburg 2006, S. 13-55, S. 52.

[5] Zitiert nach: Ebd.

 

Michael Ilg

 

Michael Ilg ist seit Mai 2021 wissenschaftlicher Volontär im Bereich Ausstellungen am Deutschen Historischen Museum. Er studierte Geschichte mit den Schwerpunkten Südosteuropäische Geschichte und Jüdische Geschichte an den Universitäten Augsburg, Prag und Poznań.