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1695 bis 1883: Vom Waffenlager zum Armeemuseum

Die Idee zur Errichtung eines Zeughauses in Berlin stammt von Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg. Sein Sohn, Kurfürst Friedrich III., der spätere König Friedrich I. in Preußen, setzte das Vorhaben in die Tat um. Der Bau begann 1695, die letzten Arbeiten im Inneren wurden 1730 abgeschlossen. Die über dem Hauptportal angebrachte lateinische Inschrift verweist auf den Zweck des Neubaus: „Den Waffentaten zur Anerkennung, den Feinden zum Schrecken, seinen Freunden und Bundesgenossen zum Schutz, hat Friedrich I., der erhabene und unbesiegte König der Preußen, dieses Zeughaus zur Bergung aller Kriegswerkzeuge sowie kriegerischer Beute und Trophäen von Grund aus erbauen lassen“.

Das repräsentative Gebäude, in einer von starken Befestigungsanlagen umgebenen Residenzstadt und dem königlichen Schloss gegenübergelegen, war das zentrale Waffenlager der preußischen Armee. Hier lag das im Kriegsfall benötigte „Kriegswerkzeug“, kurz „Zeug“, bereit – etwa schwere Geschütze und dazugehörige Fahrgestelle oder Musketen und Säbel. Zudem hob man dort in den Feldzügen eroberte Trophäen, darunter Fahnen und Standarten, auf.

In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts stieg das Königreich Preußen zu einer der größten Militärmächte Europas auf. Bis zum Ende der Hohenzollern-Monarchie 1918 behielt das Militär eine herausgehobene Bedeutung und gesellschaftlichen Einfluss. Nach den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 kamen neue Trophäen von den Schlachtfeldern ins Zeughaus, das so zu einer Erinnerungsstätte für die zu einem preußischen Gründungsmythos verklärten Siege über den französischen Kaiser Napoleon I. wurde.

Eine Restaurierung des Gebäudes und seine teilweise Neueinrichtung erfolgte um 1820 unter dem Architekten und Designer Karl Friedrich Schinkel. Die Bestände der Sammlung dienten nun auch der Weiterentwicklung von Waffen und der Ausbildung von Offizieren. Nachdem Aufständische während der Revolution von 1848 das Zeughaus gestürmt und dabei auch neue, geheim gehaltene Zündnadel-Gewehre entwendet hatten, verlor das Gebäude seine Funktion als Lager für gebrauchsfähige Waffen.

Auf den Sieg über Frankreich im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 folgte im Januar 1871 die Ausrufung des deutschen Kaiserreichs und die des preußischen Königs Wilhelm I. zum Kaiser. Er beschloss den Umbau des Hauses in eine „Ruhmeshalle der brandenburgisch-preußischen Armee“ mit dazugehörigem Museum.

1883 bis 1945: Von der Ruhmeshalle zum Trümmerhaufen

Das 1883 eröffnete königlich preußische Armeemuseum verherrlichte die Herrscher- und Militärgeschichte der Hohenzollern. Ausgestellt waren u.a. mittelalterliche Waffen und Rüstungen, historische Kanonen und Festungsmodelle sowie Uniformen der Armee König Friedrichs des Großen. Als Attraktion galt neben den Andenken an Kaiser Wilhelm I. und Kaiser Friedrich III. die durch den Umbau neu entstandene Herrscher- und Feldherrnhalle. Namhafte Künstler hatten sie mit Fresken und Skulpturen ausgeschmückt. Auf eine der Wände hatte Anton von Werner als Teil eines Zyklus‘ von Historienbildern „Die Proklamierung des deutschen Kaiserreichs“ gemalt, eine überlebensgroße Marmorfigur der Siegesgöttin „Viktoria“ stammte von Fritz Schaper, weitere Bildhauerwerke von Reinhold Begas. Durch Überweisungen und Schenkungen, aber auch durch Kauf und Tausch entstand bald eine der größten Militaria-Sammlungen Europas.

Seit dem Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 kam das Armeemuseum propagandistisch zum Einsatz. Im Hof ausgestellte Beutestücke von der West- und Ostfront sollten die Erfolge der deutschen Armee belegen. Auch für die Verehrung von Kriegshelden gab es Platz, zu sehen war beispielsweise ein Kampfflugzeug des erfolgreichen Jagdfliegers Hauptmann Oswald Boelcke. Die Ausstellungen versuchten zunächst, die Bevölkerung zu mobilisieren, später ihren Durchhaltewillen zu stärken. Das Sammeln konzentrierte sich auf Uniformen, Ausrüstungsgegenstände und Waffen der Verbündeten und ihrer Gegner.

Nach der Niederlage im Krieg, der Abdankung Kaiser Wilhelms II. und der Gründung der Republik wurde das bislang militärisch verwaltete Museum 1919 dem preußischen Ministerium für Wissenschaft, Kultur und Volksbildung zugewiesen. Im Verbund der Staatlichen Museen kam ihm keine besondere Bedeutung mehr bei. Unter einem zivilen Direktor konzentrierte sich das Haus auf mittelalterliche und frühneuzeitliche Rüstungen und Waffen. Die im Versailler Vertrag 1919 festgeschriebene Rückgabe der Kriegsbeute an Frankreich und die Demilitarisierung hinterließen sichtbare Lücken in den Beständen.

Ab 1934 nutze das nationalsozialistische Regime das Haus für seine Zwecke. Als zentrales Heeresmuseum mit einem Wehrmachtsoffizier an der Spitze war es jetzt der Ort, an dem ein neu eingerichteter Ausstellungsteil an den Weltkrieg erinnerte, der in nationalsozialistischer Interpretation durch Verrat und Sabotage hinter der Front verloren gegangen war – eine Verschwörungstheorie, die den Wunsch nach Revanche vermitteln sollte. In der ersten Hälfte des Zweiten Weltkriegs kündeten ausgestellte Kriegsbeutestücke von den Siegen der Wehrmacht in Blitzkrieg und Russlandfeldzug. Ende 1943 war das Museum bei einem Fliegerangriff erstmals von Bomben getroffen worden, durch weitere brannte der Dachstuhl aus, die Kuppel der Ruhmeshalle und Teile des Gewölbes stürzten ein. Zwar waren wertvolle Exponate zuvor evakuiert worden, doch passierte mit ihnen bisweilen das, was diese Maßnahme hätten verhindern sollen: Viele der in Kisten verpackten Objekte wurden von vorrückenden polnischen und sowjetischen Soldaten während des Transportes erbeutet, andere später an den Auslagerungsorten von Zivilisten geplündert.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Aufteilung Berlins durch die vier Alliierten lag das zerstörte Zeughaus im sowjetischen Sektor. Die Sieger sahen im preußisch-deutschen Militarismus eine der Wurzeln des Nationalsozialismus. Die Alliierte Kommandantur der Stadt Berlin löste das Museum als Symbol dieser Geschichte auf.

1950 bis 1990: Museum für Deutsche Geschichte

Das Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschland (SED) beschloss im August 1950 die Gründung eines historischen Museums. Es sollte der Bevölkerung ein neues Geschichtsbild vermitteln und pädagogisch wirken: Nach marxistisch-leninistischer Auffassung bestand deutsche Geschichte nicht aus Herrscher- und Militärgeschichte, sondern aus einer Abfolge von Klassenkämpfen, die einer Gesetzmäßigkeit folgend zum Sieg des Sozialismus und Kommunismus führte und in der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) als „Arbeiter- und Bauernstaat“ gipfelte. Zu dieser Vorstellung gehörte neben der Akzentuierung von Revolutionen auch die Erzählung vom antifaschistischen Widerstand und sozialistischen Weltfrieden. Im Januar 1952 konstituierte sich das „Museum für Deutsche Geschichte“ (MfDG). Bereits sechs Monate später eröffnete es die erste Dauerausstellung in der Clara-Zetkin-Straße 26 (heute Dorotheenstraße). Anfang der 1960er Jahre zog das Museum in das wiederaufgebaute Zeughaus.

Persönliche Gegenstände von führenden Kommunisten wie Karl Liebknecht und Ernst Thälmann galten als Höhepunkte der Ausstellung. In deren gegenwartsbezogenem Teil beschworen Staatsgeschenke, Verträge und ausländische Auszeichnungen die sogenannte internationale Solidarität und insbesondere die Freundschaft mit der UdSSR. Größeren Raum nahmen dort moderne technische Geräte ein, beispielsweise ein Modell des Forschungssatelliten „Interkosmos 1“ oder ein Industrieroboter; es galt, die wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Errungenschaften des Sozialismus zu demonstrieren. Auch für politischen Kult war Platz: 1970 richtete das Haus eine Lenin-Gedenkstätte ein. Die Sonderausstellungen des MfDG vertieften historische Ereignisse, beispielsweise den Bauernkrieg und die Reformation, aber auch aktuelle Themen. Diese dienten oft dazu, die DDR- und SED-Geschichte zu feiern.

Da das MfDG bei seiner Gründung nur auf die erhalten gebliebenen Bestände des Zeughauses zurückgreifen konnte, musste eine neue Sammlung entstehen. Ihr Schwerpunkt lag auf der Geschichte der Arbeiterbewegung und der sozialistischen Partei. 1958 gab die UdSSR einen Teil der nach Moskau gebrachten sowjetischen Kriegsbeute zurück. Zum Aufbau der sozialgeschichtlichen Sammlungen trugen Schenkungen und Erwerbungen bei; das Museum profitierte auch von den Enteignungen der Bodenreform. Da für viele Bereiche des sozialistischen Geschichtsbildes jedoch kaum authentische Exponate existierten, gab das MfDG künstlerische Geschichtsdarstellungen in Auftrag, die diesen Mangel auf ihre Weise behoben.

Nach dem Fall der Berliner Mauer im November 1989 versuchte die Museumsdirektion, Anschluss an die politischen Veränderungen zu finden. Der kurz nach der Währungsunion ergangene Sammlungsaufruf „Die DDR ins Museum“ war der Versuch, die materielle Alltagskultur des im Schwinden begriffenen Staates museal zu sichern. Am 29. August 1990 beschloss der Ministerrat der letzten DDR-Regierung die Auflösung des MfDG zum 15. September 1990. Liegenschaften und Sammlung gingen über an das Deutsche Historische Museum (DHM).

1990 bis heute: Deutsches Historisches Museum

Die Konzeption für das DHM, 1987 von einer Sachverständigenkommission aus Historikern, Kunsthistorikern, Kulturwissenschaftlern und Museumsfachleuten entwickelt, hob mit Blick auf den europäischen Vergleich transnationale Bezüge der deutschen Geschichte hervor. Als historisches Museum solle das Haus keine Verklärung der Nation schaffen, sondern aufklären:

„Das Museum soll Ort der Besinnung und der Erkenntnis durch historische Erinnerung sein. Es soll informieren, die Besucher darüber hinaus zu Fragen an die Geschichte anregen und Antworten auf ihre Fragen anbieten. Es soll zur kritischen Auseinandersetzung anregen, aber auch Verstehen ermöglichen und Identifikationsmöglichkeiten bieten. Vor allem soll das Museum den Bürgern unseres Landes helfen, sich darüber klar zu werden, wer sie als Deutsche und Europäer, als Bewohner einer Region und als Angehörige einer weltweiten Zivilisation sind, woher sie kommen, wo sie stehen und wohin sie gehen könnten.“ (Endgültige Konzeption der Sachverständigenkommission für ein Deutsches Historisches Museum in Berlin, überreicht am 24. Juni 1987)

Anlässlich der 750-Jahr-Feier Berlins unterzeichneten Bundeskanzler Helmut Kohl und Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen am 28. Oktober 1987 das Gründungsdokument des DHM. Obwohl für das Museum zunächst ein Neubau am Spreebogen vorgesehen war, bezog es 1990 das vom aufgelösten MfDG übernommene Zeughaus. Die Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 machte das DHM zum gesamtdeutschen Museum. Nach einer ersten umfangreichen Ausstellung der vom DHM erworbenen Objekte wurde das Zeughaus von 1999 bis 2003 umgebaut, die darin neu eingerichtete Dauerausstellung war von 2006 bis 2021 zu sehen.

2003 konnte die vom amerikanisch-chinesischen Architekten I.M. Pei konzipierte Ausstellungshalle neben dem Zeughaus eröffnet werden. Mit dem sogenannten Pei-Bau vergrößerte sich die ursprüngliche Ausstellungsfläche des DHM. Diese moderne Ergänzung zum barocken Gebäude schuf Platz für die vielfältigen Wechselausstellungen.

Die Breite der Sammeltätigkeit, die neben Politikgeschichte auch die vielschichtige Alltags-, Kultur-und Militärgeschichte sowie eine Bibliothek umfasst, die zahlreichen Wechselausstellungen, die Diskussionen und Kontroversen anstießen, die vielen Publikationen sowie die Einbindung in ein deutsches und internationales Netzwerk haben das DHM zu einem modernen nationalen Geschichtsmuseum werden lassen.

Dr. Thomas Weißbrich und Laura Groschopp