Auf Spurensuche nach Hans-Hasso von Veltheim – Zur sammlungsübergreifenden Provenienzforschung am DHM

Heike Krokowski und Charlotte Lenz | 26. Mai 2023

Am 12. April 2023 – dem 5. Internationalen Tag der Provenienzforschung – gab das Deutsche Historische Museum im Rahmen der von der Staatsbibliothek zu Berlin und der Zentral- und Landesbibliothek organisierten Stadtspaziergänge #spurensuche Einblicke in die abteilungsübergreifende Provenienzforschung im DHM. Für all jene, die nicht dabei sein konnten, erzählen Heike Krokowski, Provenienzforscherin am DHM und Charlotte Lenz, Mitarbeiterin der DHM-Bibliothek, noch einmal die spannende Geschichte von Hans-Hasso von Veltheim.

Hans-Hasso von Veltheim wurde 1885 in Köln geboren. Sein Vater Baron Franz von Veltheim stammte aus einer altadligen Familie, die den deutschen Kaisern in unterschiedlichen Funktionen gedient hatte. Die Familie seiner Mutter Emma Clara, geb. Herbertz, hingegen stand in Verbindung mit dem Reichskanzler Otto von Bismarck.

Einige Bekanntheit erreichte Hans-Hasso von Veltheim als Verfasser mehrerer Bücher über Asien, vor allem von Reisetagebüchern aus den Jahren 1935/36 und 1937 bis 1939. Er gehörte zum Umfeld von Rudolf Steiner und war ein früher Anhänger der Anthroposophie und der ihr nahestehenden Christengemeinschaft.

Veltheim studierte Kunstgeschichte in München und promovierte 1913 bei Artur Weese in Bern zum Thema „Burgundische Kleinkirchen bis zum Jahre 1200“. Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts legte er durch Ankäufe auf dem Kunstmarkt den Grundstein für eine eigene Kunstsammlung. Nach dem Ersten Weltkrieg bis in die späten 1920er Jahre war er als Kunsthändler tätig und verkaufte und vermittelte z.B. dem Berliner Verleger Ferdinand Springer Gemälde alter Meister, aber auch solche aus dem frühen 19. und 20. Jahrhundert.

1927, nach dem Tod seines Vaters, trat Hans-Hasso von Veltheim die Erbfolge auf dem Familiensitz Schloss Ostrau, das ca. 20 Kilometer nördlich von Halle (Saale) liegt, an. In den folgenden Jahren renovierte er das barocke Wasserschloss und den Schlosspark aufwendig und stattete es mit seinen Kunstsammlungen aus. In die Räume der ehemaligen Schlossbrauerei ließ er eine zweigeschossige Bibliothek einbauen, die auch das Schlossarchiv beherbergte. Schloss Ostrau wurde unter seinem neuen Besitzer zum Mittelpunkt eines regen Besucherverkehrs und des geistigen und kulturellen Austauschs.

Wie in adligen Kreisen üblich, erhielt Veltheim bereits als Jugendlicher eine militärische Ausbildung, war ab 1911 in einer Luftschiffer- und Ballonfahrereinheit in Tegel bei Berlin stationiert und nahm am Ersten Weltkrieg als Feldaufklärer teil. Dem Nationalsozialismus stand Hans-Hasso von Veltheim ambivalent gegenüber. Einerseits stieß er als Anthroposoph bei Regime-Vertretern auf große Skepsis und wurde wegen seiner Nähe zur Christengemeinschaft auch von der Gestapo verhört. Zudem unterhielt er Kontakte zu politisch und rassisch verfolgten Persönlichkeiten wie Oberrabbiner Leo Baeck oder seiner Cousine Elisabeth von Thadden, die 1944 als Angehörige des Widerstands in Plötzensee hingerichtet wurde. Andererseits wurde er 1937 NSDAP-Mitglied, ließ sich vom Regime seine Asienreise 1937 bis 1939 finanzieren und für die Auslandswerbung für das Deutsche Reich einbinden. Am Zweiten Weltkrieg nahm er aus Altersgründen aber nicht mehr teil.

Nach Kriegsende wurde Ostrau von den amerikanischen Truppen besetzt, was Veltheim zunächst zum Bleiben veranlasste. Doch bereits im Sommer 1945 kam es gemäß der Konferenz von Jalta zu einer Gebietsbereinigung, in deren Folge Anhalt an die sowjetische Armee überging. Die Situation Veltheims wurde prekär und bereits im Oktober 1945 wurden Schloss und Gut Ostrau im Zuge der Bodenreform als einer der ersten Großgrundbesitze Anhalts enteignet. Hans-Hasso von Veltheim setzte sich daraufhin, gesundheitlich bereits stark angeschlagen, überstürzt in die westalliierte Zone ab.

Bibliothekszimmer in Schloß Ostrau (Petersberg), ErwinMeier, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

Die Kunstwerke aus Schloss Ostrau wurden im Jahr 1949 in die Moritzburg in Halle verbracht. Große Teile der Schlossbibliothek, die 20.000 Bände umfasst haben soll, hingegen gelangten in die Universitätsbibliothek Halle. Das Schloss selbst nutzte zunächst die Universität Halle für das Institut für Praktische Biologie; ab Mitte der 1950er Jahre wurde darin dann die Grundschule von Ostrau eingerichtet, die sich auch heute noch dort befindet.

Nach seiner Flucht in die westalliierte Zone wurde Veltheim nicht mehr heimisch. Zunächst bei Familienangehörigen in Niedersachsen untergekommen, wohnte er in den folgenden Jahren meist auf Einladung von Freunden in deren Wohnungen und Häusern u.a. in Hamburg, Solingen und in seiner Geburtsstadt Köln. Seine Gesundheit verschlechterte sich zusehends. Er starb im Jahr 1956 im Alter von 70 Jahren in einem Sanatorium auf der Insel Föhr.

Veltheim konnte nur einen sehr kleinen Teil seiner beweglichen Habe retten. Als er Ostrau verließ, nahm er nur wenige seiner Besitztümer mit. Aber er gab Personen, die vor ihm in den Westen gingen, einige seiner Wertsachen mit. Zu diesen Gegenständen gehört die Bronze-Statue eines „Schreitenden Buddhas“, die Veltheim 1938 auf seiner Asienreise in Bangkok erwarb und die sich heute in Kölner Museumsbesitz befindet.

Bis heute finden sich Bücher mit der Provenienz Veltheim-Ostrau nicht nur in der Universitäts- und Landesbibliothek Halle, der Universitätsbibliothek Magdeburg, der Landesbibliothek Dessau und der Staatsbibliothek zu Berlin, sondern  auch in der Bibliothek des DHM. Untersucht wurde dieser Bestandteil nun in einem Projekt der proaktiven Provenienzforschung, in dem die DHM-Bibliothek systematisch ihren Bestand auf kritisch zu betrachtende Zugänge hin untersucht.  

Anfang bis Mitte der 1950er Jahre erhielt die noch junge Bibliothek des Museums für Deutsche Geschichte, eine der Vorgängereinrichtungen der heutigen DHM-Bibliothek, zahlreiche Buchdubletten von der bereits erwähnten Universitäts- und Landesbibliothek Halle. Diese war nach dem Krieg die zentrale Auffangstelle für Bücher aus aufgelösten Guts- und Adelshäusern in ganz Sachsen-Anhalt, was der Bibliothek neben einem Zuwachs von über einer Million Bänden auch den Aufstieg von der Universitäts- zur Universitäts- und Landesbibliothek einbrachte.  Zu den hinzugekommenen Büchern gehörten auch die der Bibliothek von Schloss Ostrau. Übermittelt sind genaue Aufzeichnungen in Listenform über die Abgaben von Büchern an andere Bibliotheken auf dem Territorium der DDR, die Aufschluss darüber geben, welche Publikationen thematisch passend an das Museum für Deutsche Geschichte in Berlin abgegeben wurden.

Abgabe Liste 55

Liste 55 führt dabei die Bücher aus dem Vorbesitz von Hans-Hasso von Veltheim auf, von denen sechs Bände nach Berlin in die Museumsbibliothek abgegeben worden sein sollen. Bei der Überprüfung dieser Bücher konnte tatsächlich ein Band mit der Provenienz von Veltheim identifiziert werden. Bei dem Buch handelt es sich um das „Urkundenbuch zu der Geschichte des Reichstages zu Augsburg im Jahre 1530/31“ von Karl Eduard Förstemann.

Titelblatt

Ein Eigentumstempel und der handschriftliche Namenszug von Veltheim ordnen es als seiner Bibliothek zugehörig ein.  Durch die Übernahme der Buchbestände der Bibliothek des Museums für Deutsche Geschichte ist es heute Bestandteil der Sammlung der DHM-Bibliothek.

 

 

Heike Krokowski

Heike Krokowski ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Provenienzforschung des Deutschen Historischen Museums

 

 

Charlotte Lenz

Charlotte Lenz ist stellvertretende Leiterin der Bibliothek des Deutschen Historischen Museums