Die Wappensäule von Cape Cross – drei Länder, drei Geschichten, eine Vergangenheit
Am 7. Juni findet im Deutschen Historischen Museum das Symposium zur Wappensäule von Cape Cross statt. Dr. Claudia Buchwald hat an der inhaltlichen Konzeption und Ausrichtung der Tagung mitgearbeitet. Für den DHM-Blog zeichnet sie die Geschichte der Wappensäule nach, umreißt die verschiedenen Perspektiven auf die Säule und erklärt, warum das DHM dieses Symposium veranstaltet.
In den alten Weltkarten ist sie eingezeichnet: die Wappensäule von Cape Cross. Ihre Geschichte beginnt mit den großen Entdeckungsfahrten der Frühen Neuzeit. Im Auftrag des portugiesischen Königs segelte Diogo Cão die Westküste Afrikas entlang, um einen Seeweg nach Indien zu finden. Indien – das versprach den lukrativen Handel mit Gewürzen, Seidenstoffen und Sklaven, der Weg dorthin die Entdeckung ferner Länder und ihre Kolonialisierung in christlicher Mission.
Als Markierung des Herrschaftsanspruchs und als Seezeichen für andere Schiffe wurden Säulen aus Kalkstein aufgestellt, mit Kreuzaufsatz, portugiesischem Wappen und Inschrift, auch Padrão genannt. 1486 ließ Cão eine dieser Säulen an der Küste des heutigen Namibia errichten. Der Ort wurde Cabo de Padrão genannt.
Über die Jahrhunderte verwitterte der Stein, die Säule neigte sich in Schräglage und war von See nur schwer auszumachen. Gelegentlich wurde sie von vorbeifahrenden Schiffen gesichtet. 1893 entdeckte der deutsche Kapitän Gottlieb Becker vom Kreuzer „Falke“ eher zufällig die Säule, als er während einer Vermessungsfahrt auf Wassersuche war, nahm sie an Bord und ließ sie zum Reichsmarinehafen Kiel verschiffen. Das Gebiet gehörte seit 1884 zu „Deutsch-Südwestafrika“ und war damit Teil des deutschen Kolonialreiches.
„Deutsch-Südwestafrika“ versprach privaten Unternehmern Kupfer, Diamanten, Guano und Erträge aus der Robbenjagd, den Siedlern vor allem Land für die Viehzucht und den deutschen Kolonialherren die Partizipation an wilhelminischen Großmachtphantasien. Als Teil der Flottenpropaganda des deutschen Kaisers wurde die Säule in seinem Prestigeunternehmen, dem Berliner Institut und Museum für Meereskunde, präsentiert. Wilhelm II. ließ am mittlerweile Kreuzkap genannten Ort eine neue Säule mit Reichsadler und deutscher Inschrift aufstellen. Das Original gelangte schließlich ins Zeughaus Unter den Linden, wo es seit 2006 in der Dauerausstellung gezeigt wird.
Asymmetrie kolonialer Begegnungen
Soweit die Geschichte der Säule aus der eurozentrischen Perspektive erzählt. Was in dieser Darstellung vollkommen fehlt, ist die Seite der einheimischen Bevölkerung, die Bedeutung der Geschichte, die mit der Säule einherging, und damit die dramatischen Folgen der Kolonisierung. Heute, im Zeitalter des Postkolonialismus, fordern afrikanische Staaten die Aufarbeitung dieser Vergangenheit ein und emanzipieren sich von einer eurozentrischen Deutungsmacht. In den letzten Jahren haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Asymmetrien und Komplexität kolonialer Begegnungen herausgearbeitet, aber auch Handlungsspielräume und Widerstände lokaler Herrscher dargestellt. Museen haben die Thematik aufgegriffen, jüngst auch das Deutsche Historische Museum in seiner Ausstellung Deutscher Kolonialismus – Fragmente seiner Geschichte und Gegenwart.
Dennoch bleiben viele Fragen offen. Kaum können wir uns die ersten Begegnungen zwischen den Herero und europäischen Seefahrern vorstellen, bei denen Vieh gegen Messer, Kalebassen und Rohstoffe getauscht wurden. In Deutschland ist wenig bekannt über Samuel Maharero und Hendrik Witbooi, die Führer der Herero und Nama, die zunächst mit den Kolonialherren Allianzen bildeten, und sich dann in einem Krieg um Kolonialherrschaft und Landbesitz gegen diese auflehnten. Berüchtigt sind dagegen der Vernichtungsfeldzug Lothar von Trothas gegen die Herero, bei dem Überlebende in der Wüste verdursteten, und die Einrichtung von Konzentrationslagern für Herero und Nama. Zehntausende starben. Dieser traurige Höhepunkt des Aufbegehrens wird mittlerweile als Genozid bezeichnet. Die Tagebücher von Witbooi, die „Witbooi-Papers“, sind UNESCO-Weltdokumentenerbe. Die erinnerungspolitische Debatte in der Öffentlichkeit hat Fahrt aufgenommen.
Parallel dazu bewegt europäische Museen eine weitere Diskussion: die Kontroverse um die Rückgabe kolonialer Objekte. 2017 hat der französische Präsident Emmanuel Macron in Burkina Faso die Herausgabe aller afrikanischen Artefakte aus französischen Museen angekündigt. Kürzlich hat der Deutsche Museumsbund einen Leitfaden zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten herausgegeben. Seit dem 1. Juni 2017 liegt der deutschen Regierung eine diplomatische Note vor, in der Namibia die Restitution der Säule verlangt — was eben auch den veränderten Umgang mit der gemeinsamen Geschichte anzeigt.
Historische Gerechtigkeit
Koloniale Objekte repräsentieren ihre Geschichte. Die Geschichte des Wappenkreuzes ist bekannt, aber die unterschiedlichen Blickwinkel darauf müssen aufgearbeitet, nebeneinandergestellt, verhandelt und in ihrer Bedeutung für die Säule bestimmt werden. Daran schließen sich Fragen der Präsentation in den Ausstellungen und des Umgangs mit diesen Objekten zwischen den Kontinenten an. Doch jedes Objekt ist anders, und jede Geschichte besonders. Die Wappensäule von Cape Cross ist kein afrikanisches Kunstwerk. Damit stößt sie Fragen an, wie man ihr im Dialog der Nachlebenden aus Europa und Afrika historisch gerecht werden kann. Selbst wenn es keine völkerrechtliche Grundlage geben sollte, schließt das die Diskussion einer möglichen Rückgabe der Säule an Namibia mit ein. Das Symposium im Deutschen Historischen Museum thematisiert diese Fragen und sucht den Austausch der unterschiedlichen Perspektiven.