> Die Schlacht bei Sedan 1870

Die Schlacht bei Sedan

Die Schlacht bei Sedan fand am 1./2. September 1870 statt. Für Preußen vollendeten die Kapitulation der dort kämpfenden französischen Armee und die Gefangennahme von Kaiser Napoleon III. einen der triumphalsten Siege in seiner Geschichte. Grund genug für einen Rückblick auf die entscheidende Schlacht im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 sowie auf die Erinnerung an dieses Ereignis in den Jahrzehnten danach.

Nach Gründung des Norddeutschen Bundes unter preußischer Führung 1867 sah Frankreich im erstarkten Preußen einen machtpolitischen und wirtschaftlichen Konkurrenten in der Mitte Europas. Diplomatische Verwicklungen und die vom preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck bewusst provokant formulierte Emser Depesche führten am 19. Juli 1870 zur französischen Kriegserklärung. An die Seite Preußens traten alle weiteren Mitglieder des Norddeutschen Bundes und sämtliche süddeutschen Staaten.

Die deutschen Armeen und das französische Heer zählten im Verlauf des Krieges jeweils über eine Million Soldaten. Der deutsche Aufmarsch vollzog sich mit Hilfe der Eisenbahn vergleichsweise schnell und reibungslos. Schon am 18. August erfolgte bei Gravelotte die größte Schlacht des gesamten Krieges. Die geschlagenen Franzosen zogen sich anschließend auf die Festung Metz zurück. Ein Entsatzversuch durch zwei herannahende französische Armeen scheiterte am Ufer der Maas nahe der Grenze zu Belgien. General Helmuth Graf von Moltke (1800-1891), dem Chef des preußischen Generalstabs und obersten Befehlshaber der deutschen Armeen, gelang es, die Richtung Metz marschierenden Franzosen bei Sedan einschließen zu lassen: Über 200.000 deutsche Soldaten der III. Armee unter Kronprinz Friedrich von Preußen (1831-1888) und der IV. Armee (Maasarmee) unter Kronprinz Albert von Sachsen (1828-1902) hatten rund 130.000 Franzosen eingekesselt.

Nach der Schlacht hatten beide Seiten insgesamt etwa 26.000 Tote und Verwundete zu beklagen, rund 100.000 Franzosen mussten den Weg in die Kriegsgefangenschaft antreten. Unter ihnen war auch Kaiser Napoleon III., der mit der Eisenbahn zu seinen Truppen geeilt war, um die Moral seiner Soldaten nach den schweren Verlusten bei Gravelotte wiederaufzurichten. Der letztendlich kriegsentscheidende Sieg über die beiden französischen Hauptarmeen bei Sedan und die Gefangennahme des französischen Kaisers am 2. September 1870 wurden europaweit mit Erstaunen zur Kenntnis genommen und brachten dem preußischen Generalstab viel Anerkennung. In allen deutschen Staaten herrschte große Siegeseuphorie, die nach Ende des Deutsch-Französischen Krieges 1871 noch lange anhielt. Frankreich empfand die Niederlage und den Verlust des Elsass und eines Teils von Lothringen als große Schmach. Die Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich waren in den folgenden Jahrzehnten schwer belastet. Die in vielen antideutschen Karikaturen verwendete Pickelhaube galt in Frankreich fortan als Zeichen preußisch-deutscher Machtpolitik. Lange Zeit prägten derartige Karikaturen die Vorstellungen vom militanten Deutschen Reich.

Zur Erinnerung an den Reichseinigungskrieg und die Gründung des Deutschen Kaiserreiches wurde am 2. September 1873 erstmals der so genannte Sedanstag begangen. Die lokalen Festveranstaltungen während des jährlich wiederkehrenden nationalen Gedenktages waren mit Gottesdiensten, Umzügen, Festreden und allerlei Vergnüglichkeiten durch die örtlichen Behörden oder Kriegervereine weitgehend identisch. Höhepunkt der Feierlichkeiten in der Hauptstadt Berlin war die Truppenparade des Gardekorps, die vor Zehntausenden Zuschauern und vor den Augen der kaiserlichen Familie auf dem Tempelhofer Feld abgehalten wurde.

In dem nationalen Hochgefühl nach 1871 blieben Einwände gegen den Gedenktag weitgehend ungehört. In katholischen Gebieten wurde der "Sedanstag" aus Protest gegen Bismarcks Kulturkampf und aufgrund der preußisch-protestantischen Ausrichtung des Festes oftmals nicht gefeiert. Auch die staatlich verfolgte Sozialdemokratie lehnte den Gedenktag wegen dessen unübersehbarer nationalen und militaristischen Ausrichtung ab. Unter Wilhelm II. wandelte sich der Charakter des "Sedanstages": Nicht mehr so sehr der militärische Erfolg, sondern die nationale Einigung stand nun im Zentrum der Erinnerung. Jedoch verlor der "Sedanstag" um die Jahrhundertwende immer mehr an Bedeutung. Das öffentliche Interesse nahm ab, so dass zahlreiche Gemeinden die Feierlichkeiten einstellten: Zu viele Deutsche hatten keine persönliche Erinnerung mehr an den Krieg 1870/71 und die Reichseinigung, ihr Blick richtete sich vor dem Hintergrund deutschen Weltmachtstrebens unter Wilhelm II. nach vorne.

Nach Beginn des Ersten Weltkrieges wurde Anfang September 1914 zwar noch einmal der "Geist von Sedan" und ein ähnlich schneller deutscher Sieg wie 1870 beschworen. Der zähe und verlustreiche Verlauf des Krieges machte diese Hoffnungen aber schon bald zunichte. Das offizielle Ende des "Sedanstages" erfolgte am 27. August 1919 durch die Regierung der Weimarer Republik, die den Gedenktag als nicht mehr zeitgemäß beurteilte. Nur in den zahlreichen Kriegervereinen wurde eine "Sedan-Gedenkfeier" bis in das "Dritte Reich" hinein begangen.

Nach 1945 hatte der Deutsch-Französische Krieg - und damit auch die Schlacht bei Sedan - angesichts der Ausmaße, der Opfer und der im Namen Deutschlands verübten Verbrechen während des Zweiten Weltkrieges keinerlei Platz mehr in der Erinnerungskultur der Deutschen.

Arnulf Scriba
17. Mai 2018

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