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Die Weimarer Republik

Aus den revolutionären Erschütterungen der unmittelbaren Nachkriegszeit ging das Deutsche Reich als parlamentarische Demokratie hervor. Während viele Deutsche mit dem politischen Neubeginn die Hoffnung auf Überwindung von Nationalismus und gesellschaftlichen Normen verbanden, verbitterte und radikalisierte soziale Not Millionen Menschen. Als eine ebenso große Hypothek für die politische Stabilität erwiesen sich die häufigen Wechsel der insgesamt 16 Reichsregierungen innerhalb von 14 Jahren. In ihren schweren Anfangsjahren wurde die Republik von linken und rechten Extremisten bekämpft, die immer wieder gewaltsame Aufstände entfachten. Erst 1924 begann in Deutschland eine Phase relativer Stabilität. Für die Republik war es bis 1929 eine Zeit innenpolitischer Ruhe mit wirtschaftlichem Aufschwung und kultureller Blüte. Die "Goldenen Zwanziger" endeten mit der im Oktober 1929 beginnenden Weltwirtschaftskrise, in der Armut und Verzweiflung schnell um sich griffen. Mit Erfolg entfesselten die Gegner der Weimarer Republik von rechts und links eine beispiellose Agitation gegen den Staat, der keine Mittel gegen die wirtschaftliche und politische Krise fand.

Die schweren Anfänge der Republik

Träger der politischen Macht waren die Parteien, die vergleichsweise geschlossene gesellschaftliche Milieus repräsentierten. In der zerrissenen Parteienlandschaft herrschten höchst unterschiedliche Vorstellungen über die politische Gestaltung Deutschlands, wo sich die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), das Zentrum und die linksliberale Deutsche Demokratische Partei (DDP) uneingeschränkt zu den neuen demokratischen Verhältnissen bekannten. Aber die republikfeindlichen Parteien auf der rechten und linken Seite des politischen Spektrums gewannen immer mehr Einfluss. Die politische Instabilität der Republik und das soziale Elend waren zu Beginn der 1920er Jahre ein idealer Nährboden für radikale Parteien und extremistische Gruppierungen. Im März 1920 versuchten rechtsgerichtete Militärs mit einem Putsch in Berlin die Regierung zu übernehmen, im Ruhrgebiet und in Mitteldeutschland folgten 1920/21 revolutionäre Aufstandsbewegungen. Zudem erwies sich der Versailler Vertrag als ein ständiger Quell nationaler Enttäuschung. Seine harten Bedingungen hatten blankes Entsetzen hervorgerufen, die meisten Deutschen lehnten ihn als "Diktat- und Schandfrieden" ab. Den Kampf gegen die "Fesseln von Versailles" fasste die nationale Rechte als eine Frage der Ehre auf. Sie betrieb eine hasserfüllte Hetze gegen die Republik und deren Repräsentanten, ihrer geschürten Feindseligkeit fiel u.a. Reichsaußenminister Walther Rathenau zum Opfer. Er war auch wegen seiner jüdischen Abstammung zu einem Symbol der verhassten "Judenrepublik" gemacht worden. Hunderttausende demonstrierten nach seiner Ermordung im Juni 1922 zwar für Republik und Demokratie, doch gegen den manifesten Antisemitismus des völkischen Lagers sowie gegen die demokratiefeindlichen Strömungen vermochten Demonstrationen allein nur wenig auszurichten.

Ruhrbesetzung und Inflation

In eine nahezu ausweglose Krise geriet die Weimarer Republik, als nach einer geringfügigen Verzögerung der deutschen Reparationsleistungen französische und belgische Truppen am 11. Januar 1923 das Ruhrgebiet besetzten. Daraufhin proklamierte die Reichsregierung den "passiven Widerstand", ein Generalstreik lähmte die Wirtschaft. Die Inflation geriet nun völlig außer Kontrolle: Als sie im November 1923 den Höhepunkt erreichte, hatte die Währung ihre Funktion als Tauschmittel verloren. Die Ersparnisse ungezählter traumatisierter Menschen waren vernichtet – und mit ihnen das Vertrauen in den Staat: Für Republik und Demokratie waren Millionen Deutsche unwiederbringlich verloren. Von Sachsen und Thüringen aus bedrohten 1923 kommunistische Aufstände die Republik, im Westen strebten Separatisten die Loslösung des Rheinlandes vom Deutschen Reich an. Die ebenfalls zum Kampf gerüstete Rechte spann ihre Fäden zunehmend in München. Von hier aus wollte der Nationalsozialist Adolf Hitler zum "Marsch nach Berlin" ansetzen. Sein Putschversuch auf dem Höhepunkt der rasenden Inflation scheiterte am 9. November 1923 aber nach nur wenigen hundert Metern im Kugelhagel der Polizei. Damit war die schwerste Gefahr für den Staat abgewendet.

Die Phase relativer Stabilität

Den von Krisen und Aufständen gezeichneten Anfangsjahren der Republik folgte nach der Währungsreform im November 1923 eine Normalisierung der politischen und wirtschaftlichen Lage. Der Alltag breiter Bevölkerungskreise wurde immer mehr von einer konsum- und freizeitorientierten Massenkultur bestimmt. Mitte der 1920er Jahre gingen täglich etwa zwei Millionen Menschen in die Kinos, ein finanzkräftiges Bürgertum amüsierte sich gerne in den zahlreichen Revuen der Großstädte. Der Sport zog in der Weimarer Republik ein Massenpublikum an. Zum Fußball, im Kaiserreich noch als "undeutsche Fußlümmelei" verspottet, strömten wöchentlich Hunderttausende in die Stadien. Rad- und Autorennen zogen ebenso wie Boxveranstaltungen riesige Zuschauermengen an. Das neue Medium Rundfunk trat ab 1923 unaufhaltsam seinen Vormarsch an, innerhalb von zehn Jahren erhöhte sich die Zahl der in Deutschland angemeldeten Rundfunkgeräte von knapp 10.000 auf über 5,4 Millionen. Auch Schallplatten förderten die Verbreitung schnell wechselnder Schlager und Tänze wie des Charleston oder des beliebten Shimmy. Das Tanzvergnügen gehörte zum Lebensstil der so genannten Goldenen Zwanziger, die allerdings so golden nur für wenige besser gestellte Deutsche waren.

Krise und Ende der Weimarer Republik

Die rauschenden Partys endeten mit der im Oktober 1929 beginnenden Weltwirtschaftskrise. Anfang 1931 waren in Deutschland bereits fünf Millionen Menschen als arbeitslos registriert. Das soziale System der Weimarer Republik war den Folgen der Wirtschaftskrise nicht gewachsen. Verelendung, Resignation und eine allgemeine Katastrophenstimmung prägten das Alltagsleben von breiten Bevölkerungsschichten. Die ausgedehnte Unzufriedenheit der Massen entlud sich bei den Reichstagswahlen: Am 31. Juli 1932 entfielen über 37 Prozent aller Stimmen auf die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP), die den Sturz des parlamentarischen Systems offen anstrebte. Die ebenfalls demokratiefeindliche Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) kam auf über 14 Prozent. Auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise hatten die Wähler den "bürgerlichen" Parteien und der parlamentarischen Demokratie eine klare Absage erteilt. Die demokratischen Stimmen der Vernunft gingen 1932 im Getöse der "Rot-Front"- und "Sieg-Heil"-Rufe zunehmend unter. Mit riesigen Protestmärschen demonstrierten die Nationalsozialisten ebenso entschlossen gegen die Republik wie die Kommunisten. Immer häufiger lieferten sie sich Saal- und Straßenschlachten, die eigene Stärke demonstrieren und den Willen zur Übernahme der politischen Macht festigen sollten. Den "Heilsversprechungen" der extremen Parteien von einem "Dritten Reich" und einem "Sowjet-Deutschland" konnte die demokratische Mitte nichts mehr entgegensetzen: Vor dem Hintergrund des Wirtschaftsverfalls und des Anstiegs der Arbeitslosenzahl verloren die gemäßigten Parteien zunehmend an Einfluss. Mit der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler war das Ende der Weimarer Republik am 30. Januar 1933 besiegelt.

Video: Vom Wesen und Wert der Demokratie
© Stiftung Deutsches Historisches Museum
Arnulf Scriba
6. September 2014

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