Chronik 1903

JANUAR
  • 1 .1.
    Im Deutschen Reich, in Österreich-Ungarn und der Schweiz tritt die 1901 beschlossene Rechtschreibreform nach einheitlichen Regeln in Kraft.
  • König Eduard VII., König von Großbritannien und Irland, wird zum Kaiser von Indien gekrönt.
  • 8. 1.
    Der britische Kolonialminister Joseph Chamberlain (1836-1914) trifft im Rahmen einer mehrwöchigen Inspektionsreise durch Südafrika in Pretoria mit den Führern des Buren-Aufstands zusammen. Ihre Bitte um eine Amnestie lehnt er ab.
  • 17. 1.
    In Peking wird ein Denkmal für den während des Boxeraufstands ermordeten deutschen Gesandten Klemens Freiherr von Ketteler (1853-1900) eingeweiht.
  • 22. 1.
    Der amerikanische Senat genehmigt den von Präsident Theodore Roosevelt vorgelegten Vertragsentwurf über die Modalitäten zum Bau des Panama-Kanals. Er beinhaltet u.a. eine einmalige Zahlung von zehn Millionen Dollar zum Erwerb eines sechs Meilen breiten Landstreifens an Kolumbien. Das kolumbianische Parlament lehnt den Vertrag jedoch ab.  
FEBRUAR
  • 6. 2.
    Das amerikanische Repräsentantenhaus befürwortet mehrheitlich effektivere Maßnahmen zur Durchsetzung des Anti-Trust-Gesetzes von 1890, um die wirtschaftliche Macht der Monopole einzudämmen.
  • 11. 2.
    Postume Uraufführung der 9. Symphonie von Anton Bruckner (1824-1896) in Wien.
  • 13. 2.
    Venezuela unterzeichnet in Washington einen Vertrag über die Zahlung von Entschädigungen an das Deutsche Reich, Großbritannien und Italien für die während des Bürgerkriegs erlittenen materiellen Verluste. Daraufhin stellen die europäischen Mächte ihre Seeblockade der venezolanischen Häfen ein.
  • 16. 2.
    Der kubanische Präsident Tòmás Estrada Palma (1836-1908) unterzeichnet in Havanna ein Abkommen, das den USA den Ausbau der Häfen Guantánamo und Bahía Honda zu Flottenstützpunkten gestattet.
  • 22. 2.
    Tod des Komponisten Hugo Wolf (1860-1903) in Wien.  
MÄRZ
  • 3. 3.
    Der amerikanische Kongress beschließt ein neues Einwanderungsgesetz. Die Forderung der "Liga für Einwanderungsbeschränkungen" nach einem Bildungstest für Einwanderer wird abgelehnt.
  • 17. 3.
    Die britische Regierung beantragt im Parlament die finanziellen Mittel für den Neubau von drei Schlachtschiffen, sieben Kreuzern, vier Aufklärungsbooten, 15 Zerstörern und zehn U-Booten. Begründet wird die Forderung mit der Flottenaufrüstung anderer europäischer Mächte, insbesondere der deutschen.
  • 21. 3.
    Von sozialdemokratischer Seite wird im Reichstag die endgültige Abschaffung der Sklaverei in den Kolonialgebieten gefordert. Offiziell bereits verboten, ist die Sklaverei in den Kolonien dennoch weit verbreitet .  
APRIL
  • 13. 4.
    Gründung der Bagdadeisenbahngesellschaft.
  • 15. 4.
    Der russische Zar Nikolaus II. setzt für das Großfürstentum Finnland für drei Jahre die Verfassung außer Kraft. Dem russischen Generalgouverneur werden diktatorische Vollmachten zur Brechung des Widerstands der finnischen Bevölkerung gegen die Russifizierung eingeräumt.
  • 19. 4.
    In der russischen Stadt Kischinjow kommt es zum bislang schwersten Pogrom gegen Juden in Russland. Den Ausschreitungen, denen die Polizei tatenlos zusieht, fallen 49 Juden zum Opfer, 700 Häuser werden zerstört, 600 Geschäfte geplündert.
  • 25. 4.
    Auf dem Markusplatz in Venedig wird der Grundstein für den Neuaufbau des Campanile von San Marco gelegt. Das Wahrzeichen der Stadt ist im Juli 1902 eingestürzt.  
MAI
  • 1. 5.
    Der britische König Eduard VII. trifft zu einem Staatsbesuch in Frankreich ein und wird dort außerordentlich freundlich empfangen. Die zunehmende Annäherung zwischen den beiden europäischen Großmächten widerspricht den deutschen außenpolitischen Zielen.
  • 2. 5.
    Kaiser Wilhelm II. und Reichskanzler Bernhard Graf von Bülow werden bei ihrem Staatsbesuch in Italien von König Viktor Emanuel III. empfangen. Gegenstand der Gespräche sind u.a. die Differenzen innerhalb des Dreibundes. Zum Besuchsprogramm des Kaisers gehört auch eine Audienz bei Papst Leo XIII. (1810-1903).
  • 8. 5.
    Tod des französischen Malers Paul Gauguin (1848-1903) auf den Marquesas-Inseln.
  • 16. 5.
    Zum Schutz des Kleinhandels befürwortet die württembergische Abgeordnetenkammer die Erhebung von Steuern für die aufkommenden Warenhäuser. In mehreren Bundesländern bestehen bereits ähnliche Verordnungen.
  • 24. 5.
    In Stuttgart wird die Deutsche Motorradfahrer-Vereinigung (DMV) gegründet. Zum Vorsitzenden des Vorläufers des Allgemeinen Deutschen Automobilclubs (ADAC) wird der Direktor der Stuttgarter Benz-Filiale gewählt.
  • 27. 5.
    Um der internationalen Konkurrenz standzuhalten, schließen sich die funktechnischen Zweige der Firmen Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) und Siemens zur "Gesellschaft für drahtlose Telegraphie" zusammen. Als Telegrammadresse der neuen GmbH wird "Telefunken" gewählt.
  • 31. 5.
    Erster deutscher Fußballmeister wird der VfB Leipzig mit einem 7:2-Sieg über den Deutschen Fußball-Club Prag. Der Vorsitzende des DFB, Professor Ferdinand Hueppe (1852-1938), überreicht den Siegerpokal, die "Victoria".  
JUNI
  • 11. 6.
    Bei einem Staatsstreich nationalistischer Militärs werden in Belgrad der serbische König Alexander I. Obrenovic (1876-1903), mehrere Mitglieder der Königsfamilie und Ministerpräsident Demeter Markovic ermordet. Die Bevölkerung nimmt den Putsch mit Sympathie auf.
  • 16. 6.
    Bei den Reichstagswahlen gewinnt die Zentrumspartei die meisten Mandate. Zweitstärkste Fraktion wird die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), die 81 Abgeordnete für den neuen Reichstag stellt. Seit 1890 erhält die SPD am meisten Stimmen, aufgrund der Wahlkreiseinteilung spiegelt sich die Zahl der absoluten Stimmen nicht in den Mandaten.  
JULI
  • 1. 7.
    Das Familienunternehmen Friedrich Krupp wird in eine Aktiengesellschaft (AG) umgewandelt. Damit wird die testamentarische Verfügung des 1902 verstorbenen Friedrich Alfred Krupp (1854-1902), eines Enkels des Firmengründers, verwirklicht.
  • 6. 7.
    Mit dem Besuch des französischen Staatspräsidenten Émile Loubet (1838-1929) in Großbritannien findet die britisch-französische Annäherung ihre Fortsetzung.
  • 17. 7.
    Tod des amerikanischen Malers James Abbott McNeill Whistler (1834-1903) in London.
  • 19. 7.
    In Paris findet eine Rad-Rundfahrt durch Frankreich, die über sechs Etappen in einem Zeitraum von drei Wochen führt, ihren Abschluss. Sieger der ersten "Tour de France", an der 60 Fahrer teilnahmen, ist der Franzose Maurice Garin (1883-1963).
  • 20. 7.
    Tod von Papst Leo XIII. in Rom.
  • 23. 7.
    Die Ford-Automobil-Gesellschaft in Detroit verkauft das erste "Model T".
  • In Deutsch-Südwestafrika richtet die deutsche Kolonialverwaltung ein Reservat für Einheimische ein.  
AUGUST
  • 10. 8.
    Bei einem Brand in der Pariser U-Bahn kommen über 100 Menschen ums Leben.
  • 23. 8.
    Die zweite Parteikonferenz der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (SDAPR) in London endet mit der Spaltung in "Bolschewiki" und "Menschewiki". Führer der "Bolschewiki" wird Wladimir I. Lenin.
  • Auf dem 6. Zionistenkongress in Basel wird der Gedanke der Gründung eines jüdischen Staates in Ostafrika ("Uganda-Plan") erörtert. Der Plan löst in der zionistischen Bewegung eine heftige Kontroverse aus. Er kann jedoch nicht weiter verfolgt werden, da die britische Regierung ihr Angebot zur Überlassung des Territoriums zurückzieht.  
SEPTEMBER
  • 1. 9.
    Abordnungen aus 160 deutschen Städten nehmen in Dresden am ersten Deutschen Städtetag teil. Die Kommunalpolitiker diskutieren über Probleme des städtischen Lebens unter den Bedingungen der zunehmenden Industrialisierung.
  • 13. 9.
    In Dresden beginnt der 14. Parteitag der SPD. Eine zentrale Rolle nimmt erneut die Auseinandersetzung mit den revisionistischen Auffassungen von Eduard Bernstein ein. Die Mehrheit bekennt sich in einer Resolution zur Theorie des Klassenkampfes.  
OKTOBER
  • 3. 10.
    Kaiser Franz Joseph I. und Zar Nikolaus II. verständigen sich bei einem Treffen in den österreichischen Alpen über eine gemeinsame Haltung in der Balkan-Krise. Beide Mächte wenden sich gegen territoriale Veränderungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt.
  • 17. 10.
    Ein Schiedsgericht in London regelt die endgültige Grenzziehung für das amerikanische Territorium Alaska. Die Vertreter Kanadas, die Anspruch auf den Zugang zu den schiffbaren Buchten erheben, werden von den amerikanischen und britischen Richtern überstimmt.
  • 28. 10.
    Ein von der AEG entwickelter Versuchs-Triebwagen stellt auf einer Teststrecke bei Berlin mit 208,2 km/h einen neuen Geschwindigkeitsweltrekord auf.
  • 30. 10.
    Uraufführung der Tragödie "Elektra" von Hugo von Hofmannsthal in Berlin.
  • 31. 10.
    Der seit 1877 bestehende Ullstein-Zeitungsverlag in Berlin gründet einen eigenen Buchverlag.  
NOVEMBER
  • 1. 11.
    Tod des Historikers Theodor Mommsen in Charlottenburg bei Berlin.
  • 3. 11.
    Eine von den USA unterstützte Militärjunta erklärt die bisherige kolumbianische Provinz Panama für unabhängig und unterzeichnet zwei Wochen später das Abkommen über den Bau des Panama-Kanals.
  • Giovanni Giolitti wird Regierungschef in Italien. In einer programmatischen Rede kündigt er eine Ära sozialer und wirtschaftlicher Reformen an.
  • 20. 11.
    Bei den Wahlen zum Preußischen Landtag siegen die Konservativen. Die SPD erringt zwar 19 Prozent aller Stimmen, erhält jedoch aufgrund des Dreiklassenwahlrechts kein einziges Mandat.
  • 24. 11.
    Die im Herbst 1901 gestartete deutsche Südpolarexpedition unter Leitung von Erich von Drygalsky (1865-1949) kehrt wohlbehalten zurück.
  • 29. 11.
    In Deutsch-Südwestafrika bricht ein Aufstand des Stammes der Bondelswarts gegen die Kolonialherrschaft aus, der von der deutschen Schutztruppe gemeinsam mit einheimischen Söldnern niedergeschlagen wird.  
DEZEMBER
  • 3. 12.
    In der sächsischen Industriestadt Crimmitschau streiken seit August rund 8.000 Textilarbeiter für Arbeitszeitverkürzung und Lohnerhöhungen, davon über die Hälfte Frauen. Die Behörden greifen in den Streik ein und verhängen den Kleinen Belagerungszustand. Nach 21 Wochen endet der Arbeitskampf für die Streikenden erfolglos.
  • 8. 12.
    Tod des britischen Philosophen Herbert Spencer (1820-1903) in Brighton.
  • 15. 12.
    In Weimar gründen Vertreter der Secessionen aus Berlin, München, Karlsruhe und weiteren Kunstzentren den "Deutschen Künstlerbund". Den Vorsitz übernimmt Leopold Graf von Kalckreuth (1855-1928), Max Liebermann wird einer der Vizepräsidenten des Verbandes.
  • 17. 12.
    Den Brüdern Orville Wright (1871-1948) und Wilbur Wright (1867-1912) gelingt bei Kitty Hawk im US-Bundesstaat North Carolina der erste gesteuerte Motorflug. Das Fluggerät landet nach 35 Metern ohne nennenswerte Schäden.
  • 30. 12.
    Beim Brand des "Iroquois"-Theaters in Chicago kommen über 600 Menschen ums Leben.  
AUSSERDEM:
Dorlis Blume/Andreas Michaelis
7. November 2015

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