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Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Der 1863 gegründete ADAV sowie die 1869 gegründete SDAP schlossen sich 1875 auf dem Gothaer Kongress zur SAP zusammen. Damit verfügte Deutschland im Unterschied zu anderen europäischen Ländern über eine einheitliche sozialistische Partei. Programmatisch stand die SAP in grundsätzlicher Opposition zum politischen System des Kaiserreichs. Von Otto von Bismarck zum "Reichsfeind" gestempelt, wurde die SAP durch das Gesetz "wider die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie" 1878 verboten. Desgleichen wurden alle Organisationen der SAP, ihre Presse und die von ihr aufgebauten Gewerkschaften durch dieses "Sozialistengesetz" verboten, die Reichstagsfraktion jedoch blieb weiter bestehen.

 

Ausnahmegesetze, polizeistaatliche Unterdrückung und Terror konnten den Aufstieg der Sozialdemokratie aber nicht verhindern. Unter dem "Sozialistengesetz" verdreifachte die Partei ihre Stimmen und erhielt 1890 bei den Reichstagswahlen mit knapp 20 Prozent erstmals die meisten der abgegebenen Stimmen. Aufgrund des Mehrheitswahlrechts, der gegen sie gerichteten Wahlbündnisse der bürgerlichen Parteien sowie der sie stark benachteiligenden Wahlkreiseinteilung erhielt sie als stimmenstärkste Partei jedoch nur 35 der 391 Mandate. Die Verfolgung unter dem "Sozialistengesetz" hinterließ in der Arbeiterbewegung tiefe Verbitterung und machte marxistische Ideen attraktiv und populär. Nach der Nichtverlängerung des "Sozialistengesetzes" gründete sich die SAP 1890 offiziell als Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) neu.

Das 1891 verabschiedete Erfurter Programm vertrat einen dogmatischen Marxismus, gegen den die sozialreformerische Politik der Freien Gewerkschaften sich unter Personen wie Carl Legien jedoch immer stärker behauptete. Führender Theoretiker der "Revisionisten" war Eduard Bernstein. Erbittert bekämpft wurde der Revisionismus von führenden Sozialdemokraten wie August Bebel, Karl Kautsky, Rosa Luxemburg und Clara Zetkin. Unbeschadet des innerparteilichen Streits um die richtige Theorie war die SPD die mit Abstand mitgliederstärkste Partei vor dem Ersten Weltkrieg und stellte 1912 erstmals auch die stärkste Reichstagsfraktion. Die SPD war vor allem die Partei protestantischer und konfessionsloser Industriearbeiter, aber sie hatte auch im Mittelstand Anhänger. Keine andere Partei unterhielt im Kaiserreich ein so dichtes Organisationsnetz von Vereinen, keine andere Partei prägte das soziokulturelle Milieu ihrer Anhänger so wie die SPD das der Arbeiterschaft. Noch vor dem Ersten Weltkrieg entwickelte sich im Reichstag eine parlamentarische Zusammenarbeit zwischen der SPD und den bürgerlichen Mitte-Links-Parteien, auf regionaler Basis hatte es bereits vorher Koalitionen gegeben.

Nach Beginn des Ersten Weltkriegs stimmte die SPD unter dem Eindruck der nationalen Hochstimmung am 4. August 1914 im Reichstag geschlossen für die Kriegskredite zur Landesverteidigung. Allerdings hatten 14 Abgeordnete parteiintern gegen die Kredite gestimmt, sich bei der Abstimmung des Reichstags aber der Fraktionsdisziplin gebeugt. Zudem verpflichtete sich auch die SPD mit dem sogenannten Burgfrieden, für die Dauer des Krieges auf jede Auseinandersetzung mit den anderen Parteien sowie auf jegliche Agitation gegen die Reichsregierung zu verzichten. Die schon vor dem Krieg hervorgetretenen inneren Gegensätze der Partei ließen sich nur für kurze Zeit überdecken. Die radikale Linke der Vorkriegszeit unter Führung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg wandte sich bereits Ende 1914 gegen die Fortsetzung des Krieges. Sie bildete ab dem 1. Januar 1916 die "Gruppe Internationale", die sich bald den Namen Spartakusbund gab. Auch der gemäßigte, aber gegen den Krieg agitierende linke Parteiflügel um Hugo Haase lehnte ab Dezember 1915 weitere Kriegskredite ab und verweigerte die Fortsetzung der Burgfriedenspolitik. 18 Abgeordnete dieser gemäßigten Linken wurden 1916 aus der SPD-Fraktion ausgeschlossen und gründeten die "Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft". Gespalten wurde die Parteiorganisation im April 1917 mit Gründung der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei (USPD).

Die SPD, die sich nach der Spaltung den Namen Mehrheitssozialdemokratische Partei (MSPD) gab, setzte unter Friedrich Ebert zwar die weitere Bewilligung der Kriegskredite fort, drängte aber zugleich auf eine Friedenspolitik und innere Reformen im Reich. Sie bildete 1917 im Reichstag zusammen mit der FVP und mit dem Zentrum den "Interfraktionellen Ausschuss", der in seiner Friedensresolution vom Juli 1917 den Verzicht von Annexionen forderte. Im Oktober 1918 unterstützte die SPD die unter Reichskanzler Prinz Max von Baden eingeleitete Parlamentarisierung und stellte mit Philipp Scheidemann und Gustav Bauer erstmals zwei Staatssekretäre.

Burkhard Asmuss
8. Juni 2011

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