EINE ZUNGE ZUM UMHÄNGEN

In unserer Reihe „Wozu das denn?“ stellen wir ein Amulett mit ungewöhnlichem Inhalt vor.

Ein leichtes Schaudern erfasst uns beim Betrachten dieses ungewöhnlichen Anhängers: Es ist ein Amulett in Form einer Zunge. In Silber gefasst und unter Glas geschützt befindet sich innen eine Zunge aus Wachs, leicht grau-braun und mit einem roten Einschnitt an der Spitze.

Anlass der Herstellung war wohl das Verfahren zur Heiligsprechung des Geistlichen Johannes Nepomuk (1350–1393), das die katholische Kirche einleitete. Teil dieses Prozesses war die Öffnung seines Grabes im Jahr 1719. Die grausige Vorgeschichte: König Wenzel IV., der seine Frau der Untreue verdächtigte, hatte den Geistlichen Nepomuk gedrängt, das Beichtgeheimnis zu brechen. Doch Nepomuk weigerte sich – und zahlte dafür mit seinem Leben. Der Legende nach wurde der Priester in der Moldau ertränkt. Bei der Grabesöffnung 326 Jahre später soll Nepomuks Zunge unversehrt gewesen sein – ein göttliches Zeichen seiner Aufrichtigkeit. Für seine Treue sprach ihn Papst Benedikt XIII. 1729 heilig und löste eine Welle der Verehrung aus.

Auf der Rückseite des Zungenamuletts befindet sich ein erzbischöfliches Siegel, das seine Wirkkraft offiziell bestätigt. Die katholische Kirche weihte Amulette, die den Gläubigen Schutz und Heilung bedeuteten, Verleumdung und üble Nachrede abwehren und den guten Ruf wahren sollten. In der zukünftigen Dauerausstellung des Deutschen Historischen Museums könnte die Neuerwerbung für die Sammlung Alltagskultur im Themenfeld „Religion und Frömmigkeit“ bald ihren Platz haben.