Von Tieren und Wandtellern. Was Staatsbesuche mit Bob Marley und dem Saarland zu tun haben

Stellen Sie sich vor, ein entfernter Bekannter lädt Sie zu einem Essen ein. Sie freuen sich und planen Ihren Besuch. Natürlich sollten Sie auch ein Gastgeschenk mitbringen, nur was könnte das sein, jenseits von Wein und Pralinen? Das Geschenk soll ja möglichst etwas über Ihre Persönlichkeit aussagen, Sie interessant machen und gleichzeitig den Geschmack des Gastgebers treffen. Es soll deutlich werden, dass Sie sich Gedanken bei der Auswahl gemacht haben. Schenken wird da schnell zu einer komplexen Aufgabe, meint der Historiker Robert Kluth.

Vor ähnlichen Problemen stehen die protokollarischen Abteilungen von Regierungen, wenn Staatsoberhäupter die Bundesrepublik Deutschland besuchen oder Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier heute die Slowakei besucht. Solch ein Staatsbesuch mag zwar formaler sein als ein privater Besuch, aber Gastgeschenke gibt es zu beiden Gelegenheiten. Was schenkt man also bei Staatsbesuchen?

Elefanten für den Kaiser

1954, die Bundesrepublik ist noch jung, kündigt sich hoher Besuch an. Ein Kaiser kommt nach Bonn! Es handelt sich um Haile Selassie, Oberhaupt Abessiniens, dem heutigen Äthiopien, damals der älteste Staat der Erde.

Bonn war bisher keine Staatsbesuche gewöhnt. Haile Selassie war das erste Oberhaupt, das überhaupt die Bundesrepublik besucht. Am Bahnsteig, damals reisten auch Kaiser mit dem Zug, warten die Spitzen der Bundesrepublik: Aufgereiht stehen Bundespräsident Theodor Heuss, Bundeskanzler Konrad Adenauer und einige Ministerpräsidenten der Länder nebeneinander. Über ihnen ist – um den Kaiser standesgemäß zu empfangen – ein 80 Meter langer Baldachin aufgespannt, unter ihnen liegt künstlicher Rasen. Vom Zirkus Hagenbeck, der gerade in der Stadt gastierte, hat man Elefanten, Kamele und Ponys organisiert. Der Zug fährt ein, der Kaiser steigt aus und ist irritiert: Eine grün-weiß-rote Fahne flattert im Wind! Warum hängt hier die Flagge Italiens, seinem Erzfeind, gegen den er sein Reich im Zweiten Weltkrieg verteidigen musste, fragt Haile Selassie. Nachdem man ihm erklärt hat, dass es sich um die Landesfarben Nordrhein-Westfalens handelt, ist er beruhigt.

Sein Gastgeschenk ist eine Tischzier: Eine kleine Triumphsäule. Sie besteht aus edlem Material, Elfenbein, Gold und Silber. Später, bei seiner Rundreise durch Deutschland, wird Haile Selassie immer wieder damit irritieren, dass er Passanten Almosen in Form von Goldmünzen gibt.

Tischzier in Form einer Triumphsäule, Gastgeschenk des äthiopischen Kaisers Haile Selassi, November 1954 © DHM

Tischzier in Form einer Triumphsäule, Gastgeschenk des äthiopischen Kaisers Haile Selassi, November 1954 © DHM

Heute steht das Geschenk in der Dauerausstellung des Deutschen Historischen Museum. Die Säule wird gekrönt von einem Löwen. Es ist der Löwe von Juda, einer messianischen Figur aus der Offenbarung des Johannes. Er ist einer der biblischen Titel des „Königs der Könige“, der sich selbst als 225. Nachfolger des alttestamentarischen Königs Salomons bezeichnet. Bob Marley – der Musiker verehrt den Kaiser als schwarzen Messias – wird später ein Lied zu Ehren des Löwen aus Äthiopien verfassen.

Eine Reise ins Saarland

Während sich die junge Bundesrepublik mit bunten Herrscherbesuchen schmücken konnte, kommt 30 Jahre später ein Herrscher mit recht profanem Titel zu Besuch. Am 7. September 1987 besucht der „Generalsekretär des ZK der SED und Vorsitzende des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik“, Erich Honecker die Bundesrepublik. Ein Mann, der mit seiner Hornbrille, der Halbglatze und den grauen Haaren das Idealbild eines sozialistischen Anführers verkörpert.

Erneut handelt es sich um eine Premiere. Noch nie hatte ein DDR-Vertreter die Bundesrepublik besuchen dürfen. Der Gast reist mit dem Flugzeug an, Honecker betritt zum ersten Mal nach 40 Jahren wieder westdeutschen Boden. Ihm werden alle protokollarischen Ehren zuteil: man spielt die DDR-Hymne und hisst die DDR-Flagge neben der Flagge der Bundesrepublik.

Der Gastgeber, Bundeskanzler Helmut Kohl, berichtet in seinen Erinnerungen dass er die Szene wie versteinert erlebt habe, da „das bislang Unvorstellbare wahr wurde“. Die Bundesrepublik hatte bisher stets an der Idee einer zukünftigen Wiedervereinigung der deutschen Staaten festgehalten, die DDR wurde nicht als rechtmäßiger Staat anerkannt. Den offiziellen Besuch Honeckers interpretierte der Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt dementsprechend als „inszenierte Beerdigung der deutschen Wiedervereinigung“. Ein Zusammengehen beider deutscher Staaten schien ferner denn je.

Honecker besucht auch seine Heimat, das Saarland. Die Symbolperson des SED-Bürokratismus verwandelt sich hier zu dem Bergmannssohn, der sein Glück in der Fremde gemacht hat. Mit der Staatslimousine fährt er vor seinem bescheidenen Elternhaus in Wiebelskirchen vor. Im Garten pflückt er einen Apfel, dann trifft er sich mit seiner Schwester zu Kaffee und Streuselkuchen. Die Bürger der Stadt, die ihn oft noch aus seiner Zeit beim kommunistischen Jugendverband kennen, säumen seinen Weg. Es ist ein Triumphzug. Er, der von 1935 bis 1945 im Gefängnis saß, kehrt zurück als Oberhaupt des zweiten deutschen Staates. Als Erinnerung schenkt ihm die Stadt einen Wandteller.

Wandteller mit Ansicht von Wiebelskirchen, 1987 © DHM

Wandteller mit Ansicht von Wiebelskirchen, 1987 © DHM

Er hängt in der Dauerausstellung des Deutschen Historischen Museums und erinnert dort an die Krönung von Honeckers Lebenswerk: 1987 schien die DDR als zweiter deutscher Staat durch die Bundesrepublik akzeptiert. Zwei Jahre später zerfällt die DDR.