Auf Kogge und Co. über die Meere Europas

Dass das Meer für die Kaufleute der Hansezeit eine besondere Rolle gespielt hat, ist wohl kein Geheimnis. Mutig bezwangen sie mit ihren Schiffen im Mittelalter die wogenden Wellen der Ostsee und anderer Gewässer, um ihre Waren auf dem schnellsten Weg zu ihren Handelspartnern zu bringen. Für die tägliche Arbeit der Kaufleute waren ihre Schiffe dabei unverzichtbare Begleiter: Auf Kogge, Holk oder Kraweel fand zum Beispiel Lüneburger Salz von Lübeck aus seinen Weg nach Brügge sowie ins russische Nowgorod, und wurde dort gegen erlesene Tuche oder Pelze eingetauscht. Im Mittelpunkt dieses Beitrags für #DHMMeer soll daher die Bedeutung der See als frühhansischer Transportweg stehen – und die Suche nach drei legendären Wassergefährten der Hansezeit.

Das Meer als Tor zum europäischen Handel

Wer zur Zeit der niederdeutschen Kaufleute am hansischen Handel teilhaben wollte, der musste zur See fahren – daran bestand kein Zweifel. Bereits im frühen Mittelalter befuhren Kaufleute die Wasserstraßen der beiden norddeutschen Meere. Die Wiege des hansischen Handels lag dabei in einem dicht besiedelten Gebiet abseits der See, das sich vom Niederrhein über Westfalen bis zur Elbe erstreckte. Durch die Wanderungen der Händler an die Ostseeküste und die allgemein stetig wachsende Bevölkerung entstand im Jahr 1143 der Ort, der heute das Zuhause des Europäischen Hansemuseums ist: die Hansestadt Lübeck. Früh wurde diese zentraler Umschlagplatz für den Handel mit Lüneburger Salz und Hering. Ab Mitte des 13. Jahrhunderts entwickelte sich Lübeck aufgrund der günstigen Lage dann zum Dreh- und Angelpunkt des Warenaustausches zwischen dem Osten und dem Gebiet zwischen Rhein und Elbe. In den folgenden 100 Jahren wuchsen entlang der Handelswege noch zahlreiche weitere Städte an der Ostsee heran – zuletzt 1255 Königsberg (heute Kaliningrad).

Die Hansestädte und Niederlassungen des deutschen Kaufmanns (14. bis 17. Jahrhundert). © Europäisches Hansemuseum / FGHO

Schon Lübecker Siegeldarstellungen aus dem 13. Jahrhundert zeugen von der wesentlichen Bedeutung der Seeschifffahrt für die „hansas“. Diese kaufmännischen Fahrgenossenschaften erschlossen die wirtschaftlichen Routen zwischen Nord- und Ostseeraum, welche die Niederdeutschen in den folgenden Jahrhunderten dominieren sollten. Das Meer diente als gewinnbringender Transportweg, denn hier konnte man große Mengen von Waren befördern. Ein sich ausweitendes Christentum machte den Handel mit schonischem Hering für Jahrhunderte zu einem zentralen Handelssektor der Hansekaufleute. Getreide aus dem Hinterland der niederdeutschen Städte wurden im Gegenzug in die Niederlande und nach Skandinavien exportiert. Über den Seeweg vernetzten die Kaufmänner darüber hinaus die Handelszentren London, Brügge und Nowgorod. Haupthandelswaren waren hier flandrische Tuche sowie russische Pelze und Wachs.

Der Raum „Brügge um 1361“ im Europäischen Hansemuseum zeigt eine Szene aus einer flandrischen Markthalle. Die gezeigten Stoffe und Handelswaren sind nach historischem Vorbild entstanden und dürfen gerne angefasst werden. © Olaf Malzahn

Vom Leben auf See zum „Bürokaufmann“

Zu Beginn der Hansezeit waren die Kaufleute meist selbst mit an Bord ihrer Schiffe, um ihre Waren am Ziel in neue Hände zu geben. Generell wurde dabei getauscht; die im Ausland erworbenen Produkte wurden zurück in die Heimatstadt gebracht und dann auf die gleiche Art und Weise weitergehandelt.
Natürlich konnte sich nicht jeder Kaufmann ein eigenes Schiff leisten – hatte er aber die nötigen Mittel, so war er anfangs noch Schiffer und Verkäufer in Personalunion und zum Beispiel auf Kogge, Holk oder Kraweel unterwegs. Damit sowohl die offene See als auch Flusssysteme optimal befahren werden konnten, gab es diverse Schiffstypen, die stets weiterentwickelt wurden.

Besonders die Frage, wie viele Waren ein Schiff aufnehmen konnte, spielte dabei im 14. Jahrhundert eine immer wichtigere Rolle. Man fuhr längere Strecken, machte weniger oder gar keine Zwischenhalte mehr und transportierte größere Ladungen – klare Vorteile des Seehandels im Vergleich zur Beförderung über Land. Der wachsende Umfang des Handels über die Meere führte auch dazu, dass sich der zuvor reisende Verkäufer zum „Bürokaufmann“ entwickelte. Weiterhin trug die zunehmende Umstellung auf die Schriftlichkeit ihren Teil dazu bei, dass die Kaufleute nun praktisch im Homeoffice ihre Warenströme koordinierten. So konnten sie nicht nur ihre Waren auf mehrere Schiffe verteilen, sondern auch an verschiedenen Orten gleichzeitig handeln – was die niederdeutschen Kaufleute auch intensiv bis ins 17. Jahrhundert hinein taten.

Mit Tinte und Feder ging der niederdeutsche Kaufmann seiner Arbeit nach. © Olaf Malzahn

Hanseforschung auf dem Grund des Meeres

Heutzutage wird das Meer immer noch für den Seehandel genutzt, ist aber auch eine Art Schatzkammer, in der die einst unverzichtbaren Wassergefährte der Hansezeit auf Entdeckung warten. Das zeigt zum Beispiel ein aktuelles Forschungsprojekt, das das Europäische Hansemuseum aktiv unterstützt. Im Mittelpunkt stehen dabei drei legendäre lübische Schiffe des 16. Jahrhunderts: Die „Engel“, die „Morian“ und die „Adler“.

Die spannende Geschichte der Segler geht zurück bis zum Dreikronenkrieg: Hier versenkte das lübische Flaggschiff „Engel“ den Stolz der schwedischen Flotte, die „Mars“. Das Schiff des schwedischen Königs gehörte zu dieser Zeit zu den größten Kriegsschiffen der Welt. Seit einigen Jahren wird das Wrack der „Mars“ in 40 Metern Tiefe vor der Küste Ölands von Tauchern archäologisch untersucht. Doch einem deutsch-dänischen Forscherteam ist das nicht genug: Es möchte auch die „Engel“ finden, die einst das Schicksal des schwedischen Schiffes besiegelte. Die Lage des Wracks wird vor der Küste Dänemarks im Öresund vermutet.

Die lübischen Flaggschiffe „Engel“, „Morian“ und „Adler“ gehörten zu den besten und größten Schiffen ihrer Zeit. Aus den Überresten jener Schiffe lassen sich anhand der Bauweise und des verwendeten Materials möglicherweise Rückschlüsse ziehen, welchen wirtschaftlichen und logistischen Aufwand der Bau eines solchen Schiffes für eine Stadt wie Lübeck mit sich brachte. Diese Informationen sind auch für das Europäische Hansemuseum unglaublich spannend und können bei Erfolg der Suche vielleicht den Weg in die Dauerausstellung finden. Das große Bild der Hanse ist nämlich noch lange nicht fertig und wird von der Forschung um immer neue Puzzleteile erweitert. So können Besucherinnen und Besucher in Lübeck weiterhin eine abwechslungsreiche Reise durch ganz Europa erleben – wie einst die hansischen Kaufleute, die mit ihren Schiffen die Meere des Kontinents besegelten.

Die Kogge war eines der Gefährte, mit denen die Hansekaufleute auf Europas Meeren unterwegs waren. Im Raum „An der Newa um 1193“ im Europäischen Hansemuseum ist der Nachbau eines solchen Schiffes zu sehen. © Olaf Malzahn

Jürgen Elvert zu Gast in Lübeck

Übrigens: Das Europäische Hansemuseum leistet nicht nur mit diesem Blogartikel einen digitalen Beitrag zur Sonderschau des Deutschen Historischen Museums, sondern bietet am Freitag, den 23. November um 19.30 Uhr auch eine Lesung mit Prof. Dr. Jürgen Elvert an. Der Historiker war maßgeblich an der Konzeption der Ausstellung beteiligt, im Fokus der Veranstaltung steht daher natürlich sein passendes Werk „Europa, das Meer und die Welt. Eine maritime Geschichte der Neuzeit“. Wem die Reise nach Berlin nicht möglich ist, der kann so auch in Lübeck einen Abend lang mehr über die besondere Verbindung zwischen unserem Kontinent und der See erfahren. Mehr Infos auf www.hansemuseum.eu!

Dieser Beitrag wurde im Rahmen der Blogparade #DHMMeer von Larissa Schier verfasst. Larissa Schier ist im Europäischen Hansemuseum als Volontärin im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit tätig. Der vorliegende Blogbeitrag ist in Zusammenarbeit mit der Forschungsstelle für die Geschichte der Hanse und des Ostseeraums (FGHO) sowie mit der wissenschaftlichen Abteilung des Museums entstanden.