Heinrich Claß 1868-1953

Politiker, Publizist

  • 1868
    29. Februar: Heinrich Claß wird als Sohn des Notars August Claß und seiner Ehefrau Anna (geb. Fischer), Tochter eines Ministerialrats, als zweites von vier Kindern in Alzey geboren.
  • 1888-1891
    Jura-Studium in Berlin, Freiburg und Gießen, dass Claß mit dem Ersten Staatsexamen abschließt. In Berlin und Gießen wird er maßgeblich geprägt von Heinrich von Treitschke 1834-1896), Adolf Stoecker und Otto Böckel.
  • 1891-1894
    Referendariat und Zweites Staatsexamen in Mainz.
  • 1894
    18. Oktober: Gründungsmitglied des völkisch-nationalistischen "Deutschbundes", der ein "reines Deutschtum" durch Ausschluss ethnischer Minderheiten propagiert.
  • 1895
    Claß arbeitet als Rechtsanwalt und Notar in Mainz.
  • 1897
    Claß wird Mitglied des Alldeutschen Verbandes und agitiert für dessen Vision einer deutschen "Weltpolitik" vor allem in Rheinhessen.
  • 1901
    Mitglied der Hauptleitung des Alldeutschen Verbandes.
  • 1903
    Gescheiterte Kandidatur um ein Reichstagsmandat im hessischen Wahlkreis Bingen-Alzey.
  • 1904
    Claß wird Stellvertretender Vorsitzender des Alldeutschen Verbandes und lenkt ihn zunehmend in Richtung einer außerparlamentarischen und rechtsnationalen Oppositionspolitik. Er fordert zudem eine expansive Großmachtpolitik, kritisiert unablässig die nachbismarcksche Regierungspolitik und das "persönliche Regiment" von Kaiser Wilhelm II.
  • 1908
    Akklamation zum Vorsitzenden des Alldeutschen Verbandes. Mit seinem autoritären Führungsstil errichtet er eine hierarchische Leitungsstruktur.
  • 1909
    Unter dem Pseudonym Einhart veröffentlicht Claß seine "Deutsche Geschichte", die bis in die NS-Zeit hinein mit insgesamt 19 Auflagen große Verbreitung findet.
  • 1911
    Seine aggressiven Forderungen nach territorialer Expansion in Europa und Übersee während der zweiten Marokkokrise bringen ihn in Konflikt mit dem Kabinett Bethmann Hollweg. Von der "Erbfeindschaft" zu Frankreich und einer "moralischen Minderwertigkeit" Englands ausgehend, propagiert Claß einen baldigen Krieg, der das Deutsche Reich zu "Weltmacht" führen soll.
  • 1912
    Sein politisches Programm legt Claß (diesmal unter dem Pseudonym Daniel Frymann) in seiner Schrift "Wenn ich der Kaiser wär" dar. Darin präsentierte er seine Vorstellungen von einer "Reichsreform", die auf eine umfassende Revision der Reichsverfassung und damit des Staatsaufbaus anhand rassischer Kriterien abzielte.
  • 1914-1918
    Während des Ersten Weltkriegs fordert Claß einen "Siegfrieden" mit umfassenden Annexionen in Ost und West, wobei die jeweilige Bevölkerung aus den zu erobernden Gebieten "evakuiert" und das Land "menschenleer" übernommen werden sollte. Vor allem mit Alfred Hugenberg initiierte er zahlreiche Kriegszieleingaben an die Reichsregierung und den Kaiser, um seine extremistischen Ziele zu verbreiten. Mit zunehmender Kriegsdauer und ausbleibenden militärischen Erfolgen geriet der Alldeutsche Verband immer mehr in eine politische Randposition, weil seine Kriegszielforderungen die realen Gegebenheiten an den Fronten ignorierten.
  • 1917
    Februar: Ein Konsortium unter der Führung von Claß übernimmt die "Deutsche Zeitung". Er kontrolliert als Aufsichtsratsvorsitzender und Herausgeber deren Berichterstattung, die mit brachialer antisemitischer Rhetorik Juden die Schuld an den von ihm abgelehnten innenpolitsichen Demokratisierungsprozessen und der militärischen Erfolglosigkeit gibt.
  • 1918
    November: Claß flieht nach Kriegsende aus Mainz, das französisch besetzt ist, nach Würzburg.
  • 1919
    Umzug nach Berlin. Er gibt seinen Beruf als Rechtsanwalt und Notar auf.
    Februar: In der von ihm verfassten "Bamberger Erklärung" werden Rassismus und Antisemitismus offiziell zum weltanschaulichen Leitgedanken der alldeutschen Programmatik erklärt. Als politisches Ziel benennt er die Überwindung der Weimarer Demokratie durch eine "nationale Diktatur".
    Er ist maßgeblich an der Gründung des Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes beteiligt, der mit gewalttätiger antisemitischer Propaganda das Land überzieht.
  • 1920
    März: Den Zielen des Lüttwitz-Kapp-Putsches steht er positiv gegenüber, das singuläre Losschlagen lehnt er hingegen ab und distanziert sich in der Öffentlichkeit von dem Staatsstreich.
  • 1920-1922
    Mehrere Treffen mit Adolf Hitler, den Claß anfangs unterstüzt.
  • 1923
    Claß versteht sich als geistiger Urheber und personelles Zentrum der rechtsopposition gegen die Weimarer Republik und die demokratischen Parteien. Die putschbereiten Kräfte um Adolf Hitler oder Hermann Ehrhardt lehnen seinen alldeutschen Führungsanspruch aber ab.
    November: Claß distanziert sich vom Hitler-Putsch auch deshalb, um mit seinen eigenen Diktaturplänen nicht wegen Hochverrats angeklagt zu werden.
  • 1924
    Er wird verdächtigt, ein Mordkomplott gegen den Chef der Reichswehr, Hans von Seeckt, initiiert zu haben. Das Gerichtsverfahren bringt aber keine Klarheit.
  • 1926
    Mai: Polizeiliche Hausdurchsuchungen bei Claß und anderen Alldeutschen nach Putschgerüchten. Gegen Claß wird eine Voruntersuchung wegen Verdachts der Vorbereitung eines Hocherverrats eröffnet.
  • 1927
    Oktober: Die Voruntersuchung wird geschlossen und mangels Beweisen kein Hauptverfahren eröffnet. Eine gewaltsame Beseitigung der Weimarer Verfassung kann Claß nicht nachgewiesen werden.
  • 1929
    Teilnahme an der Kampagne der rechtsradikalen Kräfte gegen den Young-Plan.
  • 1931
    Claß ist beteiligt an der Bildung der nationalistischen Harzburger Front. Eine tragende Rolle in der nationalen Opposition spielt er aber nicht mehr.
  • 1933-1945
    Mitglied des Reichstags als Gast der NSDAP-Reichstagsfraktion. Im Parlament tritt er nicht in Erscheinung.
  • 1939
    Verbot des Alldeutschen Verbands, der nach 1933 in einer politischen Nische existierte.
  • 1943
    November: Während eines alliierte Bombenangriffs auf Berlin wird sein Wohnhaus zerstört.
  • 1943-1953
    Claß lebt mit seiner Tochter zurückgezogen in Jena.
  • 1953
    16. April: Heinrich Claß stirbt in Jena.
Johannes Leicht
14. September 2014

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