Direkt zum Seiteninhalt springen

In den Archiven der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender Deutschlands liegt ein kaum bekannter Schatz: Spielfilme teils prominenter Regisseur*innen und Drehbuchautor*innen, entstanden hauptsächlich in den sechziger und siebziger Jahren, als die Rundfunkanstalten ein Übungs- und Experimentierfeld auch für Nachwuchsfilmemacher*innen boten. Es handelt sich um reine TV-Produktionen, die in aller Regel nur im Fernsehen gezeigt wurden, dort allerdings ein Millionenpublikum erreichten. Diesen Teil der deutschen Filmgeschichte erkundet seit 2015 die von dem Berliner Journalisten und Autor Jan Gympel kuratierte Reihe Aus dem Fernseharchiv: Monatlich wird ein Fernsehspielfilm aus dem Bestand der Sammlung Fernsehen der Deutschen Kinemathek präsentiert, der seit langem nicht mehr aufgeführt wurde und anderweitig nicht verfügbar ist.

Zum Abschluss der Reihe Aus dem Fernseharchiv zeigen wir sechs Filme, die Peter Beauvais nach Drehbüchern des vielseitigen Berliner Autors Horst Lommer (1904-1969) inszenierte. Für den Film entdeckt wurde Lommer von Egon Monk, der ab 1960 die von ihm aufgebaute NDR-Hauptabteilung Fernsehspiel leitete und diese rasch zur wichtigsten Fernsehspielschmiede Deutschlands machte. In dieser Funktion setzte sich Monk in kritischen, aufklärerischen Produktionen mit der deutschen Gegenwart und ihrer jüngsten Vergangenheit auseinander. Natürlich wurde von ihm auch erwartet, das Unterhaltungsbedürfnis des rasant wachsenden Fernsehpublikums zu bedienen. Nach Lommers Drehbüchern entstanden von 1962 bis 1967 Fernsehfilme, in denen die Schicksale einer Vielzahl von Figuren miteinander verwoben wurden: tragikomische, zuweilen spöttische Beobachtungen vergeblichen Strebens nach dem großen oder kleinen Glück, mit einem bitteren Unterton und teilweise mit kommentierenden Liedern.

Die Filme nach Drehbüchern von Horst Lommer wurden sämtlich von Peter Beauvais inszeniert. Ihre Musik stammte von Hans-Martin Majewski, das Szenenbild von Jan Schlubach. Auch viele Schauspieler*innen tauchten in mehreren Filmen auf. Der NDR beschrieb die Filme 1971 so: „Sie alle waren Variationen über ein Thema: über den bundesbürgerlichen Alltag der Gegenwart, den Lommer durch eine Lupe betrachtet, die manches vergrößert, einiges verkleinert, die den komischen Situationen die ernste Seite, den traurigen die versöhnliche abgewinnt.“ Nichtsdestoweniger wurden die Filme heftig kritisiert, weil sie die Bundesbürger*innen als unmoralisch darstellen würden, getrieben einzig von der Jagd nach Sex und Geld, Erfolg und sozialem Aufstieg. Andere schrieben: „Dieser Horst Lommer ist ganz sicher ein Glücksfall für den bundesdeutschen Bildschirm, weil er ein brillanter Beobachter ist, der festhält, was so die kleinen und ganz kleinen Tragödien ausmacht: Um- und Unfälle, unsere großen und kleinen Angebereien und Lügengeschichten. Dabei hat er Humor, der nicht aufgesetzt ist, sondern aus einer sanften Melancholie erwachsen zu sein scheint.“ (Hamburger Abendblatt, 31.12.1962)

Aus dem Fernseharchiv ist eine Kooperation mit der Deutschen Kinemathek.

Rückblick