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Kapitel 1

Ideologische Kontinuitäten und Aufbau der Reichsfinanzverwaltung

Seit Ende des 19. Jahrhunderts hatte der „moderne“ Antisemitismus, der nicht mehr religiös, sondern vornehmlich „rassisch“ argumentiert, in allen Bevölkerungskreisen in Deutschland Anhänger gefunden. Die Behauptung, die Juden würden sich auf Kosten der „Arier“ bereichern, gehörte zu den besonders populären antisemitischen Klischees. Die Forderungen nach Enteignung der Juden oder nach Beschränkung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit gab es daher nicht erst seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933.

Die Finanzverwaltung hat sich ihn ihrem Aufbau und ihrer Organisation mit Beginn des „Dritten Reichs“ kaum verändert. An der Spitze stand das Reichsfinanzministerium, ihm untergeordnet waren die Oberfinanzpräsidien (bis 1937 hießen sie Landesfinanzämter), denen wiederum die örtlichen Finanzämter unterstanden. Den Oberfinanzpräsidien waren Hauptzollämter und Devisenstellen zugeordnet.


Das Reichsfinanzministerium in der Wilhelmstraße in Berlin-Mitte.
Foto: Bundesfinanzakademie, Finanzgeschichtliche Sammlung

Einige Dienststellen der Finanzverwaltung hatten eine besondere Bedeutung bei der Enteignung der jüdischen Bevölkerung. Die Devisenstellen überwachten die Auswanderung und die Einhaltung der immer schärfer werdenden Devisenbestimmungen.


Die „Unbedenklichkeitsbescheinigung“ der Familie Goldmann
Akte: Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden

Ein tatsächlicher oder angeblicher Verstoß gegen die Devisengesetze wurde streng geahndet und war ein beliebtes Instrument, um die „Arisierung“ von Firmen einzuleiten.
Das Berliner Finanzamt Moabit-West war zuständig für die Enteignung jener Juden, die aus Deutschland geflüchtet waren und denen die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt worden war. Die „Verwertungsstellen“ der Finanzverwaltung, gegründet meist Anfang 1942, verwalteten und veräußerten das Vermögen deportierter und geflüchteter Juden.