Zeughauskino

 

Kino im Zeughaus | Programm | Programmarchiv

Berlin.Dokument | Unter Vorbehalt | Andrzej Wajda | S - wie Sonderprogramm

Bestandsaufnahme 61 | Wiederentdeckt | Unter Bäumen | Moskau im Film

 


          ANDRZEJ WAJDA – BEKANNT UND UNBEKANNT

 

ANDRZEJ WAJDA – BEKANNT UND UNBEKANNT

Anlässlich der EU-Ratspräsidentschaft Polens präsentiert das Polnische Institut vom 2. bis 31. Dezember in Berlin einen kompletten Überblick über das künstlerische Werk eines der herausragendsten polnischen Filmemacher. Die Werkschau, an der neben dem Zeughauskino auch das Kino Arsenal, das Hackesche Höfe Kino und das Filmmuseum Potsdam beteiligt sind, versammelt nicht nur international bekannte Werke Wajdas wie Ziemia obiecana (Das gelobte Land) oder Popiół i diament (Asche und Diamant), sondern auch bislang in Deutschland kaum gezeigte, vergessene oder oft übergangene Filme. Das Zeughauskino konzentriert sich auf Wajdas Beiträge zu einer Auseinandersetzung mit der polnisch-deutschen Geschichte: ein, wenn nicht gar das zentrale Projekt Wajdas filmkünstlerischer Arbeit.
Eine Retrospektive des Polnischen Instituts Berlin in Zusammenarbeit mit dem Zeughauskino, Arsenal, Hackesche Höfe Kino, Filmmuseum Potsdam, unterstützt vom Polish Film Institute, der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit, dem Adam Mickiewicz Institute, der Andrzej Wajda Studio & Film School Warschau und der Filmoteka Narodowa.


ANDRZEJ WAJDA – BEKANNT UND UNBEKANNT
Korczak
PL/D 1990, R: Andrzej Wajda, B: Agnieszka Holland, K: Robby Müller, D: Wojciech Pszoniak, Ewa Dałkowska, Teresa Budzisz-Krzyżanowska, 113’ Blu-ray, OmU

Während der deutschen Besatzung leitet der Arzt, Pädagoge und Schriftsteller Janusz Korczak das jüdische Waisenhaus im Warschauer Ghetto. Hier sind ihm mehr als 200 Kinder anvertraut. Als sie in die Gaskammern von Treblinka verschickt werden, begleitet er sie bis in den Tod... – Wajda entwirft ein filmisches Panorama des Ghettos 1942. In die fiktiven, von Robby Müller in klassischem Schwarzweiß fotografierten Szenen montiert er zeitgenössische Wochenschauaufnahmen. Der von Wojciech Pszoniak gespielte Korczak ragt wie eine Lichtgestalt aus dem Universum von Hunger, lähmender Angst und verzweifeltem Opportunismus heraus. Während wohlhabende „Ghetto-Juden“ bemüht sind, sich bei den Deutschen anzudienen, hält Korczak die Regeln von Gleichheit und Brüderlichkeit in seinem Heim aufrecht. So wirkt das Heim wie eine Insel der Gerechtigkeit, eine gelebte Utopie. Nach der US-Premiere schreibt der Jewish Chronicle, der Film sei „eine der aufrüttelndsten Geschichten aus dem Kapitel der Vernichtung des europäischen Judentums“, und in Israel gehört Korczak zum Unterrichtsstoff für die oberen Schulklassen. Stark umstritten ist der Film dagegen in Frankreich: Persönlichkeiten wie Claude Lanzmann (Shoah) werfen Wajda vor, er habe versäumt, den polnischen Antisemitismus darzustellen und verschleiere mit der Schlussszene, in der die Kinder aus den Waggons gestoßen werden und sich in den Herbstnebeln verlieren, die Realität. Karsten Witte lobt dagegen in der Zeit: „Der Absprung vom Zug der Geschichte evoziert das Schlimmste, das in Nacht und Nebel sich verbarg.“ (rs)

Eröffnung der Filmreihe in Anwesenheit von Wojciech Pszoniak
am 4.12. um 12.00 Uhr


ANDRZEJ WAJDA – BEKANNT UND UNBEKANNT
Samson
PL 1961, R: Andrzej Wajda, B: Andrzej Wajda, Kazimierz Brandys nach dessen Novelle, D: Serge Merlin, Alina Janowska, Elżbieta Kępińska, Beata Tyszkiewicz, Roman Polański, 117’ 35 mm, OmU

Schon am ersten Tag seines Universitätsstudiums 1939 gerät der junge Jakub Gold in eine Versammlung von Korpsstudenten. Als er sich gegen deren antisemitische Angriffe wehrt, verletzt er einen von ihnen tödlich und wird zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Doch wegen des deutschen Einmarsches werden die Häftlinge schon im Winter 1939 wieder entlassen. Jakub trägt seine Mutter im Warschauer Ghetto zu Grabe; wenig später gelingt ihm fast zufällig die Flucht. Er taucht in verschiedenen Verstecken unter. Als er von den Qualen seiner Leidensgenossen hört, will er ins Ghetto zurück, das aber bereits zerstört ist. Widerstandskämpfer verbergen ihn in einer illegalen Druckerei, bis diese von deutschen Soldaten gestürmt wird... – Wajda interessiert sich für einen Helden, der zunächst ein weitgehend passives Verhältnis zur Geschichte hat, dann aber versucht, in deren Räderwerk einzugreifen. Dabei verlagert der Film „den Schwerpunkt der Erzählung von der äußeren Realität hin zu einem inneren Drama. Das Melodramatische impliziert eine Abkehr vom dokumentarischen Abbild hin zur Visualisierung der Seelenlandschaft, wo sich historische Wahrheit und individuelle Imagination überlagern“ (Helmut Pflügl). Schon der Titel deutet darauf hin, dass Wajda die Erzählung von Jakub, der immer mehr nach dem Sinn seines Daseins forscht, in Beziehung zur alttestamentarischen Legende des Richters Samson gesetzt sehen will. (rs)

am 4.12. um 18.30 Uhr

 

 

ANDRZEJ WAJDA – BEKANNT UND UNBEKANNT
Katyń
Das Massaker von Katyn
PL 2007, R: Andrzej Wajda, K: Pawel Edelman, M: Krzysztof Penderecki, D: Maja Ostaszewska, Artur Zmijewski, Andrzej Chyra, Jan Englert, 117’ Blu-ray, OmU

Wie in vielen früheren Arbeiten wendet sich Wajda auch in Das Massaker von Katyn einem traumatischen Ereignis der jüngeren polnischen Geschichte zu: der Ermordung von über 22.000 Polen, darunter vielen Polizisten, Offizieren und Intellektuellen, die im April und Mai 1940 vom sowjetischen Geheimdienst in den Wäldern von Katyn und andernorts umgebracht wurden. Das von Josef Stalin befohlene Massaker wurde von der sowjetischen Propaganda zunächst den deutschen Okkupanten angelastet und nach dem Zweiten Weltkrieg verschwiegen und verdrängt. Historiker sprechen von „einer der großen politischen Intrigen des 20. Jahrhunderts“ (Franz Kadell). – Wajda, dessen Vater zu den Opfern der sowjetischen Verbrechen zählte und der seinem Film die Widmung „Für meine Eltern“ voranstellt, nimmt sich des lange tabuisierten Dramas an und inszeniert es aus dem Blickwinkel der Hinterbliebenen, die nach ihren Männern, Vätern und Söhnen suchen. Dabei schlagen die Filmfiguren viele Brücken zu anderen Werken des Regisseurs: Das Mädchen Agnieszka, deren Bruder in Katyn stirbt, war, ähnlich den Helden in Der Kanal, am Warschauer Aufstand beteiligt; Andrzej, einer der Opfer von Katyn, gehörte zu den Ulanen, denen Wajda bereits in Lotna ein bleibendes filmisches Denkmal gesetzt hatte. Und die Wahrheitssucherin Anna, die nicht nachlässt, nach dem Verbleib ihres Mannes zu forschen, erinnert in ihrer konsequenten Unbestechlichkeit an die Journalistin in Der Mann aus Marmor. (rs)

am 4.12. um 21.00 Uhr

 

 

ANDRZEJ WAJDA – BEKANNT UND UNBEKANNT
Kanał
Der Kanal

PL 1957, R: Andrzej Wajda, B: Jerzy Stefan Stawiński nach seiner gleichnamigen Erzählung, K: Jerzy Lipman, D: Wieńczysław Gliński, Emil Karewicz, Tadeusz Janczar, Stanisław Mikulski, 91’ 35 mm, OmU

Warschau Ende September 1944. Der Aufstand gegen die deutschen Okkupanten nähert sich seinem Ende. Eine Widerstandsgruppe der polnischen Heimatarmee versucht, ihre Stellung in den Trümmern der Vorstadt zu behaupten. Als auch das nicht mehr gelingt, tauchen die vorwiegend jungen Leute in das unterirdische Kanalnetz, die dunklen, stinkenden Kloaken Warschaus ab. Wajdas Drehbuchautor Jerzy Stefan Stawiński verarbeitet in Der Kanal eigene Erlebnisse: Als Befehlshaber einer Nachrichtenkompanie der Heimatarmee war er mit siebzig Kameraden in die Katakomben eingestiegen und hatte sie am nächsten Tag mit nur fünf Überlebenden wieder verlassen: „Damals brach mein ganzes Wertesystem zusammen, und für ein paar Jahre blieb in mir ein Gefühl der Bitternis.“ – Wajda und sein Kameramann Jerzy Lipman verdichten den Film zu einem expressionistischen Drama mit dramatischen Hell-Dunkel-Kontrasten. Die tragische Größe der Figuren wächst mit der zunehmenden Grausamkeit ihrer Niederlage. Dass Wajda scheiternde Helden ins Zentrum seiner Erzählung rücken konnte, hatte auch mit dem Ende des Stalinismus und einer möglich gewordenen Absage an die stalinistische Kunstdoktrin mit ihrem Pathos und der Verklärung des siegreichen Widerstandskämpfers als „typischen“ Helden der Epoche zu tun: Der Kanal zeigt stattdessen das von Zweifeln geprägte, ins Schicksal seiner Zeit und seines Volkes fest eingewobene Individuum. (rs)

am 6.12. um 20.00 Uhr

 

 

ANDRZEJ WAJDA – BEKANNT UND UNBEKANNT
Popiół i diament
Asche und Diamant

PL 1958, R: Andrzej Wajda, B: Andrzej Wajda, Jerzy Andrzejewski nach dessen gleichnamigem Roman, D: Zbigniew Cybulski, Ewa Krzyżewska, Wacław Zastrzeżyński, Adam Pawlikowski, 97’ 35 mm, OmU

Mit Wajdas drittem langen Spielfilm gelangte der Regisseur und mit ihm die junge polnische Nachkriegs-Kinematografie erstmals zu internationalem Ruhm: Asche und Diamant erhielt Preise auf Festivals in Venedig, Berlin und Vancouver; sein Hauptdarsteller Zbigniew Cybulski wurde mit James Dean verglichen. – Cybulski spielt den Untergrundkämpfer Maciek, ein Mitglied der Heimatarmee. Galt deren Kampf bisher den deutschen Okkupanten, lehnt sie sich nach der Etablierung der stalinistischen Besatzungsmacht nun vor allem gegen die Russen auf. Maciek erhält den Auftrag, am 8. Mai 1945, dem Tag der deutschen Kapitulation, ein Attentat auf den Bezirkssekretär der kommunistischen Arbeiterpartei, einen ehemaligen Spanienkämpfer, auszuführen. Der Anschlag misslingt; anstelle des Repräsentanten der „neuen Ordnung“ verlieren zwei unbeteiligte Arbeiter ihr Leben. Doch der Mordauftrag muss zu Ende geführt werden... – Wajda konzentriert sich auf wenige Stunden im Leben von Täter und Opfer; die klassische Einheit von Zeit und Ort erlaubt ihm ein ausgefeiltes psychologisches Kammerspiel, dessen Protagonisten die bestimmenden Ideologien der Nachkriegszeit, Nationalismus und Kommunismus, verkörpern. Ihre „tödliche Feindschaft ebnet Kriegsprofiteuren, korrupten Geschäftemachern und Karrieristen, die sich mit der alten Aristokratie im finalen Reigen zu einer gemeinsamen Polonaise finden, den Weg an die Macht“ (Helmut Pflügl). Als Symbol für den ebenso verzweifelten wie fatalen Bruderkrieg erfand Wajda jene Szene, in der sich der vom Attentat überraschte Spanienkämpfer sterbend an seinen Mörder klammert: Erst in der tödlichen Umarmung finden sie zu einander. (rs)

am 8.12. um 20.00 Uhr

 

 

ANDRZEJ WAJDA – BEKANNT UND UNBEKANNT
Pokolenie
Eine Generation

PL 1955, R: Andrzej Wajda, B: Bohdan Czeszko nach seinem gleichnamigen Roman, D: Tadeusz Łomnicki, Tadeusz Janczar, Janusz Paluskiewicz, Roman Polański, Zbigniew Cybulski, 83’ 35 mm, OmU

Als Thema seines ersten langen Spielfilms wählt Andrzej Wajda den Untergrundkampf gegen die deutschen Besatzer. In einem lyrisch-realistischen Stil, den er den Meisterwerken des italienischen Neorealismus abgeschaut hatte, porträtiert er eine Generation, die ihre Jugend dem antifaschistischen Widerstand opfert und von „Farben, Musik und Tanzen bis zum Umfallen“ nur noch zu träumen vermag. Wajda und die meisten seiner Mitwirkenden reflektieren dabei eigene Erfahrungen: „Wir wollten einen Film machen, der unsere Sprache spricht“ (Wajda). – Die Hauptfigur Stach, ein junger Mann, wird in den ersten Szenen beim Kohlendiebstahl von einem in Richtung Ostfront fahrenden deutschen Transportzug verwundet. Nachdem ihn ein Arbeiter rettet, tritt er eine Lehrstelle in einer Schreinerei an, die für die Deutschen KZ-Betten produziert. Der Geselle Jasio, den er dort kennen lernt, und das Mädchen Dorota, eine Kommunistin, in die er sich verliebt, werden zu seinen politischen Lehrmeistern. Als im August 1944 der Warschauer Aufstand ausbricht, flüchten viele Aufständische in das unterirdische Kanalsystem. Stach, Jasio und ihre Kameraden versuchen, sie von jenen Öffnungen abzuholen, in die die Kanäle münden. Jasio und Dorota bezahlen ihren Mut mit dem Leben. In der letzten Szene des Films deutet Wajda an, dass der bedingungslose Idealist Stach ihren Kampf fortsetzen wird: Nun führt er selbst junge Leute in den Widerstand. (rs)

am 9.12. um 21.00 Uhr

 

 

ANDRZEJ WAJDA – BEKANNT UND UNBEKANNT
Ziemia obiecana
Das gelobte Land

PL 1974, R/B: Andrzej Wajda nach dem Roman von Władisław Reymont, D: Daniel Olbrychski, Wojciech Pszoniak, Andrzej Seweryn, Franciszek Pieczka, 179’ 35 mm, OmU

Łódz um 1880. Die täglich anwachsende Textilmetropole, die als „polnisches Manchester“ gilt, ist ein brodelnder Hexenkessel, ein Tummelplatz für Spekulanten und Abenteurer. Drei Freunde, der junge polnische Landadlige Karol Borowiecki, der Deutsche Maks Baum und der Jude Moryc Welt, wollen an dem allgemeinen Tanz ums Goldene Kalb teilhaben und gründen, vorwiegend mit dem Geld aus Spekulationsgeschäften, eine eigene Firma. Doch ein reicher Fabrikant, der von der heimlichen Liaison seiner Frau mit Karol erfahren hat, rächt sich: Er lässt die Werkhallen anzünden... – Władisław Reymonts 1898 verfasster Roman Ziemnia obiecana bot Andrzej Wajda „ein sehr konkretes Material, das auf einer realistischen Beobachtung des Lebens gründete und auf überzeugende Weise die Maßlosigkeit enthält, das Brodeln, die Gewalt, ein gewisses Barock, kurz all das, was die industrielle Revolution jener Epoche charakterisierte“ (Image et Son). Der Regisseur entwirft, unterstützt von einer expressiven Kamera und hämmernden Musikakkorden, ein suggestives Bild der damaligen Umbrüche. Die neue Gesellschaft kommt mit Blut und Schmutz beladen zur Welt. Wenn es um Profit geht, werden alle moralischen Werte über Bord geworfen: Grausamkeit und Zynismus beherrschen die Szene; Menschenleben fallen der Gier und Gewinnsucht zum Opfer. Am Schluss lässt der Fabrikant Karol auf streikende Arbeiter schießen: Für den Dialektiker Wajda ist das der Beginn seines Untergangs. (rs)

am 10.12. um 19.00 Uhr

 

 

ANDRZEJ WAJDA – BEKANNT UND UNBEKANNT
Lotna
PL 1959, R: Andrzej Wajda, K: Jerzy Lipman, D: Jerzy Pichelski, Adam Pawlikowski, Jerzy Moes, Mieczysław Loza, Roman Polański, 85’ 35 mm, OmU

Nach dem Überfall der Wehrmacht auf Polen im September 1939 erhält der Rittmeister eines Kavallerieregiments auf dem Marsch an die Front eine edle weiße Stute geschenkt. Auf diesem Pferd, genannt Lotna, „die Fliegende“, reitet er gegen die deutschen Panzer und fällt. Das prächtige Tier wird daraufhin zum Streitobjekt zwischen anderen Offizieren und Soldaten, bis es stürzt, sich den Fuß bricht und erschossen werden muss... – Andrzej Wajdas erster Farbfilm entwirft „eine schöne und elegische Erinnerung an etwas, das es nicht mehr gibt“ (Klaus Eder). Der Regisseur, Sohn eines Offiziers und als Kind selbst mit den Ritualen der polnischen Kavallerie vertraut, setzt einer Jahrhunderte alten militärischen Tradition ein letztes Denkmal. Wajda nutzt dafür eine episodische Dramaturgie, die er, unter Verzicht auf eine zentrale Figur und einen zentralen Konflikt, in epischer Breite zelebriert. Wie in Der Kanal und Asche und Diamant „fasziniert ihn auch hier der Glanz der Ausweglosigkeit“ (Ulrich Gregor/Enno Patalas: Geschichte des modernen Films). Die Farben des Films sind dem Fluss der Jahreszeiten angepasst: Den satten, gelben und grünen Tönen des Spätsommers, die gleichsam für eine alte Werteordnung stehen, münden in ein bleiches Grau, die Trostlosigkeit des Winters, der Okkupation. Lotna ist eine melancholische Rhapsodie mit romantischen Details, ein von tiefem Nationalstolz erfüllter Film. (rs)

am 11.12. um 21.00 Uhr

 

 

ANDRZEJ WAJDA – BEKANNT UND UNBEKANNT
Eine Liebe in Deutschland
BRD/F 1983, R: Andrzej Wajda nach einer Erzählung von Rolf Hochhuth, D: Piotr Lysak, Daniel Olbrychski, Hanna Schygulla, Armin Mueller-Stahl, Bernhard Wicki, Elisabeth Trissenaar, 102’ 35 mm

Im Frühjahr 1983 wird Andrzej Wajda von den polnischen Behörden als Leiter der Warschauer Filmgruppe X abgesetzt; der Vorwurf lautet, die Gruppe habe unter seiner Führung einen „antistaatlichen Charakter“ angenommen. In dieser Zeit, in der Wajda annehmen muss, dass er in seinem Heimatland keine Filme mehr drehen darf, inszeniert er als westdeutsch-französische Co-Produktion Eine Liebe in Deutschland, nach dem gleichnamigen Buch von Rolf Hochhuth. Wajda selbst nennt es „faszinierend“, Ereignisse aus der Zeit von Faschismus und Krieg zum ersten Mal nicht aus polnischer, sondern aus deutscher Sicht zeigen zu können. Allerdings gäbe ihm erst die Hauptfigur eines polnischen Zwangsarbeiters „das Recht, mich hinter die Kamera zu stellen“. – Wajda entwickelt Eine Liebe in Deutschland nach dem Prinzip einer historischen Rekonstruktion: Damalige Zeitzeugen kommen zu Wort, Dokumentarszenen werden eingeblendet, ein Sprecher zitiert aus authentischen Akten des NS-Sicherheitsdienstes. Beschrieben wird der Fall des polnischen Zwangsarbeiters Stanisław (Piotr Lysak), der in eine badische Kleinstadt verschleppt wurde und in den sich die deutsche Gemüsehändlerin Pauline (Hanna Schygulla) verliebt, deren Mann an der Front ist. Diese Liebe, die stets unter dem Damoklesschwert eines staatlich sanktionierten Todes steht, ist eingebettet in das Panorama einer Gesellschaft, in der Neid und Missgunst regieren und die faschistische Rassengesetzgebung zur selbstverständlichen Praxis wurde. (rs)

am 15.12. um 20.00 Uhr

 

 

ANDRZEJ WAJDA – BEKANNT UND UNBEKANNT
Wielki tydzień
Die Karwoche

PL/D/F 1995, R/B: Andrzej Wajda nach der gleichnamigen Erzählung von Jerzy Andrzejewski, D: Beata Fudalej, Wojciech Malajkat, Wojciech Pszoniak, Magdalena Warzecha, Cezary Pazura, 93’ 35 mm, OmU

Nachdem Andrzej Wajda vor allem von französischen Intellektuellen der Vorwurf gemacht wurde, er habe in Korczak den polnischen Antisemitismus ausgeblendet, wendet er sich in Die Karwoche explizit diesem Thema zu. Ins Zentrum der im Jahr 1943 spielenden Geschichte stellt er die Jüdin Irena, die aus dem Ghetto flieht und von Jan, einem früheren Freund, in einem Mietshaus in der Warschauer Vorstadt versteckt wird. Die Bewohner dieses Hauses und ihre Beziehungen zu der jungen Frau stehen für Wajda prototypisch für die Verhaltensweisen der Polen unter der deutschen Okkupation. Jan ist angesichts der Tatsache, dass die Gestapo jeden umbringt, der Juden hilft, höchst zwiegespalten: Am liebsten hätte er Irena wieder aus dem Haus. Seine Frau Anna, Katholikin und hochschwanger, steht der Gejagten bei. Eine Nachbarin, die ihr Geld mit Schwarzhandel verdient, intrigiert beim Hausbesitzer. Ihr Mann, ein Spieler und Hallodri, versucht die Jüdin zu vergewaltigen. Und der Hausbesitzer, ein Schöngeist, der sich aus den finsteren Zeiten in klassische Literatur flüchtet, reagiert abwartend. Nur ein Nachbarjunge findet zum Widerstand und schließt sich den Aufständischen im Ghetto an. – Das filmische Gruppenbild, das viele Facetten menschlichen Handelns zwischen Nächstenliebe und Hass, Mut, Feigheit und Gier spiegelt, entstand nach einer Erzählung von Jerzy Andrzejewski, der auch die Vorlage zu Asche und Diamant lieferte. (rs)

am 16.12. um 19.00 Uhr

 

 

ANDRZEJ WAJDA – BEKANNT UND UNBEKANNT
Krajobraz po bitwie
Landschaft nach der Schlacht

PL 1970, R: Andrzej Wajda, D: Daniel Olbrychski, Stanisława Celińska, Tadeusz Janczar, Jerzy Zelnik, 101’ 35 mm, OmU

Winter 1945, der Krieg ist vorüber. Die Insassen eines Konzentrationslagers werden in ehemalige SS-Kasernen in Deutschland umquartiert, um sich hier auf ein Leben in Freiheit und „Normalität“ vorzubereiten. Doch die im Lager antrainierte Besessenheit, ein Gemenge aus Angst, Gewalt und animalischen Überlebensinstinkten, ist nur schwer zu überwinden. Zu den Wunden der Vergangenheit, die vielleicht nie heilen werden, kommen neue: Der junge polnische Intellektuelle Tadeusz, ein ehemaliger KZ-Häftling, muss miterleben, wie amerikanische Soldaten aus Versehen das jüdische Mädchen Nina erschießen. Tadeusz’ zynischer Kommentar: „Wir in Europa sind das gewohnt. Sechs Jahre lang haben die Deutschen auf uns geschossen, und jetzt schießt ihr auf uns – was macht das für einen Unterschied?“ Während dessen wird auf dem Lagerhof ein altes polnisches patriotisches Festspiel uraufgeführt: „Die Schlacht von Grünwald“. – Landschaft nach der Schlacht ist ein Film „über die Erfahrung, dass mit dem Augenblick der Befreiung für viele keineswegs die Zukunft beginnen konnte“ (Klaus Eder). Ohne dass die Gräuel des Konzentrationslagers gezeigt werden, sind sie doch in jeder Szene präsent und prägen das Handeln der Figuren. Daniel Olbrychski in der Hauptrolle spielt einen sensiblen, innerlich zerrissenen jungen Mann, der leben möchte, aber von der Erinnerung an die unmenschliche Erniedrigung im Konzentrationslager schwer belastet wird. Der Autor der literarischen Vorlage, Tadeusz Borowski, porträtierte sich in dieser Figur gleichsam selbst. 1951 nahm er sich das Leben. (rs)

am 17.12. in Anwesenheit von Gästen
am 17.12. um 18.30 Uhr
am 18.12. um 21.00 Uhr

 

 

ANDRZEJ WAJDA – BEKANNT UND UNBEKANNT
Pierścionek z orłem w koronie
Liebe zwischen den Fronten / Der Ring mit dem gekrönten Adler

PL/F/D 1993, R: Andrzej Wajda nach einem Buch von Aleksander Ścibor-Rylski, D: Rafał Krolikowski, Adrianna Biedrzyńska, Cesary Pazura, Mirosław Baka, 104’ 35 mm, OmU

Mit Liebe zwischen den Fronten kehrt Andrzej Wajda zum Thema seines Frühwerks zurück: dem Warschauer Aufstand 1944 und den Geschehnissen im Nachkriegspolen. Seine Hauptfigur Marcin, ein Fähnrich der bürgerlich-nationalen Heimatarmee, beschließt nach der Besetzung Polens durch die Sowjetarmee im Januar 1945, sich an keinerlei politische Aktivitäten mehr zu beteiligen. Er versucht, auch seine ehemaligen Mitkämpfer von dieser Haltung zu überzeugen, um nicht mit ansehen zu müssen, wie sie einem sinnlosen Tod geopfert werden. Marcin nimmt eine Stelle als Fahrer beim Parteikomitee an und erlebt, wie Hunderte Soldaten und Offiziere der Heimatarmee in Güterwaggons gepfercht und nach Sibirien abtransportiert werden. Dennoch gibt er sich der Illusion hin, zum Frieden zwischen den neuen, kommunistischen Machthabern und seinen früheren Kameraden beitragen zu können. Er hilft, eine geheime Begegnung zwischen hochrangigen Abgesandten beider Seiten zu arrangieren, doch das Treffen endet in Verrat und Tod. – Wajda legt seinen Film realistisch und metaphorisch zugleich an: Als Zeichen für den Stolz und den Freiheitswillen des „alten“ Polen bringt er einen Ring ins Spiel, den Marcin von einer Freundin geschenkt bekommt und den ein Adler mit einer Krone ziert. Später wird ein Staatssicherheitsoffizier die Krone zerstören – ein Vorgang, der die Vernichtung tradierter Werte durch die neue, von Stalin installierte Macht symbolisiert. Mit einer Barszene, in der ein junger Zyniker mit Sonnenbrille auftritt, erinnert Wajda an die von Zbigniew Cybulski verkörperte Figur des Maciek aus Asche und Diamant. (rs)

am 18.12. um 18.30 Uhr



 

 

 
  Filmarchiv