Der Kampf um die Geschichte

Die Kommunisten setzten in allen Staaten des östlichen Europa die Leiterzählung durch, nach der die Nationen durch sowjetischen Truppen befreit worden seien. Auch in Finnland und Jugoslawien versuchten sie, diese zu etablieren. Große Teile der Gesellschaften in der sowjetischen Einflußsphäre weigerten sich jedoch, diese Erzählung zu akzeptieren.
Das Exil hielt die Nationalerzählung zwar aufrecht, doch reproduzierte sie aufgrund der Unzugänglichkeit der primären Quellen ein seit den 50er Jahren unreflektiertes Geschichtsbild. Das ging soweit, daß die Kollaboration mit den Nationalsozialisten als nationale Verteidigung gerechtfertigt wurde.
In den 60er und 70er Jahren rückte auch in den kommunistisch regierten Ländern das Nationale mehr oder weniger in den öffentlichen Diskurs. Seit den späten 80er Jahren vollzieht sich der neu entbrannte „Kampf um das Gedächtnis“ wie selbstverständlich in Abwendung vom Deutungsmonopol sozialistischer Regime. Die eigene jüngere Geschichte wurde einer Neubewertung unterzogen. Zu den brennenden Themen zählen der sowjetische Terror und die Deportationen. Es war nicht zuletzt dieser Kampf, der zum Zerfall der Sowjetunion, Jugoslawiens und der Tschechoslowakei führte.
Seit den 90er Jahren polarisiert die jüngste Geschichte nicht selten die Gesellschaften. Um die politische Kontroverse über sowjetische und nationalsozialistische Verbrechen zu entschärfen, haben manche Länder – wie Litauen oder Polen – international besetzte Kommissionen zur Bewertung der Verbrechen der nationalsozialistischen und kommunistischen Regime eingesetzt. Sie versuchen, die durch tendenziöse und selektive Darstellung getrübte Geschichtsschreibung zu überprüfen und auch Kollaboration und Verstrickung in die Verbrechen des nationalsozialistischen und des sowjetischen Regimes aufzuarbeiten.

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