Zeughauskino

 

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Günter Reisch | Unter Vorbehalt | Verführung Freiheit | Wiederentdeckt

 


  GÜNTER REISCH

 

ZWISCHEN HISTORIENFILM UND GEGENWARTSKOMÖDIE
WERKSCHAU ZUM 85. GEBURTSTAG VON GÜNTER REISCH

Der am 24. November 1927 geborene Günter Reisch gehört zu den DEFA-Regisseuren der ersten und letzten Stunde. Von 1949 bis 1989 arbeitet er als Drehbuchautor und Regisseur bei der staatlichen Filmgesellschaft der DDR. Seine Filme, deren Produktion eng mit der Geschichte der DDR und der DEFA verknüpft ist, umfassen ein breites Spektrum unterschiedlicher Genres: Musicals, Gegenwartskomödien, Spionage- und Historienfilme. Im Kern berühren sie immer wieder die Vorgeschichte und Gegenwart der DDR. Anlässlich des 85. Geburtstags von Günter Reisch widmen CineGraph Babelsberg e.V. und das Zeughauskino dem vielseitigen Regisseur eine Werkschau. Die Programme werden von Filmhistorikern eingeführt, die historischen Rahmenbedingungen, mentalitätsgeschichtlichen Aspekten sowie stilistischen und dramaturgischen Besonderheiten nachgehen.
Die Werkschau wird von der DEFA-Stiftung gefördert. In Zusammenarbeit mit dem Filmmuseum Potsdam und gefördert von der Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" und der DEFA-Stiftung, erscheint im Schüren-Verlag ein Sammelband mit Aufsätzen zum Werk von Günter Reisch.

DEFA-Logo

 

GÜNTER REISCH
Junges Gemüse
DDR 1956, R: Günter Reisch, B: Günther Rücker, Kurt Bortfeldt, K: Horst E. Brandt, D: Herbert Richter, Angela Brunner, Christoph Engel, Paul Heidemann, 79’          35 mm

In Anlehnung an die fünfaktige Komödie Der Revisor (1836) von Nicolai Gogol führt uns Günter Reisch in die Gegenwart der DDR-Nachkriegslandwirtschaft. Zwischen Bürokratie und Pragmatismus, Individualität und Kollektivgeist, alten Vorstellungen und neuer Zeit eröffnet Junges Gemüse einen satirischen Blick auf Funktionäre und die unterschiedlichen Ansichten der Generationen. Die Werbeabteilung der DEFA veränderte selbstbewusst das Firmenkürzel in „Deutsche Fröhlichkeitsanstalt“ und verkündete, endlich den Anschluss an den unterhaltsamen Gegenwartsfilm gefunden zu haben. Auch die zeitgenössische Presse konstatierte mit aller Vorsicht, der Film sei „ausgelassen, unbeschwert, voll frechen Spotts und voller Persiflage“ (Die Union, 7.4.1956). Aber auch kritische Stimmen mischten sich in die Bewertung des alte und neue Verhaltensweisen verspottenden Lustspiels: „Es war ein böser Zeitgeist, der alles Lockere und Gelöste, alles Freche und Mutige, allen Spott und alle Satire in seinen dogmatischen Schlund riß. An diesem Zeitgeist aber waren wir selbst irgendwie alle mit beteiligt, entweder dadurch, daß wir ihn mästeten oder daß wir nicht den Mut aufbrachten, ihm den Garaus zu machen.“ (Die Union, 7.4.1956). Vielleicht sorgte auch die Unbekümmertheit der drei Debütanten für den ungewöhnlich leichten Tonfall des Films. Denn sowohl der Regisseur Günter Reisch als auch der Drehbuchautor Günther Rücker und der Kameramann Horst E. Brandt feierten mit dem am 29. März 1956 uraufgeführten Film ihren Einstand. Für den Szenenbildner Alfred Hirschmeier war es die erste selbständige Arbeit. (mg)

Einführung am 17.11.2012: Michael Grisko
am 17.11.2012 um 20.00 Uhr
am 20.11.2012 um 20.00 Uhr

 

GÜNTER REISCH
Maibowle
DDR 1959, R: Günter Reisch, D: Erich Franz, Albert Hetterle, Christel Bodenstein, Heinz Draehn, Ekkehard Schall, 94’         35 mm

Zum 10. Jahrestag der Gründung der DDR uraufgeführt, schildert der in Farbe gedrehte Film Maibowle die turbulenten Ereignisse am 65. Geburtstag des Chemiearbeiters Walter Loerke. Als alle Kinder ihre Teilnahme an der Feier im Hause Loerke zunächst absagen, scheint das Geburtstagsfest zu platzen. Doch in einem turbulenten Finale kommt es noch zum Happy-End und die Maibowle im Hause Loerke kann getrunken werden. Reisch verbindet eine Familiengeschichte mit einer Gesellschaftskomödie und gewährt so einen heiteren Blick auf die Gegenwart in Ostdeutschland zwischen Generationenkonflikt, entwickelter Gesellschaft, Werbung für das Chemieprogramm der DDR und die neuen Werten im Sozialismus. Indem Maibowle verschiedene alte und neue Stilmittel und Genreversatzstücke der Komödie miteinander kombiniert, erkundet der Film die Möglichkeiten eines für die DEFA-Produktion so wichtigen Genres: der sozialistischen Komödie. Nur ein Jahr später, im Jahr 1960 entstand mit Silvesterpunsch eine Fortsetzung, die noch stärker die Elemente der musikalischen Revue betont. (mg)

Einführung am 21.11.2012: Guido Altendorf
am 21.11.2012 um 20.00 Uhr
am 23.11.2012 um 21.00 Uhr

 

GÜNTER REISCH
Ein Lord am Alexanderplatz
DDR 1967, R: Günter Reisch, D: Erwin Geschonneck, Angelica Domröse, Monika Gabriel, Armin Mueller-Stahl, 112’ 35 mm

Eine hochkarätig besetzte Verwechslungskomödie um einen alternden Heiratsschwindler dreht Günter Reisch im Laufe des Jahres 1966, ein Jahr nachdem das 11. Plenum der SED fast eine gesamte Jahresproduktion der DEFA verboten hatte. Der von Erwin Geschonneck gespielte Heiratsschwindler Ewald Honig kommt aus München zu seiner Tochter nach Ost-Berlin, die Angelica Domröse verkörpert. Die Stadt rund um den Alexanderplatz – zwischen Modernität und Abbruch – wird zum zweiten Handlungsgegenstand. Die 1951 auch mit dem Bau der Stalinallee begonnene Modernisierung des Straßenverkehrs und Städtebaus fand in dem zwischen 1961 und 1964 errichteten Haus des Lehrers und dem 1969 vollendeten Fernsehturm ihren in Beton gegossenen architektonischen Ausdruck. Vor diesem Hintergrund inszenierte Günter Reisch eine Liebeskomödie in modernen Lebenswelten, die von der Suche nach Liebe und den dabei entstehenden Missverständnissen bestimmt wird. Mode, Zeitschriften, Freizügigkeit und eine gewisse Internationalität bilden den Rahmen dieser mit dem jungen Armin Müller-Stahl und der ebenso jugendlichen Angelica Domröse hervorragend besetzten Komödie. (mg)

Einführung am 23.11.2012: Michael Wedel
am 23.11.2012 um 18.30 Uhr
am 29.11.2012 um 20.00 Uhr

 

GÜNTER REISCH
Solange Leben in mir ist
DDR 1965, R: Günter Reisch, D: Horst Schulze, Ludmila Kasjanowa, Rita Krips, Mikhail Ulyanov, Albert Hetterle, Erika Dunkelmann, Jutta Hoffmann, 114‘ 35 mm

Trotz alledem!
DDR 1972, R: Günter Reisch, D: Horst Schulze, Ludmila Kasjanowa, Ute Illmann, Lutz Fremde, Albert Hetterle, 125‘          35 mm

Der biografische Film gehörte zum festen Genrerepertoire der DEFA. Zwischen 1949 und 1989 entstanden knapp 40 Filme dieses Zuschnitts. Hinzu kamen zahlreiche geplante und schließlich in unterschiedlichen Produktionsstufen abgebrochene Projekte. Zu den dargestellten Personen gehörten europäische, aber in der Mehrzahl deutschsprachige Schriftsteller, bildende Künstler, Erfinder, Naturwissenschaftler, Komponisten, Politiker und Revolutionäre. Auch die beiden Karl-Liebknecht-Filme von Günter Reisch sind dem biografischen Film zuzuordnen.
Übernommen hatte Reisch das Projekt von dem 1963 gestorbenen Slátan Dudow. Nach den Mitte der 1950er Jahre entstandenen Thälmann-Filmen, bei denen Reisch unter Kurt Maetzig Regieassistent gewesen war, realisierte Reisch das zweiteilige Epos zusammen mit den ebenfalls bei den Thälmann-Filmen aktiven Drehbuchautoren Martin Tschesno-Hell und Willi Bredel. Karl Liebknechts Frau, Sophie, war noch an den Vorarbeiten des ersten Teils beteiligt. Die Produktion wurde mit großem Aufwand realisiert. Allein für Solange Leben in mir ist standen 6 Millionen Mark zur Verfügung. Gedreht wurde unter anderem an Originalschauplätzen in Berlin, Leipzig und Jena. Der Potsdamer Platz und der Plenarsaal des Reichstags entstanden in den Babelsberger DEFA-Ateliers. Nach der Fertigstellung konstatierte der Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht, es sei ein guter Film mit großer politischer und künstlerischer Bedeutung entstanden. Günter Reisch zog die Linien bis in die Gegenwart und bemerkte: „Den eigentlichen Schluss unseres Filmes zeigen wir nicht: dass wir aus dem Kino auf die Straße treten und uns in dem Staate Liebknechts befinden.“ (mg)

Einführung um 18.30 Uhr: Michael Grisko
am 24.11.2012 um 18.30 Uhr: Solange Leben in mir ist
am 24.11.2012 um 21.00 Uhr: Trotz alledem!

 

GÜNTER REISCH
Ach, du fröhliche...
DDR 1962, R: Günter Reisch, Regie-Assistenz: Rolf Losansky, D: Erwin Geschonneck, Mathilde Danegger, Karin Schröder, Arno Wyzniewski, Günter Junghans, Rosemarie Schelenz, 95‘            35 mm

Wie die Alten sungen...
DDR 1987, R: Günter Reisch, RA: Andreas Dresen, Anne Nestler, D: Erwin Geschonneck, Andrea Lüdke, Karin Schröder, Arno Wyzniewski, Mathilde Danegger, Karsten Speck, 94‘            35 mm

Ein Treffen mit dem tschechischen Autor Vratislav Blažek in Prag im Jahr 1961 und der Besuch seines Theaterstücks Und das am Heilig Abend, das viele Theater der DDR übernommen hatten, sind die Ausgangspunkte für die beiden im Abstand von fast 25 Jahren entstandenen Filme Ach du fröhliche (1962) und Wie die Alten sungen (1987). Reischs Erinnerungen zufolge sprach das widerspenstige Stück Und das am Heilig Abend in seinem heiter-ironischen Ernst besonders die Jugend an. Reisch bat Hermann Kant, eine deutsche Buchvariante zu schaffen, und so entstand die Vorlage für eine DEFA-Gegenwarts-Komödie, die, im Schatten des Mauerbaus erdacht, vier Jahre vor dem 11. Plenum der SED gedreht, ihre Kraft aus der offenen Auseinandersetzung mit der Gegenwart und dem Aufeinandertreffen der Generationen zieht.
Das Weihnachtsfest 1961 möchte der linientreue Arbeitsdirektor Lörke (Erwin Geschonneck) zusammen mit seiner Familie verbringen. Doch die Harmonie wird gestört, als seine Tochter Anne (Karin Schröder) beichtet, dass sie sich mit Thomas (Arno Wyzniewski) verlobt habe und ein Kind von ihm erwarte. Der Schwiegersohn in spe äußert sich zudem regimekritisch, womit er Vater Lörke endgültig auf die Barrikaden bringt. Lörke verlässt die Familienfeier, kehrt jedoch bald wieder zur Familie zurück. Dort diskutiert er schließlich versöhnlich mit Thomas über dessen Kritik am Arbeiter- und Bauernstaat. 25 Jahre später realisierte Günter Reisch mit annähernd gleicher Besetzung und unter Verwendung von Szenen aus dem Film vom 1962 die Fortsetzung Wie die Alten sungen. (mg)

Einführung um 19.00 Uhr: Michael Grisko
Einführung um 21.00 Uhr: Andreas Dresen
am 25.11.2012 um 19.00 Uhr: Ach, du fröhliche...
am 25.11.2012 um 21.00 Uhr: Wie die Alten sungen...

 

GÜNTER REISCH
Wolz. Leben und Verklärung eines deutschen Anarchisten
DDR 1974, R: Günter Reisch, D: Regimantas Adomajtis, Heidemarie Wenzel, Stanislav Lubšin, Jörg Panknin, 110‘          35 mm

Ein Film mit Vorlaufzeit: Mehrere Jahre benötigte Günter Rücker um das von ihm geschriebene Drehbuch durchzusetzen und die Ängste vor der Verherrlichung des Anarchismus zu zerstreuen. Basierend auf der 1929 erschienenen Autobiografie Vom „Weißen Kreuz“ zur Roten Fahne des radikalen Kommunisten Max Hoelz (1889–1933) entstanden erste Skizzen bereits in den 1960er Jahren. Nach schnell fallengelassenen Überlegungen, zusammen mit Egon Günther den Film als 70mm-Großproduktion zu realisieren, fand sich in Günter Reisch nach seinem zweiten Liebknecht-Film Trotz alledem ein Experte der Zeit um die Jahrhundertwende. Aber Reisch wollte keinen Historienfilm, wollte „die Jugend ansprechen, um auch von ihr verurteilt werden zu können. (...) Leidenschaftlich, überzeugend, unbändige sinnliche Vitalität. Gut aussehend. Franco Nero als Möglichkeit oder ein jüngerer Mario Adorf.“ Auch an den in West-Berlin lebenden Götz George wandte er sich. Hauptdarsteller wurde schließlich der damals 35-jährige Litauer Regimantas Adomaitis.
Adomaitis spielt den Soldaten Ignaz Wolz, der im Anschluss an den Ersten Weltkrieg einen unbändigen Hass auf die kapitalistischen Kriegsgewinnler entwickelt und seine eigene Revolution durchführen möchte. Er enteignet Grund- und Fabrikbesitzer und verteilt die Reichtümer an die Armen. Aus dem organisierten Klassenkampf hält er sich jedoch heraus. Schließlich landet Wolz im Zuchthaus, wo er sieben Jahre inhaftiert ist, ehe er aufgrund von Massenprotesten freigelassen wird. Doch Wolz kann sich nun erst recht nicht mehr anpassen. Er trennt sich von ehemaligen Weggenossen, die seinen anarchistischen Ideen nicht mehr folgen möchten, und verlässt Deutschland. (mg)

Einführung am 27.11.2012: Ralf Schenk
am 27.11.2012 um 20.00 Uhr
am 1.12.2012 um 20.30 Uhr

 

GÜNTER REISCH
Anton der Zauberer
DDR 1978, R: Günter Reisch, D: Ulrich Thein, Anna Dymna, Erwin Geschonneck, Barbara Dittus, Marina Krogull, Erik S. Klein, 106‘        35 mm

Nach Nelken in Aspik (1976), einer komödiantischen Farce über die DDR-Werbebranche mit Armin Müller-Stahl in der Hauptrolle, drehte Günter Reisch mit Anton der Zauberer eine der erfolgreichsten Filmkomödien der DEFA. Mehr als 800.000 Besucher wollten die von Ulrich Thein gespielte Figur des Anton Grubske, die eigentlich als Mehrteiler im Fernsehen laufen sollte, im Kino sehen.
Die Rahmenhandlung der zwischen ostdeutscher Provinz, West-Berlin und der Schweiz angesiedelten Geschichte bildet Antons Begräbnis. Eröffnet wird ein zeitlicher Horizont von der Weimarer Republik bis in die Zeit kurz nach dem Mauerbau. Skurrile Nebengestalten begleiten Anton auf seinem Weg, der von Autos, Frauen und Alkohol gesäumt wird. Im Mittelpunkt stehen die als Reaktion auf die Versorgungsengpässe in der noch jungen sozialistischen Planwirtschaft ausgebildeten Fertigkeiten des Automechanikers Grubske. Zwischen handwerklichem Geschick und krimineller Energie, zwischen Augenzwinkern und moralischer Besserung lässt uns der Regisseur an der individuellen Erfolgsgeschichte teilhaben, die viel über die Notwendigkeiten des DDR-Alltags erzählt. Die von der Kritik begeistert aufgenommene Komödie lief auf zahlreichen Festivals und bescherte den an der Produktion beteiligten Künstlern zahlreiche Preise und Auszeichnungen. (mg)

Einführung am 28.11.2012: Günter Agde
am 28.11.2012 um 20.00 Uhr
am 1.12.2012 um 18.30 Uhr

 

 
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