Zeughauskino

 

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  NACHBILDER

 

NACHBILDER

 

Unter den deutschen Kinoproduktionen der letzten Jahre finden sich mehrere bemerkenswerte Filme, die die Erinnerung an den Nationalsozialismus und Holocaust in einer oft überraschenden Perspektive wachhalten. Nicht selten ist es der Mut, die Geschichte und Nachgeschichte des „Dritten Reichs“ in den subjektiven Wahrnehmungen und Empfindungen einer Figur zu fokussieren. Einmal gerät sogar der ganze Film zu einer historiografischen Raserei, die alle wohlfeilen Ansprüche auf historische Aufklärung und Authentizität ignoriert. Die Reihe NACHBILDER versammelt eine Auswahl dieser ungewöhnlichen Filme.

 

NACHBILDER

Die Wohnung
Ha‘dira
IL/D 2011, R: Arnon Goldfinger, K: Philippe Bellaiche, Talia Galon, 97’ 35 mm, OmU

Nach dem Tod seiner Großmutter löst der Filmemacher Arnon Goldfinger deren Haushalt auf. Er taucht in einen verschwundenen Kosmos des deutschen Judentums ein: Seine Großeltern waren 1935 aus Deutschland ausgereist, konnten dabei ihr persönliches Hab und Gut jedoch weitgehend retten. Unter den zahllosen Erinnerungsstücken und (ausschließlich deutschen) Büchern stößt er auf ein Foto, das offenbar in den 1960er Jahren in der Bundesrepublik aufgenommen wurde. Es zeigt seine Großeltern mit einem befreundeten deutschen Ehepaar. Niemand in der Familie wusste von einer solchen Freundschaft. Als der Filmemacher weiter recherchiert, kommt Unglaubliches zutage. Leopold von Mildenstein war SS-Mann und zeitweilig Leiter des NS-Judenreferats und damit vorübergehend Adolf Eichmanns Vorgesetzter. Mit dieser Erkenntnis wird das jüdisch-israelische Selbstverständnis der Familie Goldfinger gründlich in Frage gestellt. „Der Film ist einerseits ein sehr persönlicher Film über eine Familiengeschichte im Kontext des Holocausts, andererseits aber auch ein bewegendes Dokument über das Schweigen der Nachkriegszeit. Auf Seiten der Täter, aber auch auf Seiten der Opfer.“ (Reinhard Lüke, film-dienst). (cl)

am 2.7.2013 um 20.00 Uhr
am 3.7.2013 um 20.00 Uhr


NACHBILDER

Lore
D/AUS/GB 2012, R: Cate Shortland, K: Adam Arkapaw, D: Saskia Rosendahl, Nele Trebs, André Frid, Mika Seidel, Kai Malina, Claudia Geisler, 109’ 35 mm, DF

Für die 15-jährige Lore fällt 1945 das Kriegsende mit dem Erwachsenwerden zusammen. Streng im nationalsozialistischen Sinne erzogen, erlebt sie den Zusammenbruch eines eben noch unerschütterlich erscheinenden Weltbildes. Nachdem ihre Eltern verschwinden, trägt sie die Verantwortung nicht nur für sich selbst, sondern auch noch für ihre vier Geschwister, darunter ein Säugling. Ausgerechnet durch einen flüchtigen jüdischen Jungen wird ihr Hilfe inmitten einer sonst feindlichen Wirklichkeit zuteil. Obwohl Lore von der NS-Ideologie geprägt ist, kommt es zu einer langsamen Revision ihres Denkens und Empfindens. Die australische Regisseurin Cate Shortland (Jahrgang 1968) hat für Lore eindringliche Bilder und einen unspektakulären, dabei doch suggestiven Erzählstil gefunden. „Sie wagt sich auf kaum erschlossenes Gebiet. Der historischen Zäsur des 8. Mai 1945 begegnet sie ohne Begriffe, dafür mit gefräßigen Sinnen. Schuldzuweisungen und moralisches Urteil bleiben aus; stattdessen versucht sie, die Wahrnehmung der Protagonistin zum Dreh- und Angelpunkt des Films zu machen.“ (Cristina Nord, die tageszeitung). (cl)

am 4.7.2013 um 20.00 Uhr
am 9.7.2013 um 20.00 Uhr


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Ende der Schonzeit
D/IL 2012, R: Franziska Schlotterer, K: Bernd Fischer, D: Brigitte Hobmeier, Hans-Jochen Wagner, Christian Friedel, Thomas Loibl, Rami Heuberger, Max Mauff, 100’ 35 mm, DF

Süddeutschland in den frühen 1940er Jahren: Um der Verhaftung durch die Gestapo zu entgehen, plant ein junger jüdischer Mann in die Schweiz zu fliehen. Als das Vorhaben misslingt, wird er von einem Bauernpaar versteckt und damit vor der wahrscheinlichen Ermordung bewahrt. Doch so uneigennützig wie diese Tat auf den ersten Blick erscheint, ist sie nicht. Nicht nur, dass der Versteckte als billige Arbeitskraft willkommen ist, er soll auch noch der Bäuerin den längst überfälligen Stammhalter zeugen, denn der Bauer selbst ist dazu körperlich nicht in der Lage. Nach und nach entwickelt sich zwischen der Frau und dem unfreiwilligen „Zuchtbullen“ so etwas wie eine Beziehung. Gekonnt entwirft Regisseurin Franziska Schlotterer (Jahrgang 1972) in ihrem Spielfilmdebüt ein beklemmendes Kammerspiel um Mitläufertum, Schuld und möglicher Vergebung. Bis auf eine in Israel spielende Rahmenhandlung fokussiert der Film ausschließlich den ländlichen Mikrokosmos, in dem die gegenseitigen Verstrickungen und Abhängigkeiten atmosphärisch dicht und glaubwürdig in Szene gesetzt werden. (cl)

am 7.7.2013 um 20.00 Uhr
am 10.7.2013 um 20.00 Uhr


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Come Together. Dresden und der 13. Februar
D 2012, R: Barbara Lubich, K: Ralf Jakubski, Barbara Lubich, Erik Schimschar, Michael Sommermeyer, René Liebert, Philipp Grimm, 94’ Blu-ray

Am 13. und 14. Februar 1945, also wenige Wochen vor Kriegsende, wurde Dresden durch mehrere alliierte Luftangriffe in Schutt und Asche gelegt. Wie viele Tausende Menschen in der von Flüchtlingen überfüllten Stadt ums Leben gekommen sind, konnte nie mit Sicherheit beziffert werden. Die aus Südtirol stammende Regisseurin Barbara Lubich hat einen ebenso präzisen wie komplexen Film über die sich wandelnde Bedeutung des historischen Datums gedreht. Nach der propagandistischen Instrumentalisierung durch Goebbels erfuhr der 13. Februar auch im Kalten Krieg durch die SED einen ideologischen Missbrauch. Inzwischen nutzen Neonazis aus ganz Europa den Tag für Aufmärsche – was alljährlich auch zu massiven Gegendemonstrationen führt. Come Together erweist sich als erhellender Beitrag zur deutschen Gedenkkultur; der Film kommt ganz ohne Kommentar aus und bezieht doch eindeutige Position. „Eine Dokumentation über die Querelen rund um einen Gedenktag mag man sich bestenfalls informativ, kaum aber spannend vorstellen, doch Barbara Lubich ist das Kunststück gelungen, aus diesem Stoff einen Film zu machen, der bis zur letzten Sequenz keine Sekunde langweilt.“ (Reinhard Lüke, film-dienst). (cl)

am 14.7.2013 um 20.00 Uhr
am 18.7.2013 um 20.00 Uhr


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Kriegerin
D 2011, R: David Wnendt, K: Jonas Schmager, D: Alina Levshin, Jella Haase, Sayed Ahmad Wasil Mrowat, Gerdy Zint, Lukas Steltner, 103’ 35 mm

Marisa lebt in einem Kaff in Mecklenburg-Vorpommern und fühlt sich als völkische Patriotin. Ihr großes Vorbild ist ihr Großvater, der noch die „glorreichen Zeiten“ Deutschlands miterlebt hat. Alle ihre Freunde sind stramm rechts wie sie. Neonazismus scheint hier schon zum Mainstream geworden zu sein. Wer nicht auffallen will, reiht sich in die braune Meute ein. Das so felsenfest wirkende Weltbild Marisas gerät jedoch ins Wanken, als sie einen jungen afghanischen Flüchtling kennenlernt. Sie kann sich aus ihren Zusammenhängen lösen und setzt zu einem Prozess des Umdenkens an. Dadurch wird sie allerdings selbst zur Außenseiterin, die bald von ihrer Vergangenheit eingeholt wird. Regisseur David Wnendt hat diesen bis zuletzt packenden, gut gespielten und gründlich recherchierten Film noch als Student der Filmhochschule in Babelsberg gedreht. Durch die Enthüllungen um die „NSU-Morde“ und die damit einhergehenden Ermittlungsskandale hat Kriegerin eine unerwartete und nachgerade beklemmende Aktualität erfahren. (cl)

am 21.7.2013 um 20.00 Uhr
am 23.7.2013 um 20.00 Uhr


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Adam Resurrected
Ein Leben für ein Leben – Adam Hundesohn
D/USA/IL 2008, R: Paul Schrader, K: Sebastian Edschmid, M: Gabriel Yared, D: Jeff Goldblum, Willem Dafoe, Ayelet Zurer, Derek Jacobi, Hana Laszlo, 106’ Blu-ray, OF

In einer einsam in der israelischen Wüste gelegenen Klinik sind Holocaust-Überlebende untergebracht, die schwer an der Bürde dieses Überlebens tragen. Allesamt sind sie traumatisiert, bewegen sich in Wunsch- und Wahnwelten, quälen sich mit Selbstvorwürfen, warum ausgerechnet sie noch auf der Welt sind, während doch all ihre Freunde und Verwandten ermordet wurden. Einer von diesen Insassen ist Adam Stein, einst Varieté-Künstler im Berlin der späten Weimarer Republik, nun für seine Mitbewohner eine Art Zirkusdirektor, stets das Aufdämmern der eigenen Angstschübe lautstark überspielend. Als ein Junge eingeliefert wird, der sich für einen Hund hält, brechen verdrängte Wunden wieder auf. Yoram Kaniuks Roman Adam Hundesohn erschien bereits 1969 und galt lange als unverfilmbar. Paul Schrader hat sich mit der Adaption des Stoffes einen lang gehegten Wunsch erfüllt. Gekonnt verschachtelt er die verschiedenen Zeitebenen, verwebt Erinnerungen und innere Bilder zu einem bisweilen fast surreal anmutenden Mosaik. Neben Schraders gewohnt-souveräner Drehbucharbeit und der ungewöhnlichen Inszenierung basiert die gelungene filmische Umsetzung vor allem auf Jeff Goldblums grandiosem Spiel. (cl)

am 26.7.2013 um 20.00 Uhr
am 31.7.2013 um 20.00 Uhr


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V Tumane
Im Nebel
BY/D/RUS/S/LV/NL 2012, R: Sergei Loznitsa, K: Oleg Mutu, D: Vladimir Svirski, Vladislav Abashin, Sergei Kolesov, Nikita Peremotovs, Yuliya Peresild, 126’ Blu-ray, OmU

Der weißrussische Schriftsteller Wassil Bykau (1924-2003) kämpfte als Soldat selbst gegen die deutschen Besatzer, die meisten seiner literarischen Werke kreisen um das Ur-Thema des Krieges. Dabei ging es ihm nicht um historische Schlachtengemälde, sondern um die universellen moralischen Fragestellungen einzelner Menschen. Bereits 1977 verfilmte Larissa Schepitko mit Aufstieg einen seiner Stoffe. Nun griff der einstige Dokumentarfilmer Sergei Loznitsa in seinem zweiten Spielfilm ebenfalls auf eine Vorlage Bykaus zurück. Erzählt wird die Tragödie von Sushenya, eines Mannes, der von Partisanen als Kollaborateur bezichtigt wird und hingerichtet werden soll. Der zu Unrecht Beschuldigte und seine beiden potentiellen Scharfrichter begeben sich auf einen langen Fußweg durch den winterlichen Wald. In Rückblenden setzen sich Fragmente aus dem Leben Sushenyas zu einem fatalen Mosaik des Unheils zusammen, an dessen Ende nur der Tod stehen kann. Denn der Tod sitzt den drei Männern unablässig im Nacken – er ist ein Meister aus Deutschland. (cl)

am 2.8.2013 um 21.00 Uhr
am 4.8.2013 um 20.00 Uhr


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Inglourious Basterds
USA/D 2009, R/B: Quentin Tarantino, K: Robert Richardson, D: Brad Pitt, Mélanie Laurent, Christoph Waltz, Eli Roth, Michael Fassbender, Diane Kruger, 154’ 35 mm, OmU

Wer in einen Tarantino-Film geht, der erwartet keine auf verbürgten Tatsachen basierende Geschichtsstunde, sondern, im Gegenteil, deren Überhöhung und Umkehrung. Dabei ist Tarantino dem Trash-Kino scheinbar näher als dem Autorenfilm. Und mit den zwischen Kunstgewerbe und Pathos changierenden Werken à la Der Untergang oder Stalingrad hat er noch viel weniger zu tun. In Inglourious Basterds wird die Historie des Zweiten Weltkriegs lustvoll umgeschrieben: Um sich an der Ermordung ihrer Angehörigen durch die Nazis zu rächen, sprengt eine Pariser Kinobesitzerin die Ehrengäste einer Filmpremiere in die Luft, inklusive des aus Berlin angereisten Adolf Hitler. Parallel dazu werden die Strafaktionen alliierter Sonderkommandos gezeigt, die hinter den deutschen Linien für Furcht und Schrecken sorgen. „Es ist eine Rachephantasie, die sich um die historische Realität nicht kümmert, weil für Tarantino sowieso schon immer das Kino die bessere Wirklichkeit war. Diese Unverschämtheit, die Geschichte einfach zu ignorieren, hat bislang noch kein Film gehabt.“ (Georg Seeßlen). (cl)

am 3.8.2013 um 20.00 Uhr
am 6.8.2013 um 20.00 Uhr


 

 
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