> Der 20. Juli 1944

Der 20. Juli 1944

Die im Namen Deutschlands verübten Verbrechen während des Zweiten Weltkrieges, aber auch der für die Wehrmacht immer ungünstigere Verlauf des Krieges bestärkten eine Reihe von Deutschen in ihrem Willen, gegen das NS-Regime Widerstand zu leisten. Der erfolgversprechendste Versuch eines Staatsstreichs gegen die NS-Führung scheiterte am 20. Juli 1944.

Ab 1943 entwarfen Wehrmachtsoffiziere um Friedrich Olbricht, Henning von Tresckow und Claus Schenk Graf von Stauffenberg in Verbindung mit dem zivilen Widerstand um den 1938 aus der Wehrmacht verabschiedeten General Ludwig Beck und den ehemaligen Leipziger Oberbürgermeister Carl Friedrich Goerdeler sowie Mitglieder des "Kreisauer Kreises" Pläne für eine Regierung nach dem Sturz des NS-Regimes. Ihnen gelang es, Dutzende von Unterstützern für den geplanten Staatsstreich zu gewinnen. An dem Umsturzversuch beteiligten sich die Männer und Frauen aus ganz unterschiedlichen Motiven. Einige Verschwörer hatten den verbrecherischen Charakter der Nationalsozialisten schon früh erkannt und waren gegen das NS-Regime aktiv geworden. Viele Soldaten waren über die Verbrechen in Europa informiert und hatten begriffen, dass sie als Offiziere den von Deutschland entfachten Krieg selbst zu lange mitgetragen hatten. Andere hingegen wollten angesichts der drohenden Niederlage nicht viel mehr, als ihre eigene Haut retten. Die Verschwörer planten die Beseitigung des NS-Regimes und Friedensschlüsse mit den Kriegsgegnern, um weitere Opfer zu vermeiden und um den Beweis anzutreten, dass Deutschland aus eigener Kraft mit der Diktatur gebrochen habe. Über die Zukunft Deutschlands aber herrschte Ungewissheit und Uneinigkeit. Eine Rückkehr zur parlamentarischen Demokratie der Weimarer Republik strebten die Wenigsten an.

Nachdem bereits mehrere Attentatsversuche auf Adolf Hitler gescheitert waren, wollte Stauffenberg am 20. Juli 1944 im "Führerhauptquartier Wolfsschanze" in Ostpreußen Hitler bei einer Lagebesprechung durch ein Bombenattentat töten. Als bekannt wurde, dass Hitler den Anschlag nur leicht verletzt überlebt hatte, zeichnete sich das Scheitern des Umsturzversuches ab. Stauffenberg und drei andere Verschwörer wurden noch in der Nacht zum 21. Juli in Berlin erschossen. Ludwig Beck wurde die Gelegenheit zum Selbstmord gegeben, der jedoch zweimal scheiterte. Daraufhin erschoss ihn ein Feldwebel der Wehrmacht.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges galten die "Verschwörer des 20. Juli" bei der Mehrheit der Deutschen zunächst als "Verräter", die ihren auf Adolf Hitler geleisteten Eid gebrochen hätten. Während die DDR den kommunistischen Widerstand in den Mittelpunkt des offiziellen Gedenkens stellte, fand das Attentat vom 20. Juli 1944 in der Bundesrepublik Deutschland seit Mitte der Fünfziger Jahre zunehmend Anerkennung in Politik und Gesellschaft. Offizielle Gedenkveranstaltungen würdigen den Freiheitswillen und den Vorbildcharakter der Attentäter. Davon zeugen auch die Namensgebungen zahlreicher Schulen, Kasernen und Straßen.

Die Auseinandersetzungen um die Beteiligten des 20. Juli sind aber noch nicht beendet. Immer wieder wird bemängelt, dass oft eine zu kritiklose Haltung gegenüber den Verschwörern eingenommen werden würde: Bevor diese den Staatsstreich planten, seien sie als Unterstützer oder Mitläufer der NS-Diktatur sowie als Befürworter des Krieges und der damit verbundenen deutschen Eroberungspläne aufgetreten. Angesichts von nationalistischer, antidemokratischer und zum Teil antisemitischer Weltanschauung dürften die Verschwörer des 20. Juli - so die Kritiker - nicht uneingeschränkt als Vorbilder in der Bundesrepublik Deutschland und ihrem freiheitlich-parlamentarischen System dienen.

Allgemeinen Respekt und Achtung finden der Mut der Beteiligten und ihr Wille zum Sturz der verbrecherischen Diktatur. Die Bundeswehr beruft sich heute in ihrem "Traditionsbild auf den Geist der Verschwörer". Das Gelöbnis der Rekruten im Bendlerblock findet seit einigen Jahren am 20. Juli statt. Und dafür gibt es auch gute Gründe.

Arnulf Scriba
Juli 2014

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