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»Wer es nicht erträgt, soll hinausgehen.« Diese Worte, gesprochen vom Gerichtspräsidenten nach einem Zwischenruf, machen zwei Dinge klar: Hier wird etwas verhandelt, das selbst im Gerichtssaal, über zehn Jahre später, unerträglich ist; dies soll außerdem mit der größtmöglichen Neutralität geschehen. Hochfliegende Emotionen sind nicht erwünscht. Die Rede ist vom Prozess gegen Adolf Eichmann in Jerusalem 1961.
Rony Braumann (Buch) und Eyal Sivan (Buch und Regie) komponierten aus den 350 Stunden langen Aufzeichnungen des Prozesses den Film Un spécialiste. Sich jeglichen Kommentars enthaltend, haben sie das Porträt eines Naziverbrechers gezeichnet, das von den Zuschauern sehr viel Mitarbeit verlangt. Nicht ein Ungeheuer, ein Hüne und Inbegriff eines Nazioffiziers steht vor dem Gericht, sondern ein unspektakulärer Mensch mit schütterem Haar und Hornbrille, der dem Staatsanwalt ziemlich ähnlich sieht.
Angeregt von Hannah Arendts Begriff der »Banalität des Bösen« sind die Filmemacher der Argumentation des »Spezialisten« gefolgt. Fasziniert und abgeschreckt zugleich hört man den emotionslosen Eichmann von seinem absoluten Gehorsam reden, von seinen inneren Zweifeln, die keinen Platz in der Nazimaschinerie fanden. Unbegreiflich ist es, was in diesem Gerichtssaal so nüchtern besprochen wird, und doch kommt es so normal daher. Das angeklagte »Monster«, wie der Staatsanwalt Gideon Hausner Eichmann in seinem Eröffnungsplädoyer nennt, sitzt als distinguierter, manchmal fast bemitleidenswerter Herr in seiner Kabine und beantwortet höflich alle Fragen.