Ab-, Um-. Aufbrüche

1983: Umfrage Alexanderplatz, eine Kameraübung von Dieter Chill im 2. Studienjahr an der Hochschule für Film und Fernsehen, zugleich ein Zeugnis Ostberlins. Die Passanten auf dem zu einem modernistischen Ensemble vereinheitlichten Alexanderplatz sind sich alles andere als einig, was sie von diesem Städtebauprojekt halten sollen. Für die einen ist die DDR-Moderne Ausdruck eines Vorwärts, andere sehnen sich ein anheimelndes Stadtbild zurück, empfinden den Platz als kalt und abweisend. 

Von der Stadt aufs Land: Für die Bewohner*innen von Schmiedewalde, einem von der deutschen Wiedervereinigung vergessenen Dorf nahe Dresden, ist die neue Realität von 1990 ein Ab-, Um- und Aufbruch – je nach Perspektive der Befragten. Dieter Chill und Peter Badel dokumentieren Im schönsten Wiesengrunde Menschen in Schockstarre, auch solche mit Zukunftsglauben, andere mit Alltagswitz; interviewt im Vorbeigehen, beim Biertrinken und in den eigenen vier Wänden. Resignation und Verbitterung überwiegen, während sich bei der rechten Discojugend gute Laune breitmacht. 

Unsichtbare Abbrüche: Von Alltagsrassismus handelt dann auch die von Chill gefilmte Dokumentation Bruderland ist abgebrannt der Regisseurin Angelika Ngúyen. Darin wird das Leben von vietnamesischen Vertragsarbeiter*innen sichtbar gemacht, die nach dem Ende der DDR ihre Staatsverträge verloren haben und aufgefordert werden, das Land zu verlassen. Sie finden sich wie ehedem ausgegrenzt, unter nochmals verschärften Bedingungen in einem neuen Staat. Ein direkter, für diese Menschen Partei ergreifender Film. (ts)