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Jan Gympel
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Entziehung

In ihrem vierten Fernsehfilm übernahm Gabriele Wohmann auf Wunsch der ZDF-Redaktion auch die Hauptrolle. Dass sie eine tablettensüchtige Intellektuelle auf Entziehungskur darstellte, nachdem sie ihre eigene Abhängigkeit von Psychopharmaka und deren glückliche Überwindung bereits in ihrem 1970 erschienenen Roman Ernste Absicht verarbeitet hatte, führte natürlich zu der Unterstellung, sie spiele sich selbst. Dagegen wehrte sie sich ebenso wie gegen falsche Erwartungen: „Der Autorin und Hauptdarstellerin, die sich in dem ihr fremden Metier recht gut zurechtfand, ist vor allem wichtig, daß man bei ‚Entziehung’ nicht ein Dokumentarspiel zum Thema ‚Sucht’ erwartet. Es wird keine abgeschlossene Geschichte erzählt, vieles bleibt offen, der Phantasie des Zuschauers überlassen. Eine Entwicklung wird nicht gezeigt.“ (H.K., Stuttgarter Zeitung, 6.6.1973) Während manche Kritiker Larmoyanz, Selbstbespiegelung und Unschärfe beklagten, waren andere für den im Untertitel als „Ein Tagebuch“ bezeichneten Film voll des Lobes: „Ein faszinierendes Stück, ebenso faszinierend gespielt. Autorin und Hauptdarstellerin sind ein- und dieselbe Person. (…) Die Identifizierung mit dieser Frau, die den Anforderungen des Alltags nicht gewachsen ist, Zuflucht bei Psychopharmaka sucht, die sich der Welt entzieht durch Flucht in ein Sanatorium zu einer Entziehungskur, ist ihr so vollständig gelungen, daß man vom ersten bis zum letzten Satz gefesselt bleibt. (…)  der Überdruß am Leben, die Unfähigkeit, sich zurechtzufinden, ist selten so intensiv, so kompromißlos dargestellt worden, wie hier.“ (F.R., Kölner Stadt-Anzeiger, 8.6.1973) (gym)