Saturday, 31. January 2026, 08.00 PM
Jetzt – nach so viel’ Jahren

Rhina, ein oberhessisches Dorf im Jahr 1981: der verwüstete jüdische Friedhof, die junge Feuerwehr als „anständige Kindererziehung“, eine gefälschte Schulchronik – ausgerechnet für den 9. November 1938 sind die Einträge verschwunden; es fehlen gleich sieben Seiten aus dem jahrhundertealten amtlichen Dokument der Gemeinde. Die ignoranten und verdrängenden Aussagen der Dorfeinwohner*innen, die jegliche Verantwortung für die Vertreibung und Ermordung ihrer jüdischen Nachbar*innen während des Zweiten Weltkriegs von sich weisen, schmerzen genauso wie die Wiederholung antisemitischer Klischees, die den Alltag dieses Ortes weiterhin zu prägen scheinen. Dass einst alles anders war, dass Juden und Christen in Rhina sogar „eins waren“, erfahren wir erst von noch lebenden Rhinaer Jüdinnen und Juden, die ihre Zuflucht in New York fanden.
Der für den Hessischen Rundfunk produzierte Dokumentarfilm ist auch ein Stück aktivistischer Arbeit, wenn wir als dessen Publikum selbst zu Zeug*innen einer von den Autoren eingeforderten Konfrontation werden: In einer Rhinaer Dorfkneipe werden den Bewohner*innen die Filmaufnahmen aus New York gezeigt. Ihre ehemaligen Nachbar*innen erinnern sich an die Pogromnacht des 9. November 1938, die im Unterschied zur Erinnerung derjenigen, die in Rhina geblieben sind, niemals verblassen kann. Eine dokumentarische Tragödie in drei Akten, schonungslos, ohne Katharsis. (bg)
Jetzt – nach so viel’ Jahren
- BRD 1981
- DCP
-
R: Pavel Schnabel, Harald Lüders, K: Pavel Schnabel, 60‘