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Praunheims ätzende Tirade gegen die selbstverschuldete Unsichtbarkeit der Schwulen im öffentlichen Leben ist eines der wenigen Beispiele für einen Film mit direkter gesellschaftspolitischer Wirkung. Mehr als 50 Aktionsgruppen gründeten sich nach den ersten Vorführungen und waren Ausgangspunkt für die moderne deutsche Schwulenbewegung. Richard Dyer hat den „Schwulenfilm“ (wie er abgekürzt, auch von Praunheim, meist bezeichnet wird) in Abgrenzung zum „Affirmationsfilm“, der positive Selbstbilder in die bürgerliche Gesellschaft und in die Szene projiziere, als „Konfrontationsfilm“ bezeichnet, der für seine nicht-heteronormativen Inhalte eine widerspenstige ästhetische Form entwickle.

Für den WDR zunächst stumm gedreht, später mit einem ironischen Kommentar versehen, verbinden sich in Praunheims Film Spiel- und Dokumentarfilmszenen, Pamphlet und Essay, gefolgt von einem direkten Appell zur Selbstorganisation. Die experimentelle, offene Form des Films ist dabei genauso herausfordernd wie seine in alle Richtungen schießende Kritik. Proteste gab es sowohl allgemein gegen die Thematisierung von Homosexualität im deutschen Fernsehen (legendär ist der Ausstieg des BR während der ARD-Ausstrahlung am 15.1.1973), als auch gegen diese spezifische, von vielen Schwulen als unvorteilhaft abgelehnte Repräsentation von Homosexualität. Die produktive Provokation funktionierte selbst dort, wo eine organisierte Bewegung bereits existierte: Nach einer Vorführung im New Yorker MoMA traf Praunheim 1972 der Vorwurf, sein Film sei schwulenfeindlich. (jak)